Ausstellungsbesprechungen

Alfred Pohl zum Achtzigsten im Rheinischen LandesMuseum Bonn - Eine Retrospektive

Aus Anlass des 80. Geburtstags Alfred Pohls, des Grandseigneurs des zeitgenössischen Holzschnitts, zeigt das Rheinische LandesMuseum Bonn einen imposanten Querschnitt seines umfangreichen grafischen Œuvres und macht damit einmal mehr deutlich, dass Bonn ohne das Engagement der Verantwortlichen dieses Hauses auf die Begegnung mit wichtigen Impulsen der gegenwärtigen Kunstlandschaft verzichten müsste.

Dass der gebürtige Essener und Wahl-Göttinger Alfred Pohl  zu seinem 80. Geburtstag ausgerechnet am Rhein mit einer Kabinettausstellung geehrt wird, ist der freundschaftlichen Verbundenheit des vormaligen Direktors des Rheinischen LandesMuseums, Frank Günter Zehnder, mit dem Künstler zu verdanken. Alfred Pohl wünschte sich seinerzeit ein dauerhaftes Archiv seines beachtlich angewachsenen grafischen Werkes. Zehnder konnte mit dem damals noch in Planung befindlichen Neubau und dem neuen Ausstellungskonzept des Rheinischen LandesMuseums ein Angebot machen, das den Künstler und sein Werk würdig ehrt und der Region eine Offerte sicherte, um die Museen anderen Orts das Bonner Haus zukünftig beneiden sollten. Seit 2001 beherbergt vertraglich vereinbart das Rheinische LandesMuseum als Dauerleihgabe das grafische Lebenswerk Alfred Pohls, das vereinbarungsgemäß eines Tages als Schenkung in den Besitz des Museums aufgenommen wird.

Das Konvolut der bisherigen Arbeiten umfasst ungefähr zweitausend Blätter. Neben den archivierten Radierungen machen die Holzschnitte Alfred Pohls den Hauptanteil der Sammlung aus. Der weiterhin ungebrochene Arbeitsplan des Künstlers garantiert einen beständigen Nachschub an grafischen Blättern aus dem Göttinger Atelier – ein mit zugeneigtem Leben versicherter Austausch zwischen Künstler und Museum.

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Alfred Pohl,
Rot, 2000, Farbholzschnitt
© Alfred Pohl

In der Bonner Schau wird mit achtzig ausgestellten Arbeiten – elf Radierungen und neunundsechzig Holzschnitten – eine Auswahl aus den zurückliegenden vierzig Jahren getroffen, die sich der profunde Kenner des Pohlschen Œuvres kaum besser hätte wünschen können. Die kongeniale Zusammenarbeit zweier Kulturinstitute hat eine Präsentation entstehen lassen, die dem Stellenwert des Künstlers und dem biografischen Anlass huldigt, darüber hinaus aber auch das hervorragende Potential beider Häuser deutlich macht. Das Bonner Museum zeichnet gemeinsam mit der Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen verantwortlich für das Jubiläumsereignis. Was der zuweilen gnadenlose Konkurrenzkampf bundesdeutscher Kulturinstitute leider häufig ausschließt, garantiert hier den beachtlichen Erfolg des Ereignisses: Unter der Leitung seiner Direktorin Gabriele Uelsberg und der souveränen Koordination durch seinen Ausstellungsleiter Lothar Altringer hat das Rheinische LandesMuseum dem Göttinger Kooperationspartner die Auswahl der gezeigten Arbeiten sowie die Didaktik der Ausstellungsarchitektur überlassen. Gerd Unverfehrt, Leiter der Kunstsammlung in Göttingen, hat in bewährter Tradition seines Instituts mit jungen Studierenden des Kunsthistorischen Seminars der Universität eine Mannschaft rekrutiert, die durch die örtliche Nähe zum Künstler, eine profunde fachliche Qualifikation und ein jugendlich dynamisches Engagement eine beispiellos schlüssige Konzeption garantiert, mit der sich das Bonner Haus gerne identifizieren darf.

