Ausstellungsbesprechungen

Ägyptens versunkene Schätze

Selten sind Abenteuer und Archäologie so eng miteinander verwoben wie in der Ausstellung Ägyptens versunkene Schätze im Martin-Gropius-Bau in Berlin. Die Besucher erwartet nicht nur ein Konglomerat an längst verloren geglaubten Unterwasser-Schätzen; vielmehr wird das Entdecken von Kunstwerken auf einzigartige Weise erlebbar gemacht.

Dunkelheit und dramatische Klänge umfangen den Besucher unmittelbar nach dem Betreten der Ausstellungsräume. Durch sämtliche Wände und die Decke einnehmende Bilder wird man in die Unterwasserwelten hineingezogen. Ein riesiges Abbild eines steinernen Kopfes bereitet auf die Exponate vor. Was danach kommt, sind 500 Exponate, die in einer Weltpremiere erstmals der Öffentlichkeit vorgeführt werden. Die Ausstellungsstücke, allesamt Eigentum des ägyptischen Staates, touren entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem IEASM (Institut Européen d’Archéologie Sous-Marine) und der ägyptischen Regierung zwei Jahre lang durch die Welt. Die archäologischen Funde stammen allesamt von dem Küstenstreifen rund um das heutige Alexandria, aus der so genannten kanopischen Küstenregion. Die Bezeichnung geht wohl auf Kanobos zurück, jener Fährmann, der Menelaos und Helena nach dem trojanischen Krieg hierher gebracht haben soll. Die kanopische Küstenregion umfasst die antike Stadt Alexandria und ihre Vorstädte. Das Wasser, damals ein Segen und Garant für Alexandrias Ruf als größten Handelsplatz der Welt, wurde schließlich zum Fluch: Vor über tausend Jahren schluckte das Meer die Metropole und mit ihr versanken auch die Vorstädte Kanopus und Heraklion.

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Erst tausend Jahre später, dank modernster technischer Errungenschaften, erwachen diese drei Städte nun wieder zu neuem Leben. Neben den Exponaten berichten überdimensionale Fotografien und Kurz-Filme von den so spannenden wie mühseligen Taucharbeiten. Der französische Unterwasser-Archäologe Franck Goddio, nach mehreren spektakulären Entdeckungen inzwischen eine Art Superheld der Archäologie, leitete die Ausgrabungsarbeiten.

 

Die Schau ist in drei Bereichen gegliedert. Jeder der Teile behandelt eine der versunkenen antiken Stätten. Den Auftakt bildet die Namensgeberin der Region, die antike Stadt Kanopus –laut dem antiken Autor Strabo „120 Stadien“, d.h. etwa 24 Kilometer von Alexandria entfernt. Eines der beeindruckendsten Exponate hier ist der Naos der Dekaden. Ein Naos bezeichnete eine Nische für eine Götterstatue in einem Tempel. Der hier ausgestellte Naos ist ein aufwendig dekoriertes Exemplar aus schwarzem Granit, um 320 v. Chr. für den Gott Schu-Sopd entstanden. Einige Fragmente sind bereits seit längerem im Besitz der Museen in Alexandria und des Louvre. Goddio fand mehrere Seitenteile, die in der Ausstellung zu einem Ganzen zusammengefügt wurden und nun ein Beispiel ägyptischer Kalenderrechnung repräsentieren. Ein weiteres bemerkenswertes Exponat aus Kanopos zeigt exemplarisch die Verschmelzung von ägyptischer und griechischer Kunst. Die lebensgroße Statue aus schwarzem Granit entstand im 3. Jahrhundert v. Chr. und stellt eine ptolemäische Königin im sinnlich durchnässten Peplos einer Aphrodite dar. Das steife Standmotiv entspringt dagegen der traditionellen pharaonischen Haltung.

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Die antike Stadt Heraklion ist vor allem durch drei fast vollständig erhaltene Kolossalstatuen vertreten. Sie stellen einen König, eine Königin sowie den Gott Hapi dar. Die Bergung dieser gigantischen Skulpturen muss eine logistische Meisterleistung gewesen sein. Der Rundgang endet schließlich mit der Metropole Alexandria. Hier ist vor allem das 80 Zentimeter hohe Caesarion-Kolossalportrait sehenswert. Neben den Skulpturen zeigt die Ausstellung aber auch diverse interessante Klein-Exponate wie Keramiken, Schmuck, Münzen und Statuetten, die Religion, Kult und Alltag in der kanopischen Küstenregion dokumentieren, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit der Ptolemäer liegt.

 

Die Schau ist eine spannende Dokumentation und überbordende Schatzkammer in einem und stellt ein gelungenes Beispiel einer neuartigen Ausstellungskonzeption dar, die den Besucher unmittelbar in den Entdeckungsprozess von Kunstwerken einbindet. Sie zeigt, dass Didaktik unmittelbar mit Unterhaltung einher gehen kann, wenngleich die aufwendige Präsentation auch die Notwendigkeit umfassender finanzieller Unterstützung derartig ambitionierter Projekte vor Augen führt.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten

So, Mo und Mi 10-20 Uhr

Do, Fr und Sa 10-21 Uhr

Di geschlossen (außer: Pfingstdienstag 6. Juni, 13, Juni, 20. Juni, 27. Juni, 4. Juli 10-20 Uhr geöffnet)

 

Eintritt

10 Euro, ermäßigt 6 Euro

Kinder 3 Euro

Familien 19 Euro

Kombiticket Ägyptens versunkene Schätze und Barock im Vatikan 14 Euro, ermäßigt 8 Euro

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