Ausstellungsbesprechungen

„REVOLUTIONÄRE MITTELKLASSE VOL. 2“ Photographien von Alain Kupper, Galerie Walk Of Fame in Hamburg, bis 15. Oktober 2009

Vom 11. September bis 15. Oktober 2009 präsentiert die Galerie Walk Of Fame in Hamburg mit „Revolutionäre Mittelklasse Vol. 2“ die photographischen Arbeiten des 1962 geborenen Züricher Künstlers Alain Kupper. Seine Porträts von menschlichen Mischtypen bilden nicht eindeutig ab, welchen identifizierbaren Genres sie entstammen oder wie eine Inszenierung im Raum funktioniert – es sind problematische Bilder von Menschen unserer Zeit.

Alain Kupper nähert sich seinem Gegenüber mit dem Kameraauge auf sehr einfühlsame Weise an, versucht den Facettenreichtum eines jeden Menschen vor einem „Hintergrund banaler Sachverhalte“, wie Oliver Ross es so treffend formuliert, zu entdecken und festzuhalten. „Es gibt allzu viele Vorbilder, die noch vor kurzer Zeit gehaltvoll waren, es aber heute nicht mehr sind. Sie haben sich eigentlich erledigt und dienen als Refugium für Imitationen. Wie oft hat man es schon gehört: ‚Ich erfinde mich immer neu’ und es nur noch als Werbeslogan halb geglaubt.“ [Ross] Die Suche nach eigener Identität, nach Freiheit und Selbstbestimmung ist Grundlage der Moderne. Mit Kant und Schiller nahm dieses Bestreben gegen Ende des 18. Jahrhunderts seinen Anfang, wurde aber von folgenden Generationen nicht immer gefeiert, sondern auch als Bürde empfunden. Denn nicht jeder kann Freiheit und Recht auf Selbstbestimmung aushalten, so dass es gerade heute zu einem zwanghaften Festhalten an überkommenen Codes kommt.

„Kupper geht es, wie vielen anderen Künstlern, um Codierungen, um Rollenverständnis, um Geschlechter, um Mode, Film, Rockmusik, Kino und Krieg. Wenn Künstler einen Umgang mit ihren Betroffenheiten in Bildern suchen, von was“, so fragt sich Oliver Ross, „ist dann Kupper betroffen? Von der Schwierigkeit, noch Bilder zu (er)finden, die es mir ermöglichen, in ihrem Hof nuancenreiche Begegnungen zu haben? Nichts an diesen Fotomalereien erschöpft sich etwa im ‚Transenkult’, nichts legt sich ab in ‚Rockerästhetik’, weil die Beispiele dafür zu ihrer Zeit so gut und neu waren, dass sie heute besser wirken als ihre perfektionierten und oft lang und breit zelebrierten Nachahmungen.“ Kuppers weich „collagierte“ Bilder bewahren eine Schwebesituation, verleugnen dabei aber nicht ihre harten backrounds. Sie wecken unser Interesse, denn wir wollen wissen, was das für Typen sind und welchen Szenografien diese Portraits, die den Mut zur hässlichen, grausamen Selbstvergewisserung besitzen, entstammen. Das Werk "Ruby" etwa zeigt Schulter- und Kopfpartie einer Frau mit  langem, blonden Haar. Der Kopf ist extrem zur Seite gedreht, so dass Sehnen- und Muskelstränge bis zum Zerreißen angespannt sind und so eine grazile Weiblichkeit auch nicht durch die prunkvolle Halskette wiedererlangt werden kann.

Alain Kuppers Photoarbeiten „berühren neuralgische Punkte der heutigen Retro-Kultur unseres Selbstverständnisses“, da sie „gefühlt[e] Erfindungen von Mischtypen [zeigen], die nichts von Fabelwesen oder sonstigem falsch verstandenen Romantik-Kitsch haben“. [Ross] Und wenn Kunst heute noch an den Sehnerven zu kitzeln vermag, die Betrachter also wieder zu wachem Sehen zwingt, dann ist dem Künstler etwas sehr Wertvolles gelungen, das bedacht, vor allem aber bewahrt werden muss. Auf Traditionslinien aufbauend, entwickelt Kupper ein vielverzweigtes Netz, das Probleme der Gegenwart benennt, ohne sie zu schönen.

Mit „Revolutionäre Mittelklasse Vol. 2“ ist der Galerie Walk Of Fame eine beeindruckende Ausstellung gelungen, die nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern gesellschaftliche Karussellfahrten ehrlich darstellt. Fazit: Arbeiten, die aufständisch, kompromisslos, irritierend und absolut unprätentiös sind und dabei ein irres Gespür für die Abgründe der menschlichen Psyche besitzen!

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