Ausstellungsbesprechungen

Édouard Vuillard. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, noch bis 25.01.2009

Seine Kunst kommt so leise daher, dass man sich sorgen könnte, man würde sie übersehen. Bei den 120 Arbeiten des Malers Edouard Vuillard (1868–1940), die in der Karlsruher Kunsthalle zu sehen sind, überwiegen die stillen Töne – aber sein frühes Bild »Im Bett« (1891), ausgerechnet dieser Blick in den intimsten Ort des Menschen: eine Bettdecke, fast formatfüllend, kaum in Falten, ein Gesicht, das nur mit zwei angedeuteten geschlossenen Augen und etwas Haar auf eine schlafende Frau hinweist, ist ein spektakuläres Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Freilich, kaum ein weiteres Bild Vuillards bleibt dem Gedächtnis so entschieden erhalten, doch es entfaltet nur am vollendetsten den Zauber, der dem Werk anhaftet.

Es ist eine Ungerechtigkeit der Zeitenfülle, die der Künstler hier in Deutschland zu spüren bekommt. Der Impressionismus hat unsere Vorstellung von der französischen Malerei am Ausgang des 19. Jahrhunderts so überflutet, dass wenig mehr Platz ist, wohl auch deshalb, weil es davon eine so andersartige Parallele mit Liebermann, Corinth u.a. gab, die den Blick auf den Nachbarn schärfte und zugleich fast gnadenlos erschöpfte. Von den Nabis – Bonnard, Denis und Vuillard – kam nur wenig hierzulande an, Gauguin wurde eher als Einzelfigur neben Van Gogh und Cézanne empfunden, Vallotton als einziger hatte im vergangenen Jahr große Auftritte, wurde aber womöglich zuerst als Schweizer Künstler wahrgenommen und dann erst als Nabis-Mitglied.
Die Karlsruher Schau dürfte das Gefüge etwas korrigieren: Luftig zeigt sich ein Maler, der seine Techniken, sei es in der Grafik, sei es in der Malerei grandios beherrschte. Geheimnisvoll wirken seine Bilder, aber es fehlt die zeitabhängige, erklärtermaßen prophetische, letztlich allgemeinreligiöse Abgehobenheit der Nabis-Kollegen. Ihre Farbe ist durchrhythmisiert wie die Palette der Impressionisten, doch ist ihm die Flüchtigkeit ihrer Momentaufnahmen fremd.

# Page Separator #


Gerade diese Anteilnahme am Zeitgeist, dem Festhalten an der traditionellen Kunstauffassung (den Schritt zur Abstraktion wagte er nicht) und zugleich der unerhört neue Ton (jede Linie, jede Fläche drängte – dennoch – auf die Abstraktion zu) machen das Werk Vuillards ungemein spannend. Er war ein Meister des Interieurs, dessen (Hin-)Einblick er mit den weiteren Ein- und Durchblicken in Spiegeln oder mittels Bildern in den Bildern öffnete auf eine seelische Gestimmtheit wie auf das menschliche Äußere, das sich im Innenraum kundtat. Das Schwergewicht der feinfühlig kuratierten Ausstellung liegt in der Druckgrafik, manche Blätter aus Privatbesitz waren noch nie öffentlich zu sehen. Die Beschäftigung mit dem Theater (Bühnenbilder, Programmentwürfe), insbesondere dem Drama (Illustrationen) ist auffallend – er las Hauptmann, Ibsen, Maeterlinck. Darüber hinaus findet auch das Stillleben Vuillards Interesse. Letztlich gehören aber beide Themenbereiche zu seinen Innenraumbildern, deren poetischen Assoziationen nahe liegen – der Dichter Stéphane Mallarmé ließ grüßen. Dass er sich damit aber längst nicht begnügte, zeigen seine Porträts, die in ihrer Beschränkung und bloßen Andeutung zuweilen eine Wirklichkeit berühren, die ein Foto kaum einfangen könnte. »Ich male keine Porträts«, meinte Vuillard in seinen früheren Nabis-Jahren. »Ich male Leute in ihrem Lebensumfeld.«
So eindeutig wollte er es später nicht mehr sehen, aber er blieb der stille Beobachter von Lebensumfeldern.

Weitere Informationen
 

Öffnungszeiten:
Di-Fr 10-17 Uhr
Sa, So, Feiertage 10-18 Uhr

 

 

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns