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Alexander Rosenbaum: Der Amateur als Künstler. Studien zu Geschichte und Funktion des Dilettantismus im 18. Jahrhundert, Gebr. Mann Verlag 2010

Das Phänomen des Amateurkünstlers und Dilettanten zählt zu den bisher kaum beachteten Gegenständen der kunsthistorischen Forschung. Das Werk dieser Schaffenden darf gleichwohl als ein entscheidender Beitrag zur Kunst- und Künstlergeschichte des 18. Jahrhunderts verstanden werden. Ulrike Schuster beschäftigte sich mit diesem Sachverhalt.

Alexander Rosenbaum, Der Amateur als Künstler © Cover Gebr. Mann Verlag
Alexander Rosenbaum, Der Amateur als Künstler © Cover Gebr. Mann Verlag

Sowohl der Amateur, als auch der ihm wesensverwandte Dilettant, hatten nicht immer eine schlechte Presse. Ein wertfreies deutsches Äquivalent wäre etwa der Liebhaber oder die praktizierte Liebhaberei. Das Dilettieren galt lange Zeit als höchst respektable Beschäftigung, wobei einer Differenzierung zwischen Arbeit und Muße bis weit in das 18. Jahrhundert ein hoher Stellenwert zukam. So schreibt Alexander Rosenbaum einleitend in seiner Dissertation, die er für die Veröffentlichung nun in einer leicht überarbeiteten Form vorlegt.

Das Phänomen ist als solches in der Kunstgeschichte nicht unbekannt, ebenso wie die Tatsache, dass sich unter den Amateur-Künstlern eine beachtliche Anzahl an prominenten, oft vielseitig begabten Persönlichkeiten befindet. Dennoch existieren nur wenige Untersuchungen, die eine dilettierende Kunstproduktion als eigenständige künstlerische Äußerung wahrnehmen und Rosenbaum konstatiert, dass im deutschen Sprachraum eine ernsthafte Auseinandersetzung noch gänzlich fehlt.

Zufälligerweise hat sich beinahe zur gleichen Zeit eine französische Kunsthistorikerin des Themas, mit Schwerpunkt auf die eigene Kunsttopographie, angenommen (Charlotte Guichard, Les amateurs d’art à Paris au XVIIIe siécle, 2008). Dies wiederum mag als Indiz dafür gelten, dass die Rolle des Amateurs in der bildenden Kunst weit bedeutender ist, als es die heutige Einschätzung vermuten lässt.

Rosenbaum konzentriert sich denn auch im ersten Teil seiner Untersuchung auf die diffizilen sozialen Funktionen des dilettierenden Kunstschaffens. Spätestens ab der Renaissancezeit bildete der Kunstunterricht oftmals einen Teil der standesgemäßen Erziehung in aristokratischen Kreisen. Freilich, wie Baldassare Castiglione in seinem »Cortegiano« hervorhob, sollte der adelige Dilettant die Mühe seiner Kunstausübung verbergen und sein Schaffen scheinbar absichtslos, mit einer gewissen Nachlässigkeit (sprezzatura) praktizieren: in erster Linie als Beweis des eigenen Kunstverstandes. Idealerweise sollte sich ein Fürst schließlich auch als umfassend gebildeter Förderer der schönen Künste präsentieren können.

Allerdings steckte der Amateur dadurch von vorne herein in einer gewissen Zwickmühle: sein Tun war wohlgelitten, so lange es der Muße und der Zerstreuung galt. Er konnte seine Arbeit auch im Sinne einer sozialen Währung einsetzen, so galt das Verschenken von eigenhändig angefertigten Bildern und Artefakten als hochgeschätzter Gunstbeweis. Der künstlerische Ehrgeiz sollte jedoch nicht über ein gewisses Maß hinausgehen, keine Konkurrenz zum professionellen Künstlertum darstellen und keiner ernsthaften Erwerbsarbeit gleichkommen.

Der Einfluss einzelner Amateure konnte jedoch sehr weit gehen. Insbesondere der Anteil der Amateur-Architekten ist bis ins 18. Jahrhundert beachtlich prominent in der Baugeschichte vertreten – man denke etwa an Richard Boyle, 3rd Earl of Burlington oder an Claude Perrault, Arzt und Architekt der hochgelobten Louvre-Fassade.

Mit der Konstituierung einer zunehmend strengeren akademisch-künstlerischen Ausbildung sah sich der Amateur schließlich einer weiteren Front gegenüber: neben den professionellen Künstlern trat nun auch die sich zunehmend konstituierende Kunstkritik gegen ihn auf. Johann Georg Sulzer unterscheidet in seiner einflussreichen »Allgemeinen Theorie der Schönen Künste« (1771/74) zwischen dem Liebhaber, dem Kenner und dem Kunstrichter, mit deutlicher Abwertung gegenüber dem ersteren.

Dennoch, so zeigt Rosenbaum in seinen wunderbar flüssig erzählten Fallstudien, spielten Dilettanten im Kunstleben des 18. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle: als Vermittler, Kenner und Sammler, als Organisatoren von Malkreisen, gelehrten Kunstgesprächen und Gruppenausstellungen. Während der Autor im ersten Teil seiner Studie die Amateurkunst im europäischen Vergleich betrachtet, konzentriert er sich im zweiten Teil auf ausgesuchte Biographien und Nachlässe aus dem deutschen Kulturraum des 18. Jahrhunderts, wobei er unter anderem einen reichhaltigen Fundus aus dem Goethe-Nationalmuseum Weimar auswerten konnte.

Es sind differenzierte und aufschlussreiche Porträts aus dem Kulturleben im engeren und weiteren Umfeld der Weimarer Klassik, die auf diese Weise entstehen. Man hätte sich lediglich gewünscht, der Autor wäre etwas detaillierter auf den speziellen Status der Amateurinnen eingegangen: Frauen war der Zugang zu einer professionellen Kunstausbildung von vorneherein verwehrt, so dass ihnen zwangsläufig nur das Dilettieren blieb. Eine Reihe von Amateur-Künstlerinnen vermochte sich jedoch erfolgreich und auf höchstem Niveau zu behaupten.

Den thematischen wie chronologischen Schlusspunkt in Rosenbaums Betrachtungen bildet die kritische Bewertung des Liebhabertums im Kreis der »Weimarischen Kunst-Freunde« bei Goethe, Schiller und Johann Heinrich Meyer. Obwohl insbesondere das Verhältnis von Goethe zum Dilettieren alles andere als widerspruchsfrei ist, verfestigte sich nun im Diskurs der klassizistischen Kunsttheorie allmählich die negative Konnotation der Begriffe, wie sie im Wesentlichen bis heute im Sprachgebrauch aufrecht geblieben ist. Zu Unrecht, wie Rosenbaum in seiner spannungsreichen Kulturgeschichte des Amateurschaffens eindrucksvoll belegen kann.

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