Kataloge, Rezensionen

Andrea Bender: Stubenrein, Kehrer Verlag 2010

Prunkräume, Spiegelkabinette und dazu klopsige, zumeist quengelig oder böse dreinschauende Figuren parodieren in den Arbeiten von Andrea Bender klischeehafte Vorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft und fordern anarchische Freiheit. Rowena Fuß hat sich den Katalog mit dem ironischen Titel »stubenrein« angesehen.

Mit einem Stipendium fing alles an. Dieses führte Andrea Bender 2004/2005 nach Wien. Die pompöse barocke Üppigkeit der Residenzstadt sowie die spießbürgerliche Kaffeehausromantik hinterließen einen tiefen Eindruck und wurden von Bender nachfolgend in zahlreichen Werken ausgiebig parodiert. Das Bild »Bacchus« beispielsweise zeigt den pummeligen römischen Weingott, wie er einen Rotwein mit hämischem Blick hinunterstürzt und gleichzeitig auf ein paar Trauben zu seinen Füßen pinkelt. — Stubenrein? Ganz sicher nicht!

Die psychologisch-figurative Malerei von Andrea Bender, geprägt durch die Immendorff- und Krieg-Schule, steht der figurativ-surrealen Variante der Neuen Leipziger Schule entgegen. So sind die massigen Kleinkinder nicht nur eine Hommage an die drallen Figurendarstellungen eines Rubens, sondern sie dienen bei Bender dazu, Charakterzüge der Erwachsenen zu parodieren. Auf einem Haufen Münzen hockend verweist etwa »Großer Alchimist«, dessen Körper einem Klumpen entspricht, auf die Geldgier der Älteren.

Die Bildfiguren sorgen bei Bender für Verschleifungen von real und erträumt, schön und hässlich etc. Programmatisch steht hierfür ihre Serie »Alice im Wunderland«. Szenen mit dem rastlosen weißen Kaninchen, der verrückten Teeparty, das Haus, welches zu klein für Alice wird sowie Begegnungen mit weiteren Wesen des Wunderlandes bilden den Inhalt der Reihe. Karikaturhaft verzerrt ist der Hutmacher und auch die anderen Gäste der Teeparty sehen alles andere als niedlich aus. Die malerischen Mittel begleiten und unterstreichen diesen Eindruck: Pastoser, dicker und schwerer Farbauftrag wechselt mit aquarellartiger Transparenz, in der die Körper von ihrer Umgebung wehrlos durchdrungen und zersetzt werden.

Parallel zu Lewis Carrolls Erzählung von 1865, welche als Gegenentwurf zur viktorianischen Gesellschaft mit ihren rigiden Konventionen gelesen werden kann, sind auch die Bilder von Andrea Bender eine Parodie der gutbürgerlichen Gesellschaft.

Das Buch leuchtet eine Welt aus, in der ein Kind sich allein seinen Weg durch das Leben bahnen muss, weit weg von allen erzieherischen Normen — Andrea Bender bildet Figuren wider jeder Norm ab. Schonungslos enthüllt Alice die Egoismen, Lebensängste und Gewalttätigkeiten erwachsener Menschen — Bender parodiert diese.

Letztlich meistert Alice die Traumwelt ohne die moralischen Prinzipien und Normen der Erwachsenen. Durch die schonungslose Art ihrer Erzählung macht aber auch Andrea Bender dem Betrachter deutlich, dass er die Widersprüche der Welt erkennen und eine Position dazu beziehen muss.

Fazit: Der handliche, mit zahlreichen Bildern ausgestattete Katalog bietet einen schönen Überblick über die Arbeiten von Andrea Bender. Ein Essay von Peter Joch führt zudem in die Bildwelten der Künstlerin ein, so dass man direkt Lust auf weitere Entdeckungen in der nächsten Ausstellung bekommt!

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