Ausstellungsbesprechungen

(Z)ART. Galerie Abtart, Stuttgart, bis 31. Januar 2010

Klaus Fabricius, Mitarbeiter der Galeristin Karin Abt-Straubinger, glaubt nicht, dass es einer Portion Mut bedarf, in den Stuttgarter Außenbezirken ein Galeriengebäude bauen zu lassen, das in musealer Größe buchstäblich über sich hinauswächst und doch kaum mit den Museumskollegen in der Innenstadt konkurrieren kann. Günter Baumann war vor Ort.

Freilich gehört einiges an Selbstbewusstsein dazu, doch darum ist die Hausherrin nicht verlegen: Immerhin hat sich die ehemalige Verlegerin längst einen Namen als Galeristin gemacht, so dass tatsächlich die Kunstfans schon zur alten Galerie pilgerten, um ihre Ausstellungen zu sehen. Nun hat sie im Herbst ihr neues Kunstdomizil eingeweiht, das über drei Etagen ein ambitioniertes Programm ins Visier genommen hat. Und weil sie weiß, dass selbst zugkräftige Künstlernamen nicht gleich zum Magneten mutieren, hat Karin Abt einen Kurator eingeladen, die erste Schau im neuen Haus zu bestreiten – und zwar keinen geringeren als Jan Hoet, künstlerischer Ex-Documenta-Leiter und bis 2009 u.a. Chef des MARTa Herford. Um die Tragweite ins rechte Licht zu stellen, sei vermerkt, dass Hoet als freier Kurator seitdem neben seiner AbtART-Verpflichtung zur Zeit auch für das Museum Kalkriese in Osnabrück (»Colossal«) arbeitet.

Nun mag man diese Personalie als Liebhaberei eines unermüdlichen Ruheständlers abtun (Jan Hoet ist Jahrgang 1936). Doch da hat die Galerie in Stuttgart-Möhringen noch ganz andere Lockstoffe parat: Haben die einen ihren Herzog-/de-Meuron-Bau in petto oder die anderen ihren Zumthor im abgelegenen Revier – zugegeben kaum erreichte Pilgerstätten zeitgenössischen Bauens –, so kann sich Stuttgart neuerdings mit einem kleinen kubischen Meisterwerk des Planungsbüros Nixdorf Consult Architekten in einem stetig wachsenden Neubau-Umfeld brüsten, das fast auf der Höhe des innerstädtischen Kunstmuseums (Hascher + Jehle) steht. Anders als der Glaswürfel des Kunstmuseums schachtelten die Architekten in Möhringen auskragende Kuben übereinander, und knüpften damit an die Ästhetik von Rietveld u.a. an. Die enorme Spannung entsteht durch die Kombination von Glas, dunklem Backstein und Bronze, die Raumgestaltung lässt eine Fläche von 500 qm bespielen, zu der noch der (nicht ganz vollendete) 100qm-Skulpturenhof hinzuzurechnen ist.

Bei so viel Aufmerksamkeit kann man die Töne im Haus leiser setzen – mit frappierender Wirkung: (Z)ART trifft die Kunst schon im Wortbild auf das gesetzte Programm: die sinnliche Schärfung des Bewusstseins für Nuancen und Zwischentöne. In harmonischem Zusammenspiel ziehen sich die Arbeiten von 13 Künstler(inne)n durch die drei Ebenen, umschmeichelt förmlich von der schlichten, aber klar konturierten Architektur. Da die Künstler allesamt mehr oder weniger deutliche Assoziationen an Stuttgart mitgebracht haben, ist die Drei-Generationen-Schau eine künstlerische Liebeserklärung an die Stadt und mit ihrer zugleich selbstbezüglichen, unscheinbar stillen Größe auch ein Gegengewicht gegen den Größer-Schneller-Besser-Trend der Gegenwart, wie der belgische Gastkurator meint. Gleich im Eingangsbereich hat er zwei Wegmarken gesetzt, die ein loses Band in die Geschichte und die Stadt hinein knüpfen: Als historisches Zitat begegnet der Betrachter einer Arbeit von Willi Baumeister, »Riesen fragmentiert« (1949), und ein Architekturmodell des De-Stijl-Künstlers Jacobus Johannes Pieter Oud (1927). Die teilnehmenden Künstler, die sich im »zarten« Reigen an den beiden Vorbildern reiben, sind Katinka Bock, Michal Budny, Alberto Garutti, Adam Gillam, Manfred Hoinka, Caroline McCarthy, Ulrich Meister, Helen Mirra, Martin Schwenk, Wim Starkenburg, Kim Tae-Kyun, Thousand Pictures und Jens Wolf. Als Ausnahme der fast anheimelnden Eintracht prangt – auch im Foyerbereich – eine Stahlarbeit von Markus Striedemann auf dem Boden (»Memoire 2009«), die Hoet eher zufällig mit ins Boot nahm, nicht ohne ein Wohlwollen von Klaus Fabricius, der hier schon eine gedankliche Vernetzung mit einer künftigen Ausstellung sieht.

Der Mut, den die Galeristin nun doch in der Präsentation zeigt, liegt in der Messlatte, die sie sich mit dieser faszinierend zurückhaltenden, dabei vielseitig positionierten Bandbreite setzt. Die kommenden Ausstellungen werden an dieser gemessen werden. Um nur die besten Eindrücke zu nennen: Katinka Bock faltet und rollt in einem Regal Keramikbahnen zu einer sinnstiftenden »Bibliothek« zusammen, Alberto Garutti überrascht mit einer Madonna aus demselben Material, das dank elektrischer Temperaturregelung zu leuchten versteht. Manfred Hoinka entdeckt die Sparsamkeit des Seins mit seinem »Quiero ser«, während Caroline McCarthey munter drauflos sammelt. Ulrich Meisters Acrylbilder setzen minimalistische Alltagschiffren zur Memorierung, Kim Tae-Kyun dekonstruiert dagegen Alltägliches zu mythisierenden Tempelfragmenten. Großartig resumiert die Wandarbeit von Wim Starkenburg den architektonischen Raum, um die Ausstellung als Bild im Gesamtbild selbst aufs Schönste zu verewigen.

Weitere Informationen

Der zur Ausstellung erschienene Katalog ist nur in der Galerie erhältlich.
 

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