Buchrezensionen

Albrecht, Stephan: Mittelalterliche Rathäuser in Deutschland. Architektur und Funktion, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004.

Das mittelalterliche Rathaus war multifunktional: Versammlungsraum des Rates, Gerichtsgebäude, Kaufhaus, Verwaltung, Zeug- und Festhaus.

Die Anfänge der Ratsgremien reichen in Niederdeutschland in die Zeit um das Jahr 1200, in oberdeutschen Städten auf das Ende des 13. Jahrhunderts zurück. Sie folgen dabei den oberitalienischen Kommunen, ohne dass eine direkte Beeinflussung nachweisbar wäre. Auffällig viele Städte errichteten dabei ihre Rathäuser im Zuge einer Stadterweiterung in unmittelbarer Nähe der alten Stadtmauer.

Welche Gebäude noch zu den mittelalterlichen Rathäusern zählen, ist nicht ganz einfach zu definieren. Stephan Albrecht zieht die Grenze bei Gebäuden, die direkt mit einer Reihe von Amtsstuben versehen wurden. Aufgrund der Materialfülle verzichtet der Autor jedoch auf Vollständigkeit. Gerade in Thüringen und Sachsen steckt die Forschung zudem noch in den Kinderschuhen, so dass diese Länder unterrepräsentiert sind.

Lässt sich das städtische Selbstverständnis an der Gestaltung ablesen? Albrecht postuliert, dass der Bau nicht auf funktionale Notwendigkeiten zurückzuführen ist, sondern auf das Repräsentationsbedürfnis des Rates, der auch den Großteil der Finanzierung trug. Er macht zugleich Schluss mit dem Mythos, dass der Rat meistens an die Stelle der fürstlichen Herrschaft trat oder treten wollte. Schließlich regelte er anfangs nur innerstädtische Fragen.

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Albrecht hebt Bedeutung von Laube und Freitreppe hervor, wobei der hoheitsrechtliche Charakter der Freitreppe ähnlich wie bei der Laube jedoch nur am Anfang entscheidend gewesen zu sein scheint. Eine Alternative zur Laube war vor allem in Sachsen, Franken und Bayern der Ratsturm, der im Keller manchmal als Gefängnis, im Erdgeschoss oft als Archiv und im Obergeschoss oft mit einem Turmwächter genutzt wurde. Albrecht stellt abschließend fest, dass nur sehr selten die Rathäuserformen der Funktion folgen, vielmehr ging man von etablierten Typen aus.

Sind daraus eventuelle geografische Unterschiede abzuleiten? Dies zeigt der anschließende Katalogteil deutlich. Mit historischen Ansichten und s/w-Fotos, Auf- und Grundrissen sowie Lageplänen innerhalb der Stadt, lässt sich das Geschriebene gut nachvollziehen. Knapp fasst Albrecht das Wichtigste zusammen und präsentiert so über hundert Rathäuser in Handbuchform. Praktisch ist die Übersicht zu den Entstehungszeiten der Rathäuser sowie eine Karte mit den Rathaustypen im Anhang.

Regionale Übersichten zum mittelalterlichen Rathaus erschienen in den letzten Jahren durchaus. Was fehlte war ein Überblick der Bauten in Deutschland. Der letzte erschien im Jahr 1943 von Karl Gruber. Das vorliegende Buch weist – wie auf dem Buchrücken versprochen – eine gute Materialerfassung auf und dokumentiert den aktuellen Forschungsstand. Darüber hinaus werden funktionale und formale Aspekte dieser Profanbauten systematisch hinterfragt.

Bibliographische Angaben

Albrecht, Stephan: Mittelalterliche Rathäuser in Deutschland. Architektur und Funktion, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004.
300 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Preis 64,00 Euro

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