Ausstellungsbesprechungen

75/65 Der Sammler, das Unternehmen und seine Kollektion, Museum Würth - Künzelsau, bis 9. Januar 2011

Zwei Jubiläen bei Würth: Die Adolf Würth GmbH & Co. KG blickt auf ihr 65-jähriges Bestehen und der Unternehmer und Sammler Reinhold Würth feiert seinen 75. Geburtstag. Gern wurden diese beiden bedeutenden Ereignisse zum Anlass genommen, um im Museum Würth in Künzelsau-Gaisbach eine entsprechende Ausstellung zu zeigen. Aus der mittlerweile rund 12.500 Werke umfassenden Sammlung Würth wurde eine kleine, aber feine Auswahl von 75 Werken aus 75 Jahren getroffen, die – dem Lebenslauf Reinhold Würths folgend – exemplarische Kunstwerke von 1935 bis heute präsentiert.

Es dürfte kaum einem anderen Privatsammler gelingen, ein Dreivierteljahrhundert seines Lebens so durchgängig die Entwicklung der Kunst zu spiegeln wie Reinhold Würth: In Künzelsau, wo sich der Stammsitz des Schraubenherstellers befindet, hat man ihm zu Ehren eine ganz auf ihn zugeschnittene Kunstgeschichte geschrieben und dokumentiert. Anlässlich von Würths 75. Geburtstag und des 65. Jahrestages der Firmengründung folgt die Ausstellung Jahr für Jahr mit einem Kunstwerk den Spuren ihrer Geschichte, der Würthschen Biographie und des allgemeinen Weltgeschehens. Wo andere eine schmale Firmenbroschüre zusammenkleckern, wird hier mit großem Atem geklotzt. So gruppiert sich beispielsweise im dokumentarischen Teil etwa unter dem Jahr die Entwicklung der Atomuhr in den USA, die Verleihung des Literaturnobelpreises an Hermann Hesse und die frühen Verkaufsfahrten Reinhold Würths in der vom Krieg zerzausten Region umeinander, begleitet von »Weiblichen Silhouetten«, einem poetischen Ölgemälde von Victor Bauer. Da kommt in 75 Jahren allerhand zusammen, komprimiert zudem in einem spektakulären Bilderbuch, in dem sich der stolze Firmenchef in großem Rahmen feiern lassen kann und angesichts der Kunstparade zugleich als bescheidener »Schaffer« (wie man ihn auf gut Schwäbisch bezeichnen würde) auftreten kann: Denn auf das Präludium mit einem einstimmendem und einem ausblickenden Porträt, der Skizzierung eines Firmenimperiums und einem – ganz unbescheidenem – Interview werden die persönlichen und historischen Stationen entfaltet, die das individuelle Leben fast wieder klein wirken lässt.

Die Bildrevue der Schau umfasst Künstler der Extraklasse, die im Laufe der Jahrzehnte Kontur bekommen haben. Einst als »ungeordnetes Chaos« kritisiert, so Würth, ergab sich aus der puren Fülle »eine Buntheit und Fröhlichkeit, die mehr und mehr als etwas Außergewöhnliches gewürdigt wird«. In der Jubiläumsausstellung sind vertreten: Yaacov Agam, Josef Albers, Horst Antes, Hans Arp, Stephan Balkenhol, Hans Baschang, Georg Baselitz, Victor Bauer, Max Beckmann, Max Bill, Fernando Botero, Daniele Buetti, Anthony Caro, Marc Chagall, Eduardo Chillida, Christo, Tony Cragg, Alan Davie, Nicolas de Staël, Richard Deacon, Sonia Delaunay, Jean Dewasne, Jim Dine, Max Ernst, Jean Fautrier, Lyonel Feininger, Rainer Fetting, Barry Flanagan, Lucio Fontana, Günter Fruhtrunk, Katsura Funakoshi, Antony Gormley, HAP Grieshaber, José de Guimarães, Rudolf Hausner, Xenia Hausner, Anne Hausner, Barbara Hepworth, Auguste Herbin, David Hockney, Karl Hofer, Rudolf Hoflehner, Alfred Hrdlicka, Friedensreich Hundertwasser, Jörg Immendorff, Robert Jacobsen, Asger Jorn, Alex Katz, Anselm Kiefer, Herbert Kitzel, Yves Klein, Fernand Léger, Roy Lichtenstein, Bernhard Luginbühl, Markus Lüpertz, Alberto Magnelli, René Magritte, André Masson, Josef Mikl, Henry Moore, François Morellet, Richard Mortensen, Aurélie Nemours, Emil Nolde, Mimmo Paladino, A. R. Penck, Pablo Picasso, Serge Poliakoff, David Rabinowitch, Franz Radziwill, Arnulf Rainer, Markus Redl, Gerhard Richter, Niki de Saint Phalle, Jesús Rafael Soto, Walter Stöhrer, Donna Stolz, Klaus-Martin Treder, Hann Trier, Lun Tuchnowski, Günther Uecker, Andy Warhol, Ben Willikens und Lambert Maria Wintersberger.

Den Anfang des Jahresparcours macht Emil Nolde mit einem Landschaftsaquarell von 1945, zufällig auch das erste Bild, das Reinhold Würth 1972 kaufte. Das Sammlungsinteresse konzentriert sich dann auf Picasso und Max Ernst, etliche Surrealisten und zunehmend abstrakte Positionen. So subjektiv die Kaufentscheidungen seit jeher waren, so hat sich der Blick des Unternehmers immer mehr professionalisiert, wobei ihm ein wachsender Stab an Beratern zur Seite stand. Das lässt sich ablesen an den Exponaten, die in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind: Plastik und Malerei halten sich etwa die Waage, ältere Künstler und Newcomer sind in ausgewogenem Maße vertreten, Abstraktes und Figuratives bleibt gleichermaßen von Interesse: Ab 2000 datieren malerische Arbeiten von Xenia Hausner, Francois Morellet, Anselm Kiefer, Alex Katz und Donna Stolz sowie Plastiken von Tony Cragg, Antony Gormley, Barry Flanagan, Klaus-Martin Treder, Lun Tuchnowski und Katura Funakoshi. Auffallend ist die Treue zu manchen Künstlern (etwa Cragg oder Tuchnowski), aber auch die Neugierde für junge Trends (so Stolz oder Treder), letztlich auch die Souveränität des unabhängigen Geistes – die fast obligatorisch zu erwartende Neue Leipziger Schule findet hier keinen Platz.

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns