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»aufgebrochen« – Arbeiten von Horst Kraemer, Martin-Niemöller-Haus in Frankenholz, bis 30. Juni 2010

Mit der Ausstellung »aufgebrochen« präsentiert das Martin-Niemöller-Haus die Arbeiten des saarländischen Künstlers Horst Kraemer. In Fotografien, Malerei, Zeichnungen sowie Drucken erprobt Kraemer virtuos die Materialität des Bildgrundes, bricht ihn bisweilen auf und gestaltet durch das Einbinden von warmen, erdigen Tönen beziehungsweise durch ein sonores Schwarz oder ein vibrierendes Weiß eine markante, aussagekräftige und sehr individuelle Handschrift mit hohem Wiedererkennungswert. Unsere Autorin Verena Paul hat sich für Sie die Ausstellung angesehen.

Als ich den Ausstellungsraum mit seiner eigendynamischen Architektur betrete – die durch eine kleine Glaskuppel, Verwinklungen und die roten Backsteinwände für die auszustellenden Werke immer wieder eine Herausforderung darstellt – wird meine Aufmerksamkeit zunächst auf die Fotoarbeiten Horst Kraemers gelenkt, denn hier entdeckt er in stillgelegten Bergwerken eine hinter der Realität schlummernde Welt, die rhythmisiert und strukturiert unser Blickfeld weitet. Dabei begegnen uns oftmals Wirklichkeiten, die nicht in eine räumliche Tiefe weisen, sondern als Fläche mit der Kamera festgehalten werden. Das Reale wird in diesem Augenblick in die Eindimensionalität des Bildes überführt, was in Ansätzen an ein mit Pinsel gemaltes Gemälde erinnert. Die gewählten Ausschnitte zeigen ein schwer in Worte zu fassendes Zusammenspiel von Farbe, Form und materieller Textur, wobei sie den Betrachter vergessen lassen, dass er Bestandteile der Wirklichkeit, wie Betonwände, verrostete Metallstücke oder sich ablösende Farbpartikel vor Augen hat. Gleichzeitig lenkt Kraemer unseren Blick auf das Spiel von Licht und Schatten, das sanft über die einst von Menschenhand genutzten Arbeitsutensilien streicht.

Neben den Fotografien finden wir feingliedrige Zeichnungen, in denen sich der Künstler ebenfalls dem Thema des Bergbaus angenommen hat. Freier und spontaner bewegt er sich dagegen in seinen Aquarellen, in denen er Farbtiefen und Strukturen erprobt. Allerdings sind auch diese Werke nicht minder filigran und zeugen insgesamt von einem wohl durchdachten Formkonzept, etwa in den beiden mit »kosmisch« betitelten Arbeiten, die den Blick in ein weiß gerastertes Universum eröffnen. Dort schwirren kleine und große planetenartige Gebilde umher, deren eigenwillige Textur unsere Augen magnetisch anzieht. Spannend ist hier zudem die Gegenüberstellung, denn es wirkt als sei das eine – um es unter Zuhilfenahme von Termini aus den Bereich der Fotografie auszudrücken – das Negativ und das andere das Positiv. Bricht Kraemer in seinen Fotografien die Realität auf und nimmt insofern eine \"Entwirklichung\" vor, so spaltet er in jenen beiden Aquarellen das Bild in zwei Hälften, die jedoch stark aneinander gebunden bleiben.

Abgesehen von den Drucken, die durch die Bearbeitung der Platten mit einer Nadel den Titel »aufgebrochen« in sich aufnehmen, ist es primär die Malerei, die mir das Thema vergegenwärtigt. Hier zeugen Schnitte im Karton vom Eindringen, Suchen und Finden. Im Zusammenspiel mit warmen, erdigen Tönen beziehungsweise durch ein sonores Schwarz oder ein vibrierendes Weiß gelingt Horst Kraemer eine markante, aussagekräftige und sehr individuelle Handschrift mit hohem Wiedererkennungswert.
Mit viel Gespür gestaltet der Künstler wunderbar schwebende, luzide Wirklichkeitsminiaturen sowie unpathetische, geerdete Werke und daher kann er jederzeit zu neuen Ufern „aufbrechen“, denn „Aufbruch“ ist gleichermaßen mit seinem Leben als auch seinem künstlerischen Wirken verbunden. Horst Kraemer, der seine Arbeiten erst seit einigen Jahren der Öffentlichkeit zeigt, ist für mich eine ganz große Überraschung und eine bereichernde Entdeckung.


Fazit: Gelungene Ausstellung mit Werken voll fesselnder Intensität, lyrischem Sound, innerer Fragilität und souveränem Einfühlungsvermögen: Absolut zu empfehlen!

Weitere Informationen

Die Arbeiten können nach telefonischer Rücksprache mit Frau Engelmann-Nünninghoff (06826-6682) oder Frau Gebhard (06826-7821) besichtigt werden.

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