Ausstellungsbesprechungen

Ägypten: Blick in drei Ausstellungen.

Neben der Landesausstellung in Mannheim und Stuttgart, die den Mumien nachspüren, zeigt auch Karlsruhe unabhängig davon eine Ägypten-Schau, die das Badische Landesmuseum Karlsruhe von Hildesheim übernommen hat. Mit einigen Akzentverschiebungen sind nun über 400 Exponate zu sehen, die sich dem zeitlos Schönen im Land der Pharaonen widmen.

Mit einer auffallenden Leichtigkeit führen die Ausstellungsdramaturgen den Besucher an durchlauchtigen Häuptern vorbei, deren gestalterische Vollkommenheit an den mathematischen Grundrastern deutlich wird, deren Maßeinheit mit der Größe der geballten Faust verbunden war: Theoretisch wäre es möglich gewesen, zwei Hälften einer Skulptur in verschiedenen Werkstätten herzustellen und sie dann zu einer Figur zusammenzustellen. Die Bandbreite reicht von Kleidung über Frisurenmode und überraschend modern wirkendem Schmuckdesign bis hin zur Körperpflege und Medizin. Eine Zusatzausstellung gibt den Beziehungen zur Moderne einen breiten Raum: Einflüsse sind zu spüren in der Beuroner Malerschule (Peter Desiderius Lenz), aber auch im Werk Giacomettis, Picassos, Antes’ oder Pencks – bis hin zu jungen Künstlern wie Franziska Schemel. So erstaunlich der bis heute gültige Schönheitsbegriff, unabhängig des spezifisch ägyptischen Jenseitskults, ist, so schmerzhaft muss man auf einer übergroßen Tubenplastik von Brodwolf – offenbar ein Stück aus dem öffentlichen Raum – ein von fremder Hand eingeritztes Hakenkreuz ertragen. Dass eine selbst im heutigen ästhetischen Verständnis und im Sinne der Ausstellung »schöne« Ausstellung, bei der von der Präsentation über die Raumarchitektur und dezenten Wandillustration (von Karlheinz Kramer) bis hin zur vorbildlichen museumspädagogischen Aufbereitung für Kinder alles stimmig konzipiert ist, einen so unschönen Schlussakkord in Kauf nimmt, ist ärgerlich.

 

Der »Unsterblichkeit im Land der Pharaonen« widmet sich die große Landesausstellung Baden-Württemberg, die parallel zur Mumien-Ausstellung im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum D5 gezeigt wird. Weniger spektakulär als die Badener Schau, die sich zu Unrecht Sensationslastigkeit vorwerfen lassen musste angesichts der von manchen so empfundenen Vorführung toter Menschen (»Mumien-Pornographie«), zeigt die Württemberger Ausstellung, die betont sachlich an das Thema herangeht, dass es doch das Faszinosum der ägyptischen Kultur ist, das ganze Menschenmassen anlockt. – Beide Ausstellungen blicken auf rund 100 000 Besucher zu Beginn des Jahres zurück. Womöglich sind sogar die einen oder anderen Besucher enttäuscht, dass hier (wie dort) weder problematische Körperwelten ans Licht gezerrt noch dass irgendwelche schwachsinnigen Fluchlegenden der Pharaonen bedient werden. Vielmehr vermittelt insbesondere die Stuttgarter Schau den Unsterblichkeitsaspekt mit der Technik der Mumifizierung und dem – mit Karlsruhe gut korrespondierenden – Schönheitsideal in Ägypten. Rund 350 Exponate – darunter Mumien und Objekte der Grabausstattung – geben einen Einblick in die Ursprünge und kulturhistorisch-religiösen Hintergründe der Mumifizierung, ihre zeitliche Entwicklung und das kunstvolle Ambiente (das in einem originalgetreuen Nachbau einer Grabkammer deutlich vor Augen geführt wird). Atemberaubend ist weniger der nur zum Teil entzauberte Mythos, mehr aber die mediale Präsentation neuester Rekonstruktions- und Dokumentationstechniken (so die Untersuchung einer heiligen Ibis-Mumie), wobei jener Zauber nicht zu kurz kommt. Immerhin war es eine hohe Kunst zu mumifizieren, die die Ägypter bis zur Perfektion entwickelten – und gleichermaßen beim Menschen wie bei Tieren anwendeten. Grundstock und Anlass der Sonderausstellung ist die Sammlung des Fabrikanten und Ägyptologen Ernst von Sieglin (1848-1927), die über den Museumsvorgänger an das Landesmuseum ging und nun durch zig Leihgaben ergänzt wurde. Neben den altbekannten und –bewährten Artefakten und Sarkophagen besticht die Ausstellung durch die gezeigten Beigaben wie das Modell eines Schlachters mit Rind oder dem Modell eines Getreidespeichers. Wie im Landesmuseum mittlerweile üblich im Rahmen großer Sonderausstellungen, wird auch die Stuttgarter Ägyptenschau begleitet von einer »Abenteuerreise« für Kinder.

