Buchrezensionen, Rezensionen

Agnes Husslein-Arco/Alexander Klee (Hg.): Makart. Maler der Sinne, Prestel Verlag 2011

So vergeht der Ruhm der Welt! Es gibt noch genügend Maler des 19. Jahrhunderts, die unser Herz bewegen und uns wichtig sind, ja manche dieser Künstler wurden erst im 20. Jahrhundert, lange nach ihrem Tod, wirklich berühmt; aber einer der Malerfürsten jener Jahre, der enorm erfolgreiche und sogar vergötterte Hans Makart, gilt uns heute wenig bis nichts mehr. Viele kennen kaum seinen Namen, und die ihn kennen, denken an Plüsch und Plunder, wenn sie seinen Namen hören, nicht an wirklich große Kunst. Im Wien dieses Sommers waren zwei große Ausstellungen seinem Werk gewidmet, und Stefan Diebitz hat sich den Katalog zum »Maler der Sinne« angeschaut.

Wenige Jahrzehnte nach Makarts Tod (er lebte von 1840 bis 1844) goss Egon Friedell in seiner »Kulturgeschichte der Neuzeit« Hohn und Spott über das früh verstorbene Genie aus: »Sein Malerruhm ist so rasch verblichen wie seine Farben«. Hans Makart, so Friedell, habe »alles zusammengeramscht, was gut und teuer ist: Jaspis und Marmor, Atlas und Goldbrokat, glitzernde Juwelen, rosiges Frauenfleisch.« Und wirklich sind seine prächtigen Bilder und Arrangements zwar nicht verblichen, aber in unseren Augen längst fremd und vielen gar unerträglich. Wenn er auch nach München und Wien gehörte, nicht nach Berlin, so fällt einem doch »wilhelminisch« bei ihrem Anblick ein, insbesondere, wenn man Fotografien seines pompösen Ateliers sieht.

So altbacken und vergangen Makarts Malerei uns heute aber auch vorkommen mag, im Grunde war er in seiner Art der Selbstinszenierung und Selbstvermarktung einer der ersten modernen Künstler, der sich selbst machte und sein öffentliches Bild selbst bestimmte. Dabei lässt sich sein Werk keinesfalls auf die Malerei reduzieren, denn er stattete auch Herrenzimmer aus, etwa für seinen Mäzen und Förderer Nicolaus Dumba, oder entwarf Schlösser und Theatervorhänge, Kleidungsstücke und Festumzüge. Und wer bereit war, den geforderten Obolus zu bezahlen, durfte dem Meister in seinem prunkvoll ausgestatteten Atelier beim schöpferischen Akt zuschauen. Hans Makart galt als Genie und fühlte sich als solches.

Hauptberuflicher Malerfürst wurde er schon kurze Zeit nach Beendigung seiner Ausbildung in München mit wenigstens drei Skandalbildern, riesigen Gemälden, die im Mittelpunkt verschiedener Weltausstellungen das Publikum magisch anzogen. Die einen brachten Stühle mit, um sich ganz in das Bild versenken zu können, die anderen trugen heftige Kritik vor. Man war, wie wir aus einem Aufsatz von Marketa Theinhardt lernen, entweder Makartist oder Anti-Makartist; etwas dazwischen scheint es nicht gegeben zu haben. Eines dieser sensationellen Bild war »Die Pest in Florenz« (1868), ein zweites »Venedig huldigt Caterina Cornaro« (1872/3), ein drittes »Der Einzug Karls V. in Antwerpen« (1875/6 – 78), in dem unmittelbar neben dem Kaiser, der hoch zu Ross in die Stadt reitet, einige splitternackte junge Frauen zu sehen sind. Alle diese Bilder werden in dem Katalog nicht allein ausführlich vorgestellt und interpretiert, sondern man kann sie auf sehr hochwertigen, teils ausklappbaren Abbildungen begutachten, und es werden auch zahlreiche Details abgebildet.

