Ausstellungsbesprechungen

Amazonen - Geheimnisvolle Kriegerinnen, Historisches Museum Speyer, bis 13. Februar 2011

Die Amazonen – kriegerisch und stolz, unabhängig und schön sollen sie gewesen sein. Der Sage nach haben sie vor den Toren von Troja gekämpft, Athen belagert und auf die „alten Griechen“ gleichermaßen faszinierend und erschreckend gewirkt. Was steckt hinter dem antiken Mythos der Amazonen? Gab es sie wirklich oder sind sie reine Fantasie? Günter Baumann hat sich mit diesen sagenhaften Frauengestalten beschäftigt.

In Gestalt der Penthesilia haben es die Amazonen sogar in die klassische deutsche Literatur geschafft: Heinrich von Kleist entwarf Anfang des 19. Jahrhunderts eine Tragödie um das Mannweib, das sich in Achill verliebt und ihm im kriegerischen Spiel – es ist ihr dabei blutiger Ernst – nachstellt, um ihn um so brutaler zu töten, in der illusionslosen Erkenntnis, dass niemand mehr »der ersten Mütter Wort« versteht, dass sie als Amazone kurzen Prozess machen muss: Männer sind dem Tod geweiht oder als bloße Zeugungsmaschinen geduldet. Liebe ist nicht vorgesehen.

Der Mythos ist tatsächlich verblasst. Das Historische Museum in Speyer hat für eine große Sonderausstellung die Grabfunde Osteuropas, Eurasiens und Sibiriens gesichtet, um der Geschichte und der Fiktion der geharnischten Frauen nachzugehen. So reizvoll das Thema scheint, so verwundert darf man sein, dass es bisher noch nicht in dieser Breite abgedeckt wurde. So waren beispielsweise die Funde aus einer Doppelbestattung aus Ak-Alacha (Altai-Gebirge) noch nie öffentlich zu sehen: Dabei war der Mann weniger von Interesse als die Kriegersfrau in Paraderüstung, bewaffnet mit Streitaxt, Pfeil und Bogen sowie mit Schwert – dabei mag einem nebenbei vielleicht das klassische, aus dem Zusammenhang gerissene Balladenzitat in den Sinn kommen: „Was willst du mit dem Dolch, sprich!“ Denn vieles liegt im Dunkeln, wo hört die Realität auf, wo beginnt der Mythos? Geschichten gibt es zuhauf, meist sind sie auf Vasen verewigt, was der Schau in Speyer entgegen kommt. Sie erzählen von Liebe und Tod, Heldentum und Tragik. Mithilfe des 300 Seiten starken Katalogs verweisen die Exponate sogar wirklich auf historisch fundierte Schichten, sie sondieren die Hintergründe von den Legenden. Am spannendsten mag man zudem die Rezeptionsgeschichte aufnehmen, da sich das Bild der Amazonen stark gewandelt hat: Der Münchner Secessionist Franz von Stuck war noch vom Bild der antiken Schönheit, einer speerschleudernden Göttin geprägt, die Moderne verlegte sich auf ein selbstbewusstes Frauenbild. In letzter Konsequenz fehlen aktuelle Diskussionsbeiträge, wie etwa Uta Melles Brustkrebsprojekt – im Frühjahr erschient ihr Buch »Amazonen« mit Fotografien von Esther Haase und Jackie Hardt. Dagegen sind Verweise auf Frauen im Pferdesport oder auf die gekünstelte Heroine Lara Croft ein wenig beliebig – erhalten allerdings als Nebenschauplätze ihre Gültigkeit.

Dennoch ist die Schau eine Entdeckungstour, die einen differenzierten, facettenreichen Eindruck vermittelt. Im Zuge der Betrachtung halten sich das Interesse an realen skythischen Kriegerinnen und der Faszination für die hübsch-gefährlichen Phantasiefrauen die Waage. Womöglich war es bereits in antiker Zeit eine Frage der Exotik, die aus der Geschichte Geschichten machte, die nun auf ihren historischen und mythischen Kern zurückgeführt werden. Dass das Entdeckungsspiel durch aztekische Riten noch erweitert wird, verkompliziert zwar das Bild, erhöht aber auch die Spannung, deren Bogen sozusagen auf andere Kontinente überspringt. Und wer wusste schon, dass der Name Kaliforniens auf die Amazonenkönigin Califia zurückgeht?

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