Buchrezensionen

Alexei Monroe: Laibach und NSK. Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör, Ventil Verlag 2014

Liest man den Titel von Alexei Monroes Werk, vermutet man eher einen popkulturellen Inhalt. Jedoch hält man eine intensive Untersuchung eines künstlerischen Phänomens der Gegenwart in Händen. Stefanie Handke ist angetan.

Die Kunst der Provokation beherrscht das Künstlerkollektiv »NSK«, die »Neue Slowenische Kunst«, wahrhaft meisterlich. Erstmals seit langem ist im deutschen Raum nun wieder eine größere Untersuchung zu ihm erschienen.

Man darf sich angesichts des Titels keine Illusionen machen: das musikalische Aushängeschild der Neuen Slowenischen Kunst, Laibach, nimmt selbstverständlich großen Raum ein. Autor Alexei Monroe ist auch vor allem als Musikenthusiast den Lesern jenseits des künstlerischen und musikalischen Mainstream ein Begriff. Nichtsdestotrotz gibt die Publikation aber einen guten Einblick in das Schaffen der gesamten Künstlergruppe und ihres Kunstbegriffs, denn immerhin sind die Grenzen zwischen den einzelnen Sparten der NSK fließend, Design, Malerei und Performance ergänzten und befruchteten sich lange Zeit gegenseitig.

Die Neue Slowenische Kunst bildete sich 1984 aus der genannten Pop-Gruppe, dem Künstlerollektiv IRWIN und der heutigen Theatergruppe Noordung (damals noch unter dem Namen »Gledališče Sester Scipion Nasice« / »Theater der Schwestern Scipion Nasice«). Gemeinsames Merkmal der Protagonisten war die sogenannte »Retroavantgarde« und das erklärte Ziel »totaler als der Totalitarismus« zu sein. In dieser Programmatik offenbarte sich bereits der starke Bezug der NSK-Kunst zur politischen und historischen Situation des damaligen Jugoslawiens. Die politischen Unruhen, Konfrontationen mit der sozialistischen Staatsmacht und die Auseinandersetzung mit der damaligen Gegenwart der Diktatur Titos und seiner Nachfolger sorgten für ein extremes Kunstverständnis bei den Protagonisten: der Staat griff seit Mitte der 1970er Jahre immer autoritärer in den Alltag ein, junge, vor allem studentische, Subkulturen standen unter strengster Beobachtung.

So spielten und spielen die einzelnen Künstler immer wieder mit totalitärer, ja, auch faschistischer Symbolik, was vor allem Laibach als in Westeuropa bekanntem Aushängeschild der NSK, aber auch den anderen Beteiligten immer wieder den Vorwurf einer entsprechenden Gesinnung eingebracht hat. Dem ist freilich nicht so; vielmehr greifen die Künstler ästhetische Praktikten von Diktaturen und totalitären Regimes auf und übertreiben diese Ästhetik nahezu ins Maßlose – und legen so ihre Mechanismen offen. Zugleich birgt diese Übertreibung ein hohes Maß an Provokation; immerhin wurden IRWIN, Noordung und Co. oft genug als Faschisten bezeichnet und zu Zeiten des sozialistischen Jugoslawien regelmäßig zensiert. Den Künstler muss das recht gewesen sein, denn die Provokation scheint ihnen immanent. Daraus erklärt sich wohl auch der besondere Rückgriff auf faschistoide Ästhetiken.

Dabei ist das Zitat ein zentrales Motiv; so ist das malewitsch’sche Schwarze Kreuz nahezu allgegenwärtig und hat es sogar ins Logo der Band Laibach, später auch der Neuen Slowenischen Kunst geschafft. Überhaupt, die avantgardistische Kunst! Neben Malewitsch entdeckt man als Impulsgeber zum Beispiel Joseph Beuys sowie Bezüge zur Pop Art (vor allem in den künstlerischen Technik). Und so prägte die NSK denn auch einen eigenen, an die Avantgarde angelehnten Kunstbegriff: die sogenannte Retroavantgarde. Damit bezieht sich das Kollektiv auf die Avantgarde als revolutionärer künstlerischer Bewegung, zugleich aber grenzt es sich ab, indem es sich dank der Vorsilbe »retro« auf die Vergangenheit beruft. Diese nämlich will die NSK aufgreifen und aufarbeiten, um so, gleich den Avantgarden des 20. Jahrhunderts, in die Zukunft zu weisen – mit dem großen Unterschied, dass man zugleich die Vergangenheit bewältigen möchte. Auch verweist dieser Bezug zur Vergangenheit auf eine gewisse Wiederholung nicht nur künstlerischer Techniken und ästhetischer Praktiken, sondern auch im eigenen Werk, wenn bestimmte Motive – Malewitschs Kreuz, der von Irwin entworfene Sämann – immer wieder gebraucht und in andere Kontexte gesetzt werden.

Wenn man über die NSK spricht, darf das Thema des Totalitarismus nicht fehlen, schließlich treten faschistische, aber auch sozialistische Symbole immer wieder – in überzeichneter Form – in den Kunstwerken, Performances und Aktionen auf. Ja, dieser Totalitarismus des NSK geht so weit, dass man sich einem Totalitarismus der Kunst unterwirft und 1992 den »NSK-Staat« gründet, der seitdem besteht, eigene Konferenzen veranstaltet, »Pässe« ausgibt und der vor allem für IRWIN als Plattform für internationale künstlerische Projekte dient. So realisierte man die »East Art Map« und den ersten NSK-Bürgerkongress 2013. Auch Noordung hatte Anteil an der Gründung des NSK-Staats, nahm sie aber auch in den Theateraufführungen vorweg. Monroe subsumiert diese Aktivitäten unter dem Motto »Theater als Staat«. Bis heute ist der NSK-Staat aktiv und die Künstler realisieren immer wieder Kongresse und Ausstellungen; zuletzt stellten Irwin in Berlin aus, 2012 schaffte es die NSK sogar ins MoMA.

Alexei Monroe legt mit der Publikation eine umfassende Studie zur Neuen Slowenischen Kunst vor, die zwar nominell einen Focus auf die Pop-Grupe Laibach legt, jedoch diese nicht aus ihrem Kontext lösen kann und daher seit Inke Arns »Neue Slowenische Kunst: Eine Analyse ihrer künstlerischen Strategien im Kontext der 1980er Jahre in Jugoslawien« (2002) die erste umfassendere Veröffentlichung im deutschsprachigen Raum darstellt. Damit lohnt die Arbeit also auch für Kunst- und Kulturwissenschaftler. Zwar kann Monroe nicht seine Sympathie für Laibach, Irwin und die anderen NSK-Gruppen verhehlen, macht dies jedoch durch eine saubere Analyse und eine eingehende Untersuchung wett.

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