Dass Makart unheimlich viel konnte, war immer unbestritten, aber ebenso unbestritten waren seine Schwächen, zu denen die Behandlung der Perspektive ebenso gehörte wie die Charakterisierung der Figuren; ihre mangelhafte Individualisierung scheint mir als Mangel enorm schwer zu wiegen. Makart malte auch Portraits, aber anhand des einen Beispiels, das der Katalog zeigt, wird man wohl kaum sein Können auf diesem Gebiet beurteilen können

Zweifellos seine größte Stärke waren die Farben. »Makart organisiert in virtuoser Pinselschrift bewegte Farbmassen«, schreibt Thomas Wiercinski. Markart war ein gewiefter, um nicht zu sagen mit allen Wassern gewaschener Kolorist, der sich in seinem Werk insbesondere auf venezianische Meister berief und in seinem malerischen Duktus eher an die Großen des Barock oder des Rokoko erinnert als an Zeitgenossen wie etwa den Realisten Wilhelm Leibl, dem er zwar freundschaftlich verbunden war, von dessen künstlerischem, eher norddeutsch anmutendem Duktus ihn aber Welten trennen; man sollte es kaum für möglich halten, dass die spröden und bescheidenen Bilder Leibls und die opulenten, großsprecherischen und durch und durch theatralischen Riesenbilder Makarts aus einer Zeit stammen.

Das Fest, schreibt Werner Hofmann, war die »Zentralidee von Makarts Schaffen«. Das klingt nicht besonderes zukunftsweisend, sondern sehr nach Gründerzeit, wohl auch nach dem 18. Jahrhundert. Aber obwohl man manches Gemälde auf den ersten Blick eher im Festsaal eines Rokokoschlosses vermuten sollte, war Makart keinesfalls einfach nur rückwärts gewandt, wie man besonders dem einleitenden Aufsatz von Hofmann entnehmen kann (»Makart – ein Bahnbrecher!«). Zunächst muss man ihm die Überwindung des steifen akademischen Historismus gutschreiben, denn seine Bilder waren eben wirklich sinnlich – der Titel des schönen Bandes ist zweifellos berechtigt. Und anders als viele der Akademiker trug Makart keine Konzeptkunst und erst recht keine blutarme Ideologie vor, sondern wütete nach Lust und Laune auf seinen Riesenleinwanden. So wurden die Titel vieler Bilder auch oft erst nach deren Fertigstellung gefunden. Er war eben ein Maler von echtem Schrot und Korn und beileibe kein Ideologe. Auch deshalb konnte Gustav Klimt – ein Verehrer schöner Frauen wie Makart selbst - an sein Werk anknüpfen. Klimt vollendete nach dem Tod des Meisters dessen Ausmalung des Hofmuseums zusammen mit anderen Künstlern und übernahm noch dazu Motive aus dem Werk des Älteren. Auch gilt Makart als eines der Vorbilder für die Wiener Secessionisten, so dass er schon so etwas wie eine Wirkungsgeschichte besitzt.

In zehn schönen Aufsätzen wird im Katalog das Lebenswerk Hans Makarts umkreist. Die verblüffendsten Einsichten finden sich in Hofmanns Beitrag, der besonders viel Wert auf die Bedeutung des Malerischen legt und die Abkehr des Meisters von vorgefassten Bildkonzepten betont. Erstaunlich auch sein Hinweis auf die Bedeutung der Fotografie für das Werk Makarts, dessen Allegorie »Die fünf Sinne« (jedes der fünf Bilder hat die Maße 314 x 70 cm) von Bewegungsstudien in der Frühzeit der Photographie inspiriert sein könnte, denn die schöne Nackte wendet sich einmal um die eigene Achse. »Indem Makart diese Phasenfotografie vorwegnahm, verhalf er dem Bildbegriff des Staffeleibildes zur Erweiterung in serielle Abfolge.« Nun, so Hofmann, darf der Maler »seinen Gegenstand von allen Seiten ins Bild bringen«. Ähnliches hat Jean Gebser in »Ursprung und Gegenwart« von Picassos Portraits behauptet, und Friedell war wohl auch deshalb nicht ganz gerecht, als ihn die fünf Bilder an »Badezimmerkacheln« erinnerten. Die Ablehnung, die Makart erfuhr, war offensichtlich genauso vehement und übertrieben wie die Zustimmung.

Die zehn Beiträge zu Makarts Person und Werk sind allesamt höchst substantiell und belehrend, und man lernt viel über eine Zeit, die gar nicht so fern liegt und doch schon ganz vergessen scheint. Allerdings würde man sich manchmal etwas mehr kritischen Abstand zu Makarts Kunst wünschen; hat Friedell mit seiner Ablehnung es vielleicht übertrieben, so bieten die Riesenschinken aus dem Prachtatelier des jung verstorbenen Genies doch wirklich Grund genug zum kritischen Abstand. Auf jeden Fall handelt es sich bei dem Katalog um ein sehr sorgfältig erstelltes, höchst anregendes und empfehlenswertes Buch mit einer Fülle hochwertiger Abbildungen.

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