Termin

Guilty Marks

Ausstellung 01.12.2018–05.01.2019

Thomas Rehbein Galerie, Köln, Deutschland

Der Name der Künstlerin Dove Bradshaw (*1949) reiht sich in die erste Riege amerikanischer Konzept- und Minimalkünstler ein, mit welchen sie – freundschaftlich verbunden – seit dem Ende der 1960er Jahre einen regen gedanklichen Austausch führt. Neben Carl Andre, Sol LeWitt und ihrem Lebenspartner William Anastasi übt vor allem John Cage einen maßgeblichen Einfluss auf die junge Künstlerin aus, deren Schaffen er von Anfang an intensiv begleitet und unterstützt.

In Anerkennung, dass das Material nicht dem Gedanken unterworfen ist und in eine Form gebracht wird, sondern eine eigenständige Entwicklung beansprucht, verfolgten die Konzept- und Minimalkünstler Strategien, welche die künstlerische Absicht und Kontrolle negieren. Dove Bradshaw ist dieser ahierarchischen Auffassung verpflichtet, und gesteht ihren Werken die Entfaltung eines eigenen Potenzials zu, welches aus der Beschaffenheit des Materials selbst stammt.

Seit den späten 1960er Jahren setzt Dove Bradshaw die Unbestimmtheit und den Zufall als gestalterische Prinzipien ein, die ihren Umgang mit Materialien bestimmen. Unter dem Einfluss von John Cage, dem sie 1977, 27-jährig erstmals begegnet und dessen Verständnis einer von aller einengenden Doktrin und Konvention befreiten Kunst sie teilt, beginnt sie die unberechenbaren Auswirkungen von Zeit, Wetter, Erosion, sowie Witterungsverhältnissen auf natürliche, chemische und künstlich hergestellte Substanzen zu erproben. Sie nutzt die „Handlungsfreiheit der Chemie“ (John Cage) und behandelt Oberflächen aus Metall mit chemischen Substanzen und Oxidationsmittel. Oft bestreicht sie Blattsilber mit Schwefel, um die ohnehin mit der Zeit eintretende Verfärbung und Entstehung der Patina zu bekräftigen. In diesen quasi experimentellen Versuchsanordnungen bleibt der Ausgang der einsetzenden Reaktionen offen.

In dieser Tradition, chemische Reaktionen und Zufallsprozesse aufzuzeigen, stehen die jüngsten Gemälde, die Bradshaw seit 2008 produziert. Nicht die künstlerische Intervention im Sinne einer kompositorischen Einflussnahme, sondern die fortdauernde Interaktion zwischen der Oberfläche und der Chemikalie lässt Verläufe und Muster entstehen, die sich in permanentem Wandel befinden. Der Ausstellungstitel „Guilty Marks“ (Verräterische Spuren) hingegen legt nahe, dass es sich hier nicht um einwandfreie Zufallsprodukte handelt, sondern vielmehr um Werke, deren Ausgangsbedingungen die nachfolgenden Veränderungen auf der Oberfläche bestimmen. Der Zufall stellt sich erst während der Trocknung ein, in der Zusammenwirkung der unterschiedlichen Substanzen – Tinte, Ölfarbe, Schwefel, Blattmetall, rohes Pigment – die entweder durch Werfen, Schütten oder Tropfen aufgetragen werden und verschiedenartige Anordnungen von Schlieren, Rinnsälen und Strukturen ergeben.

Auch die „Spent Bullets“ basieren auf Prozessen, die sich unmittelbar in einem Material niederschlagen. Als utopische Geste, welche die Umnutzung tödlicher Waffen propagierte, hat Bradshaw 1979 eine .38 Kaliber Bleikugel in Silber gegossen, die bei Schießübungen des New York Police Departments abgefeuert wurde. Derart „verbrauchte“ Kugeln wurden von der Künstlerin aufgesammelt und zu Ohrringen verarbeitet: „Es ist besser, sie außen zu tragen“, so ihr lakonischer Kommentar. Obgleich dekorativ - und als Schmuckstück neu besetzt - zeugt die geborstene, ausgefranste Hülse eines explodierten Geschosses von Gewalt und Zerstörung.

Die gleichnamigen Skulpturen stellen diese „Spent Bullets“ in 30-facher Vergrößerung dar. Aus Kunstharz durch einen 3-D Drucker modelliert, werden die Formen mit Autolack in den Tönen Mercedes Chartreuse 2018, Toyota Blue 2004, BMW Sakhir Orange 2017 farbig gefasst. Ausgehend von der verformten Kugel präsentiert Bradshaw verführerisch schillernde Objekte, die den ursprünglichen Gegenstand beinahe bis zur Abstraktion verfremden und seinen gefährlichen Kontext entschärfen.

Bettina Haiss, 2018

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