Ausstellungsbesprechungen

Alfred Hrdlicka - Schonungslos!, Belvedere, Wien, bis 19. September 2010

Alfred Hrdlicka, der im Dezember letzten Jahres verstarb, reflektierte wie kaum einer seiner Zeitgenossen die politischen Verhältnisse des Landes. Er hinterfragte die globalen Machtverhältnisse, wobei er sich intensiv mit der Geschichte, der Weltliteratur und ihren Protagonisten auseinandersetzte. Die daraus entstandenen Werke hat Günter Baumann näher betrachtet.

Ohne Zweifel gilt der 2009 gestorbene Künstler Alfred Hrdlicka als international bekanntester und sicher auch als einer der bedeutendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Dafür sorgten bestimmt nicht nur seine drastisch überzeichneten Menschenbilder und politisch zugespitzten Aussagen – das eine besonders in den Skulpturen, das andere bevorzugt in graphischen Serien – , sondern auch sein polternd-kratzbürstiges Naturell, das eine sensible innere Natur gar nicht verbergen wollte. Seinen Arbeiten sah man immer an, dass er mit seinen Kreaturen litt, dass er seine Anklagen gegen seine Zeit den geschundenen Marsyas-Figuren, gekreuzigten Schächern usw. einverleibte. Schonungslos deckte er seine Wahrheiten auf, eckte an, entlarvte den latenten Faschismus, der seine Zeit überlebt zu haben schien. Kaum ein Werk im Öffentlichen Raum blieb ohne kontroverse Diskussion – Salzburg etwa kann ein Lied davon singen, wo Hrdlickas gequälter »Orpheus« in den 1960er Jahren die Festspielgemeinde erschütterte (dieselbe wahrscheinlich, die in jüngster Vergangenheit noch über das »Mozart«-Denkmal von Lüpertz geiferte), oder Wien und Hamburg, wo seine mahnenden, marmornen Fingerzeige gegen Krieg, Nazismus, Verfolgung bestehende Wunden aufrissen. Alfred Hrdlicka war ein Humanist, der nicht aus der Gelehrtenstube kam, sondern aus einfachen Verhältnissen und aus den Erlebnissen des Krieges. Die Wiener Ausstellung im Belvedere präsentiert knapp 20 vorwiegend frühe, leidgeprüfte Skulpturen – in Marmor, Kalkstein, Bronze – , darüber hinaus auch einen kleinen Seitenblick auf das malerische Werk: hochkonzentriert und im blutrot übermalten Raum. Ein schaurig-schönes Ambiente ist so entstanden. Hier wird deutlich, dass es nicht um eine moderate Totenehrung geht, die Hrdlicka wohl auch nicht gefallen hätte. Unbeschönigt, eben schonungslos – wie der Titel fordert – will die Schau sein, was mit einer nie dagewesenen Kühnheit im Katalog aufgenommen wurde: In edlem Schwarz verpackt, empfängt den Leser zunächst eine Seite Schmirgelpapier, bevor die Bildstrecke zeigt, was erst hintendrein mal skizzenhaft, mal essayistisch in Worte und dokumentarische Fotos gefasst wird. Ein grandioser Einfall.

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