Wer sich als Besucher der geringen Mühe unterzieht, statt des Aufzugs die Treppenwege in die oberen Stockwerke des Museums zu wählen, und so in die Ausstellung gelangt, wird mit einem unerwarteten Seherlebnis belohnt. Er schreitet aus der letzten Abteilung der Themenausstellung in den „Olymp“ des Hauses und wird bereits aus der Ferne von einer Atmosphäre ungewohnter Sinnlichkeit empfangen. Ein so zuvor kaum erlebter Farbenrausch quasi oszillierender Bildflächen lässt die Schau als Gesamtkunstwerk erscheinen. Die geschickt gewählte Ausstellungsarchitektur, eine sensibel abgestimmte Hängung der Exponate und die entgegenkommende Beleuchtung des oberen Stockwerks garantieren diese Homogenität.

Der besondere Reiz, man möchte fast sagen der intime Zauber, der von den Exponaten ausgeht, resultiert aus der speziellen Holzschnitttechnik Alfred Pohls. Die von ihm angewandte Technik der »verlorenen Platte« führt zu einer Subsumierung von Farbstellungen und einer Koordination von Gestaltungsflächen, die im Mehrplattenholzschnitt unerreichbar wäre. Ausgehend von einer einzigen Holzplatte schneidet der Künstler fortschreitend das weg, was von dem vorherigen Druckgang erhalten bleiben, also nicht überdruckt werden soll. Der Druckstock verliert progressiv immer mehr an Substanz, er geht buchstäblich "verloren". In einer Vitrine wird die Druckprogression dieser Technik anhand von Zustandsdrucken und dem Endzustand des verwendeten Druckstocks anschaulich demonstriert.

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Mit den Themenkomplexen „Landschaft“, „Inkas und Eroberer“, „Gott und die Götter“ und Arbeiten zu „literarischen Themen“ systematisiert die Ausstellung über die gezeigten Exponate hinaus grundsätzlich das gesamte Pohlsche Schaffen. Exemplarisch erlebt der Besucher Pohls große Passion, Inhalte in der Serie zu erarbeiten. Die Blätter zu „Carmen“, 2004 (Katalog-Tafeln 62 – 71), das Tryptichon „Blau – Gelb – Rot“, 2000 (Katalog-Tafeln 2, 3a und 3b) oder die Auswahl aus der Serie „Nächte in Bahia“, 1989 (Katalog-Tafeln 20, 24 und 44) und der Blattfolge „El Dorado“, 1988 (Katalog-Tafeln 9a – 11) verdeutlichen stellvertretend den „progressiven“ Arbeitsrhythmus des Künstlers während der Aneignung eines Themas. Daneben behaupten sich Einzelblätter, gelungen in Stimmung und thematischer Verdichtung. Die hervorragende Auswahl vermittelt zudem einen umfassenden Einblick in sämtliche gestalterische Tendenzen der Holzschnitttechnik des Künstlers: Pohl erweitert das Repertoire seiner handwerklich technischen Ausdrucksmittel ständig, nur scheinbar auch in Hinblick auf eine zeitgemäße ästhetische Wahrnehmung der Bildgefüge. Quasi „informelle“ Formelemente können entweder in den Vordergrund treten („Nazka – Homenaje a Lajos d’Ebneth“, 2006, Katalog-Tafel 45), oder sie treffen Kontrast verstärkend mit erprobten, formal geschlossenen Schnittflächen gleichberechtigt zusammen („Weihnachten“, 1997, Katalog-Tafel 29).

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Alfred Pohl
Blaue Bäume, 2007, Farbholzschnitt
© Alfred Pohl

Dann wieder verlässt in der Folgezeit eine Reihe von Blättern das Pohlsche Atelier, in der der Künstler geschlossen auf die vertraute Ikonographie flächiger Formen zurückgegriffen hat („Blaue Bäume“, 2007, Katalog-Tafel 7). Pohl ist kein Neuerer, um gefällig zu sein. Er reagiert als empfindsamer wacher Künstler intuitiv mit seinen Mitteln auf die jeweilige Herausforderung und macht so deutlich, wie vital, engagiert und einfallsreich er nach wie vor sein Handwerk pflegt und mit welch hohem Maß an Verantwortung er die alte Technik des Hochdrucks immer wieder aktualisiert. Beeindruckend bleibt, mit welch kontinuierlicher formaler Gestaltungskraft sich der Künstler dennoch von den Anfängen bis heute seine Handschrift bewahrt hat. Es scheint das formale Vokabular eines sensibel und leidenschaftlich erarbeiteten Lexikons zu sein, das zur inneren Sprache des Künstlers geworden ist, mit der er sich allzeit und allbezüglich äußern kann, ein Ausdruckspotential, das unter soziokulturellen Einflüssen gewachsen ist.