 

Während nun in Stuttgart kurzfristig die Unsterblichkeit Altägyptens ins Landesmuseum Einzug hielt, nimmt sich das Mannheimer REM (C5) die Mumifizierung selbst vor. Zusammengenommen wird es wohl noch nie ein solch vielfältiges Angebot an Mumien in Baden-Württemberg zu sehen gegeben haben. Man kann das obszön finden, wie es der Direktor des Ägyptischen Museums (!) in Berlin tat, aber es gehört doch auch zum Auftrag eines Museums, einen Forschungszweig vom Ergebnis her vorzustellen. Anders als in Stuttgart wird hier die Mumifizierung nicht auf Ägypten beschränkt, sondern bezieht andere Mumifizierungstraditionen wie die in den altamerikanischen Kulturen oder in den neuzeitlichen asiatischen Kulturkreisen ein. Mehr noch als in Stuttgart wird in diesem Rahmen deutlich, wie sehr die Technik von der Natur vorbestimmt war: Ob trockener Wüstensand oder sibirischer Dauerfrost, die extremen Witterungsbedingungen förderten die Idee (und die Idealisierung) der Mumifizierung. So wird der Vorwurf einer »Mumien-Pornographie« schon dadurch entkräftet, dass die reichlich sagenumwobene Technik auf einen natürlichen Ursprung zurückgeführt wird. So begegnen einem im ewigen Eis konservierten Mammutbaby oder einer von Menschenhand mumifizierten Katze eben auch die sterblichen, aber künstlich erhaltenen Überreste von Kindern und erwachsenen Menschen oder – nur im Bildzitat – des einbalsamierten Lenin. Zugegeben, von allen besprochenen Ausstellungen bedarf es in Mannheim der stärksten Nerven und man sollte sich ernsthaft überlegen, ob sie sich als Familienausstellung eignet (wie explizit die Schauen in Karlsruhe und Stuttgart). Doch wird hier eine ganze Kulturgeschichte vorgestellt, die einzigartig sein dürfte. Sie wird in zahlreichen Objekten genauso anschaulich präsentiert, wie sie anhand von medizinisch-nüchternen Behältnissen zur Langzeitlagerung von biologischem Material sowie in kommunikativen Wirkungsbereichen wie in der Werbung oder im Film auch (zum Teil abstruse) Randphänomene beleuchtet.

Weitere Informationen

Die einzelnen Ausstellungen

 

Schönheit im Alten Ägypten – Sehnsucht nach Vollkommenheit

Badisches Landesmuseum, Karlsruhe, bis 27. Januar 2008

 

Ägyptische Mumien – Unsterblichkeit im Land der Pharaonen

Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, bis 24. März 2008

 

Mumien – Der Traum vom ewigen Leben

Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, bis 24. März 2008

 

 

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