Termin

Zeitrhythmen

Ausstellung 20.09.2018–24.11.2018

Galerie Schlichtenmaier, Stuttgart, Deutschland

Robert Schad (* 1953 in Ravensburg) gehört zu den international renommiertesten Stahlbildhauern der Gegenwart. Seine Skulpturen aus massivem Vierkantstahl durchmessen den privaten und öffentlichen Raum, um Besitz von ihm zu ergreifen. Ausgehend von einer am Menschen orientierten Verhältnismäßigkeit, die wir wie selbstverständlich noch fassen können – der Stahl von 4,5 oder 6 cm Seitenlänge lässt sich noch gut umgreifen –, sucht er die vollendete Form: in der Balance zwischen majestätischer Schwere und schwebender, ja tänzerischen Leichtigkeit. Die Rhythmik des aus zersägten Baustahlstäben zusammengeschweißten Materials macht aus den Räumen gestaltete Orte von bezaubernder Schönheit und vermittelt bei aller Bewegtheit den Eindruck einer statuarischen, auratischen und kontemplativen Dauerhaftigkeit. Die Bewegung erscheint uns absolut rhythmisiert, nicht allein im Sein, sondern auch in der Zeit. Die Anmut und Würde, die Schad hier zum Ausdruck bringt, macht seine Arbeiten zu Protagonisten einer modernen Klassik. »In sich selbst ruhet«, so schreibt Friedrich Schiller in »Über die ästhetische Erziehung des Menschen, »die ganze Gestalt …; da ist keine Kraft, die mit Kräften kämpfte, keine Blöße, wo die Zeitlichkeit einbrechen könnte. Durch jenes unwiderstehlich ergriffen und angezogen, durch dieses in der Ferne gehalten, befinden wir uns zugleich in dem Zustand der höchsten Ruhe und der höchsten Bewegung, und es entsteht jene wunderbare Rührung, für welche der Verstand keinen Begriff und die Sprache keinen Namen hat.«

Völlig unabhängig von Schads Skulpturen entstehen Zeichnungen auf Papier sowie Lackarbeiten auf Stahlblech, die das Werk sinnfällig ergänzen. Was ihn hier antreibt, ist die Freiheit der autonomen Linie in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit, ohne inhaltliche oder statische Zugeständnisse. Die Linie folgt der skulpturalen Spur, nicht umgekehrt. Wesentlich für Schads gesamtes OEuvre ist die Bewegung aus der Gestik heraus, das heißt, der Künstler erkundet den Raum auch körperlich: im Kleinen oder Monumentalen, als Raumzeichnung aus Stahl oder als Zeichnung auf Papier und Metall, immer lässt sich die Linie aus einer gedachten Handschrift heraus nachvollziehen. Zugleich schlägt Robert Schad auch eine Brücke vom individuellen, freien Raumduktus zum konstruierten, gebauten Raum, der sich mit der umgebenden Architektur auseinandersetzt. So entstehen installative Choreographien, die von einem großen plastischen Willen getragen sind: Mal scheint sich das Material einen Weg geradezu durch den Raum zu bahnen, ihn zu durchdringen, mal tastet sich der Stahl spielerisch an Raumgrenzen entlang, als habe er sich selbständig gemacht, wie beispielsweise beim »Stuttgarter Weg«, der den Landtag in Stuttgart mit dem Abgeordnetenhaus unterirdisch verbindet. Diese inszenierte Architektur wie die existenziell anmutende Raumzeichnung versteht Schad hier, gemäß Naum Gabo, als »Gebäude unseres täglichen Daseins«, ein in Stahl gebanntes Tanz-Theater. Durch phantasiestrotzende Benennungen (»Hergis«, »Kalles«, »Kamart« usw.) macht der Bildhauer aus seinen raumgreifenden Zeichensetzungen Wesen von nahezu mythischer Präsenz, die den Betrachtern, so Schad, Impulse geben, »um sich auf die Reise zu ihrer ureigenen Assoziationswelt zu machen«.
Günter Baumann

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