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Alfred Pohl an seiner Presse, 2008
© Katharina Breiler

1928 in Essen geboren, nach Ausbildung an der Werkkunstschule Trier, den Pädagogischen Hochschulen Lüneburg und Hannover, nach Jahren als Assistent für Kunsterziehung an der pädagogischen Hochschule in Göttingen, geht Alfred Pohl 1967 bis 1970 als Lehrer nach Lima in Peru. 1972 kehrt er für drei Jahre nach Südamerika zurück, diesmal als Mitglied der pädagogischen Kommission im kolumbianischen Erziehungsministerium. Während dieser Jahre entwickelt Pohl eine bis heute ungebrochene Liebe und seelische Verbundenheit zur Landschaft dieses Kontinents und zu der herzlichen Menschlichkeit seiner Bewohner, vornehmlich Perus. Sein Werk bleibt von diesen wahlverwandten Einflüssen bis heute bestimmt.

Die sparsam aber mit Bedacht ausgewählten Radierungen huldigen dem Künstler und gestatten dem Ausstellungsbesucher, Alfred Pohl auch jenseits seiner exzellenten Holzschnittkunst als virtuosen Radierer zu entdecken. 1965 erarbeitet der Künstler im Atelier Johnny Friedländers in Paris seine ersten Tiefdruckgrafiken und begleitet mit dieser druckgrafischen Technik seitdem sein Holzschnittwerk. Die in der Ausstellung gezeigten Strichätzungen und Aquatinta-Arbeiten dokumentieren mittelbar, dass Pohl sein künstlerisches Schaffen auch mit der Zeichnung und dem Aquarell souverän und ausdruckstark begleitet. Wer den Künstler bislang lediglich als Holzschneider kennen gelernt hat, darf mit diesem Teil der Ausstellung eine delikate Überraschung erleben. Zurückhaltend in einem Atrium aus Stellflächen gehängt, korrespondieren sie hier mit begleitenden Landschaftsholzschnitten, die mit ihrem die Fläche betonten Schnitt und sensiblen Farbstellungen die Grundstimmung der Radierungen aufnehmen – ein kleines Meisterwerk der Ausstellungsarchitekten. Denen muss im Übrigen auch zu den die ausgestellten Arbeiten begleitenden Bildlegenden gratuliert werden: selten wird ein Besucher derart qualifiziert und stimmungsvoll zum Künstler und seinem Werk sowie über mittelbare Zusammenhänge informiert, wie in dieser Ausstellung.

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Alfred Pohl
Küste, 1996, Radierung
© Alfred Pohl

Eine Reise zum Ort dieses Geschehens ist mehr als lohnenswert, die Erlebnisreise durch die Ausstellung unbedingt zu empfehlen.

Zu der Ausstellung ist ein Katalogbuch erschienen, ein Lesebuch der besonderen Art, wie Museumschefin Gabriele Uelsberg in ihrer Eröffnungsrede zu Recht betonte. Alle ausgestellten Arbeiten sind in farbigen Reproduktionen dokumentiert. Begleitende Essays, von den Studierenden aus Göttingen redigiert, vermitteln kenntnisreich und stimmungsvoll viel Neues und schon Bekanntes in unerwarteten Zusammenhängen. Atmosphärisch abgerundet wird der Katalog durch Aufnahmen aus dem Atelier. Wer dieses Buch besitzt, erfährt so ziemlich alles über Alfred Pohl und seine Kunst und hält fast schon ein kleines Stück von ihm selbst in der Hand.

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Weitere Informationen

Öffnungszeiten
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag: 10.00 bis 18.00 Uhr
Mittwoch: 10.00 bis 21.00 Uhr
Montag geschlossen

Eintrittspreise
Erwachsene 5,00 Euro
Gruppe Erwachsene (ab zehn Personen) 4,50 Euro
Kinder / Jugendliche bis 16 Jahre 2,00 Euro
Gruppe Kinder / Jugendliche (ab zehn Personen) 1,50 Euro
Behinderte mit Ausweis /Studenten / Rentner 3,50 Euro
Familientageskarte 5,00 Euro

Katalog
Alfred Pohl – Retrospektive
Hrsg. vom Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches LandesMuseum Bonn
und der Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen
153 Seiten. Hardcover. 24,80 EUR. keine ISBN

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