Ausstellungsbesprechungen

Wolfgang Neumann – Kopfstand. Zeichnungen und Malerei, Aras Ören zum 75. Geburtstag, Galerie Egbert Baqué Berlin, bis 10. Januar 2015

Literatur und Zeichnung verschmelzen in der aktuellen Ausstellung in der Galerie Baqué. Wolfgang Neumann, seines Zeichens Maler, Dichter und Musiker, illustrierte den aktuellen Erzählungsband des Schriftstellers Aras Ören. Seine Bilder hierfür sind jetzt zu sehen - in genau der Reihenfolge, wie sie im Buch auftauchen. Wer viel Zeit mitbringt, kann also vor den Originalen schmökern, entdeckte Günter Baumann.

Die schlechte Nachricht zuerst: Die Ausstellung mit Arbeiten des aberwitzig-genialischen Jazz-Rock-Pop-Malers Wolfgang Neumann in Berlin geht nur bis zum 24. Dezember, wobei der Galerist – das ist schon mal eine erste positive Nachricht – über die Feiertage und ins Neue Jahr hinein auf Nachfrage eine Führung durch die Schau anbieten kann. Doch die eigentlich gute Nachricht ist die: Die Ausstellung ist eine Dreifachpräsentation, potenzierter Hochgenuss also mit Langzeitwirkung, denn sie besteht zum einen aus den gezeigten Bildern von Wolfgang Neumann, zum anderen aus zwei Publikationen anlässlich des 75. Geburtstags von Aras Ören, einem, wenn nicht dem Begründer der Fremdsprachenliteratur im Nachkriegsdeutschland – einer Dichtung, die in einer anderen Sprache als der deutschen geschrieben ist, zugleich aber zwingend mit diesem Land verknüpft ist. Neben Prosa umfasst sein Werk auch Gedichte, darunter das epische Poem »Was will Niyazi in der Naunynstraße«, das Ören 1973 bekannt machte.

Lange war es still um den seit 1969 in Berlin lebenden türkischen Schriftsteller Aras Ören – zumindest in den deutschsprachigen Übersetzungen. Da die meisten seiner hier erschienenen Prosatexte und Gedichtbände vergriffen sind, ist es fast eine Neuentdeckung, wenn sich der vielfach ausgezeichnete Autor, seit 2012 Mitglied der Akademie der Künste Berlin, mit dem Erzählungsband »Kopfstand« in Erinnerung bringt – passend zu seinem 75. Geburtstag und begleitet von (k)einer Festschrift und einer Berliner Ausstellung mit Arbeiten des Stuttgarter Künstlers Wolfgang Neumann, der die beiden Publikationen illustriert hat. Und das nicht nur am Rande dieser oder jener Absätze: Rund 50 Arbeiten sind speziell hierfür entstanden, deren Originale eine zünftige Ausstellung ergeben. Authentische Zeichnung und Buchillustration sind aufeinander abgestimmt, die Bildfolge an der Galeriewand folgt der Platzierung im Buch. Wer viel Zeit mitbringt, könnte so durchaus interaktiv mit dem »Kopfstand« in der Hand den Text an der Wand visuell nacherlebbar machen. Mehr noch: Der Neumann-Sammler Ören ist mit der Bildwelt des Künstlers so gut vertraut, dass man sich nicht wundern würde, wenn die eine oder andere Skurrilität in seine Literatur eingeflossen wäre, und sei es unbewusst. Der Ausstellungsbesucher wird allemal nach dem Genuss der Bilder mit Gewinn in die Lektüre einsteigen: Die Titelerzählung lässt in der fulminant übersetzten Sprache an Bulgakow denken, nimmt aber den Golfkrieg als Hintergrund einer skurrilen Verselbständigung der Literatur über die medienmanipulierte Erfahrung des Autor-Ichs. Der ganze Band ist ein sprachästhetischer und sinnlicher Genuss.

Zum Erzählungsband ist eine Festschrift für Aras Ören erschienen, mit Texten von seinen Freunden und literarischen Weggefährten Friedrich Christian Delius, Peter Schneider und Jürgen Theobaldy. Da der Geehrte keine Ehrungen mag, hat der Galerist, der die ergänzende Publikation zu verantworten hat, diese »Ceci n’est pas une Festschrift« – frei nach Magritte – genannt. Die Illustrationen stammen wiederum von Wolfgang Neumann. Die Bleistift- und Buntstiftzeichnungen zu »Kopfstand« sowie die Acryl-/Ölkreidebilder der Begleitschrift sind kongeniale Anverwandlungen des Textes. Wie die Erinnerungen der Laudatores sind die Arbeiten Freundschaftsbekundungen, die zum einen den sinnlichen wie surrealen Geist der poetischen Sprache einfangen, zum anderen das Charisma des Autors greifbar machen, etwa im Bild »Begrifflich«, das Örens tatsächliche Leidenschaft fürs Pfeiferauchen schildert – es ist nicht aber nur eine Pfeife, es sind mehrere (ein Reflex auf die magrittesche Entlarvung der Bildwirklichkeit). In Neumanns »Porträt Aras Ören« ist dem Künstler ein großartiges, in heftigen Farbattacken auf die Leinwand gezaubertes Bildnis gelungen. In seinen Illustrationen ist er gewohnt frech und frei. Hier ist ein Zeichner am Werk, der selbst literarisch bewandert ist. Erst in diesem Jahr ist eine CD seiner Rock-Band Art-Attacke, mit dem sarkastischen Titel »Gammel Royal«. Die Texte schrieb Wolfgang Neumann. So kann man sich nun auch mal derb, mal zart, mal laut, mal im Stillen vergnügen, wenn der Musiker-Künstler sich der Literatur eines Sprachgenießers widmet. Am besten in der Galerieausstellung vor den Originalen, oder nachhaltig beim Nachblättern und Lesen.

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