Ausstellungsbesprechungen

Afterimages. Nachhall der Schwarzen Romantik in der Videokunst, Kunstsammlung Jena, bis 3. April 2016

Unheimlich ist es zurzeit in der Jenaer Kunstsammlung. Denn zwölf internationale zeitgenössische Video- und Filmkünstler widmen sich den Kehrseiten der Vernunft. Rowena Fuß standen jedenfalls die Nackenhaare hoch.

Es ist gerade so hell in den Räumen, dass man den Begleithefter zur Ausstellung lesen kann. Grell flackern die Bildschirme mit den Videoarbeiten in der Dunkelheit, die sie wie ein Gespinst umgibt. Und noch etwas liegt in der Luft: ein leichtes Grausen. Es läuft einem kalt den Rücken runter, wenn bei Bill Morrisons »Light Is Calling« (2004) der Film verbrennt – so scheint es – und dazu ein Klopfen, Tropfen, Rauschen und Knarzen aus William Lamsons Arbeit ertönt.

Im Zentrum von »In The Roaring Garden« steht die karg eingerichtete Hütte des amerikanischen Transzendentalisten Henry David Thoreau, der darin zwei Jahre Verzicht auf materielle Güter praktizierte. Die Erfahrungen seiner detailliert protokollierten Natureinkehr wurden 1905 von dem Jenaer Verleger Eugen Diederichs unter dem deutschen Titel »Walden oder Leben in den Wäldern« herausgegeben. Als plötzlich ein Stuhl scharrt, zucke ich zusammen.

Kurator Robert Seidel setzt auf diese Atmosphäre des Unheimlichen, wo scheinbar der Verstand aussetzt. Ganz subtil hat er dazu Geräusche eingesetzt. Doch sind es vor allem die Bilder der Filme, die den Besucher in den Bann schlagen. Der Videokünstler, der allerdings nicht selbst mit einem Werk vertreten ist, versammelte dazu insgesamt Arbeiten von zwölf Kollegen aus aller Welt.

Susann Maria Hempels Erzählung mit dem Titel »Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen« (2014) über ein Vergewaltigungsopfer, das später selbst zum Täter wird, ruft sogar Ekel hervor. In die Geschichte des Hauptprotagonisten streut sie Liedfetzen über »Lambada« und »Marmelade«. Die Bilder dazu zeigen jedoch keine Leckereien, sondern Körperteile von Puppen, die in sexuelle Handlungen verwickelt sind. Es wirkt wie ein Abnormitätenkabinett oder eine Freakshow.

Eben darin liegt die Verbindung zur Schwarzen Romantik. »Man hat ja damals versucht, Dinge auf eine andere Weise zu hinterfragen, Sachen zu diskutieren, die nicht im Alltag verhandelt wurden«, so Erik Stephan, Leiter der Jenaer Kunstsammlung. Dementsprechend bilden die gezeigten Videos (eigentlich DIE zeitgemäße Ausdrucksform) den Rahmen für – so gesehen – lediglich alte Täter- und Opfergeschichten, hohlen Spiritualismus, einem bekannten Gefühl der Verlorenheit, aber auch der immerwährenden Suche des einzelnen Menschen nach einem Weltzugang wie einer Sehnsuchtswelt.

Schon das Frankfurter Städel hatte vor drei Jahren die Kehrseiten der Vernunft zum Thema seiner Schau über das ausgehende 18. Jahrhundert und dessen Fortwirken gemacht. Dort wurden das Entsetzen und die Beklemmung, die entstehen, wenn die Vernunft schläft, allerdings hauptsächlich durch die traditionellen Medien Malerei und Grafik transportiert, obwohl es natürlich auch ein paar Horrorfilmklassiker zu sehen gab.

Insofern hat sich Erik Stephan mit seiner Ausstellung deutlich vom »Vorgänger« aus Frankfurt abgesetzt. Alles in allem gesehen wird der Rundgang zu einem doppeldeutigen Festschmaus – nicht nur für die Geier aus Greta Alfaros Arbeit, die das Buffet belagern, Geschirr umherwerfen und schließlich ein heilloses Durcheinander hinterlassen.

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