Ausstellungsbesprechungen

Windflower - Perceptions of Nature, Kröller-Müller Museum Otterlo, bis 15. Januar 2011

Die Schau im niederländischen Otterlo zeigt verschiedene Sichtweisen auf die Natur als verletzlichen Faktor im allgemeinen Streben nach Fortschritt. Cornelia Ganitta hat sie sich angeschaut.

Abenddämmerung. Menschen, die wie der Schatten ihrer selbst wirken, waten langsam durch das Wasser. Es könnte, muss die See sein, vermutlich das Wattenmeer. Oder ist es doch ganz anderswo auf dieser Welt? Die raumfüllende Szenerie ist in drei Teile gegliedert. Eine Art Triptychon, wenngleich in diesem Fall alle Teile gleich groß sind. Ein gut siebenminütiges Video, von dem eine unglaubliche Ruhe ausgeht.

Vor allem dieses ästhetische Werk des Argentiniers Charly Nijensohn ist es, das den Besucher der Ausstellung »Windflower - Perceptions of Nature« in seinen Bann zieht. Zwölf internationale Künstler zeigen darin anhand von Installationen, Gemälden und Skulpturen ihre Sicht auf eine im Wandel befindliche Natur, angesichts einer globalen Jagd nach Fortschritt und Wohlstand. Wo sonst, wenn nicht im Kröller-Müller, einem Museum, das, mitten im niederländischen Nationalpark Hoge Veluwe gelegen, Sinnbild für die Verschmelzung von Kunst und Natur ist, würde eine solche Schau besser passen?

Wie um das zu verdeutlichen, steht gleich im Eingangsbereich eine riesige Vase mit einem ballförmigen Bouquet aus künstlichen und echten Blumen, die ein Florist nach strenger Anweisung des niederländischen Konzeptkünstlers Willem de Rooij regelmäßig ersetzt. Mit der Installation verweist de Rooij auf die Landschaft seiner Heimat, die immer strukturiertere, vom Menschen entworfene Züge annimmt. Zugleich steht der Blumenstrauß für die Vermengung fernöstlicher kultureller Gewohnheiten – so bevorzugt man in Asien den Gebrauch von künstlichen Blumen – mit denen westlicher Kultur. »Wir haben keine große Tradition im Verschenken von echten Blumen«, bekräftigt die Künstlerin Kimsooja. Die Koreanerin ist ebenfalls mit einer meditativen Videoinstallation vertreten. »A Mirror Woman – The Sun & The Moon« zeigt eine Sonnenfinsternis über einem Ozean, die in Echtzeit abgespielt wird. In raumgroßen Bildern wird darin ihre Faszination für den Kosmos deutlich, die – laut Künstlerin – zwangsläufig zu einer inneren Einkehr, einer Konzentration auf das Ich, führt.

Es folgen weitere Künstler aus Asien und Amerika. Aus Deutschland nimmt Lothar Baumgarten mit Fotos seiner bereits Ende der sechziger Jahre entstandenen, aber immer noch aktuellen Serie »Culture-Nature, Manipulated Reality« teil. Die Ethnografie und Anthropologie sind nur einige der wissenschaftlichen Gebiete, die einen thematischen Bezug zu Baumgartens Werk haben. Seit einem längeren Aufenthalt bei Amazonas-Indianern reflektieren seinen Arbeiten in kritischer Weise die westliche, kolonialistisch geprägte Sicht auf andere Kulturen. Ungewöhnlich, weil selten: Auch Yoko Ono ist mit japanischen, buddhistisch angehauchten Haikus (Gedichten), die die Scheiben der zum Park gewandten Fenster zieren, vertreten. Allen beteiligten Künstlern gemein ist die Rückbesinnung auf eine verletzbare Natur in einer sich rasant – und hierin liegt die Assoziation zum Titel der Schau – verändernden Zeit.

Mit Hilfe der an der Kasse ausliegenden Künstlerbeschreibung klärt sich am Ende auch das Rätsel der Video-Umgebung auf. So entstand Charly Nijensohns Installation 2008 am Salar de Uyuni, dem mit 10.000 Quadratkilometern größten Salzsee der Erde in Bolivien unter Einbeziehung der indianischen Aymara-Bevölkerung. Ein Sinnbild für den von ökonomischen Interessen geleiteten Raubbau an der Natur, der auf lokale Traditionen wenig Rücksicht nimmt. Die Schönheit der Landschaft und die Ruhe scheinen trügerisch. Denn der Titel des Videos »Wreck of Men« lässt von Menschen gemachtes Unheil erahnen.

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