Ausstellungsbesprechungen

Alex Katz – Prints. Paintings. Cutouts, Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall, bis 3. April 2011

Alex Katz (geb. 1927) zählt zu den wichtigsten und einflussreichsten amerikanischen Künstlern der letzten 50 Jahre. Die große Werkschau der Kunsthalle Würth zeigt nun rund 170 Druckgrafiken und Gemälden des New Yorkers Altmeister. Günter Baumann hat sich die Ausstellung angesehen.

Kaum ein Künstler grenzt die Dominanz der Oberfläche so deutlich von der achtlosen Oberflächlichkeit ab wie Alex Katz. Was uns wie eine coole Dekorationsästhetik anmutet, bezieht seine Tiefe aus dem Standpunkt des Betrachters. Mit seinen Arbeiten inspirierte Katz bereits in den1960er Jahren seine Malerkollegen der Pop Art – von Lichtenstein bis Warhol. Erstaunlich ist dabei die ungeheure Präsenz, die sein Werk noch oder gerade heute vermittelt. Das mag daran liegen, dass sich mittlerweile auch die Philosophie des Begriffs der Oberflächlichkeit angenommen, sprich: dass das Thema eine gesellschaftliche Relevanz bekommen hat. Der junge niederländische Philosoph Coen Simon etwa hat jüngst ein Buch veröffentlicht (»En toen wisten wij alles«, 2011, dem Untertitel nach ein Plädoyer für die Oberflächlichkeit), das gegen die Illusion der harten Fakten die Relativität des Standpunkts – schlicht: die Ungewissheit aller Wahrnehmung – behauptet (was Sokrates freilich auch schon wusste). Katz entwirft perfekte Momentaufnahmen alltäglicher Situationen, präsentiert uns Menschen des Hier und Jetzt, in schillernden Assoziationen, die uns aus der Werbung, dem Spielfilmgenre oder der Jazzmusik oder sonstwoher bekannt vorkommen. Doch mit diesen Eindrücken ist der Betrachter auch schon am Ende seiner Wahrnehmung. Selbst wenn er weiß, dass Katz bevorzugt seine Frau als Modell nimmt, was einen kleinen Vorsprung für den Blick in die Tiefe bedeutet, kann man dem Motiv nicht auf den Grund gehen. »There is no story«, gibt Katz in bezug auf die Oberflächlichkeit seiner Bilder zu. Weit ist diese Aussage von den bildnerischen Positionen eines Matisse oder Monet nicht entfernt, auf die sich der Amerikaner Katz durchaus auch beruft.

Einst waren das vielleicht eher pragmatische Überlegungen. Der 1927 geborene Alex Katz, der über die Werbegrafik zur Kunst kam, betrat den Pfad figurativer Kunst, als diese sich noch nicht über die eigene Richtung bewusst war. Der Künstler übernahm aus der abstrakten Kunst das seiner Meinung nach beste, was sie zu bieten hatte: die Fläche – der abstrakte Expressionismus ist ihm von jeher fremd – und übersetzte den japanischen Farbholzschnitt völlig neu, indem er ihn jegliche Tiefenwirkung entzog. Das Ergebnis waren die Bilder, die ihn berühmt machten, von denen er nicht mehr wesentlich abwich, nicht abweichen musste, denn an dieser ästhetischen Oberfläche war kaum zu kratzen, ohne auch die makellose – wenn auch absolut distanzierte – Schönheit zu beschädigen. Die Zeit gab ihm nicht immer, aber angesichts der großen Ausstellungen in der Wiener Albertina und der Kunsthalle Würth letztlich Recht. Von Wien übernahmen die Ausstellungsmacher in Schwäbisch Hall die Schau mit 140 druckgrafischen Werken und ergänzte diese Sammlung um fast 30 vorwiegend monumentale Gemälde. Die hauptsächlichen Motivgruppen sind die Landschaft und das Bildnis. Die Reduktion der Mittel nutzt Alex Katz bestens aus, um mit den Farben und dem Licht zu spielen, sofern es aus der Fläche heraus wirkt. Bewegung vermeidet der Maler bravourös, so dass man den Eindruck hat, jede Rührung – sowohl die motorische wie gefühlsmäßige Bewegung – würde als Entgleisung, als »Verwackler« empfunden werden. In einer Zeit großer emotionaler Spannungen kühlt Katz die Stimmung herunter. Das mag nicht jedermanns Sache sein. Aber betrachtet man seine aus Aluminium geschnittenen, weidenden Kühe, entgeht einem nicht die Ironie. Die perfekte Erscheinung ist möglicherweise nur eine Entlarvung des Fassadenkultes unserer Gesellschaften, die oft wirklich nichts als Oberfläche sind. »All about surface« heißt ein Credo von Katz, aber man muss schon eine gedankliche, sagen wir philosophische Tiefe mitbringen, um sie so überzeugend darstellen zu können. Hier ist er auf der Höhe der Zeit, wo das Erscheinungsbild eben alles ist, worüber wir sicher sein können.

Kataloge

C. Sylvia Weber und Beate Elsen-Schwedler (Hrsg.): Alex Katz. Paintings. 88 Seiten. Künzelsau: Swiridoff, 2010.
ISBN: 978-3899291971

Marietta Mautner Markhof / Klaus Albrecht Schröder (Hrsg.): Alex Katz Prints. 240 Seiten, 214 Abbildungen, davon 203 farbig. Ostfildern: Hatje Cantz, 2010.
ISBN 978-3-7757-2584-2

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