Ausstellungsbesprechungen

André Cadere, Peinture sans fin

Stäbe sind in erster Linie Markierungszeichen: abgesteckte Terrains, Wegmarken. Als solche lenken sie die Blicke mehr auf das Umgrenzte, das Angezeigte – die Aufmerksamkeit, die sie als Träger wecken, geht ihnen selbst verloren. Der (in Polen geborene) rumänische Künstler André Cadere (1934–78) belegt den Stab mit einem Zauber, der dem Minimalismus eine neue Dimension eröffnete.

Baden-Baden hat dem Konzept-Artisten mit dem melancholischen Blick eine Retrospektive eingerichtet, die dessen »barres de bois rond« - ringförmig bemalte Holzstäbe – ins Bewusstsein des Betrachters zurückbringen, nachdem der Landsmann Constantin Brancusis (wie dieser ein Wahlfranzose) nahezu in Vergessenheit geraten ist. Filme, Fotos und Texte des Künstlers betten die spröde und gleichsam spannende Kunst Caderes in ihren zeitlichen Kontext ein.
  

In den 70er Jahren war der Meister über die mobilen Stäbe eine feste Größe der Pariser Kunstszene, durch seinen Tod leider nur für wenige Jahre. Heute, wo alles statisch fixiert zu sein scheint, wo die Kunst sich doch ganz gern in die Hände des Marktes begibt, lassen wir uns fasziniert in die Freiräume ziehen, die Cadere mit sich trug: in fast mystisch-symbolischer Dimension setzte er Marken, die jedoch nie begrenzen, sondern gerade entgrenzen. Mit seinen genialischen Ausrufezeichen irritierte der Künstler die Sehgewohnheiten der Betrachter. An sich bloß Stäbe aus Holz, deren farbige Teilsegmente sowohl vom Durchmesser im Bezug zur Stablänge her wie auch in der Abfolge einer strengen Mathematik folgen – und doch gerade auch nicht: Zählt man Farbzylinder für Farbzylinder ab, nimmt die Farbreihung ernst, stellt man fest, dass Cadere Fehler ins System eingebaut hat. Der Reiz seiner Kunst liegt nicht in der Perfektion, sondern in dessen Durchkreuzung. Und in dieser De-Perfektionierung trug Cadere seine Stöcke wie Wanderstäbe durch die Städte, stellte sie ab, installierte sie an Hauswänden oder anderen architektonischen Kontexten – in Baden-Baden tauchen sie alle wieder auf, füllen oder besser: definieren nun den Raum, bereit, erneut aufgenommen und getragen zu werden.

 

Irritierend ist auch die titelgebende Bezeichnung als »Malerei ohne Ende«, sozusagen ein polemisches Bindeglied zwischen plastisch-formaler Sprache und geistig entgrenztem Konzept. Cadere zeichnete bzw. malte mit seinen Stäben mobil-temporäre Signaturen in den Raum. Man ahnt die große – stille – Geste, die André Cadere auf sich nahm, indem er seine Stäbe als Stützen seines freien Geistes und als seien sie schon Sinn an sich – stiftete: sei es in Europa oder in New York. Man muss sich im Museum nur vor Augen führen, dass der Wandersmann einst die geschulterte Kunst auf die Straße brachte, in Baden-Baden ist sie wieder »nach Haus« gekommen.

 

Im Anschluss an die Schau in Baden-Baden wird diese wundervolle Ausstellung von Februar bis Mai 2008 im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris und danach im Bonnefantenmuseum in Maastricht gezeigt.

 

 

Öffnungszeiten

Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 11-18 Uhr

Mittwoch 11-20 Uhr

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