Ausstellungsbesprechungen

Andy Scholz „Neue Arbeiten“ & Henrik Spohler „Global Soul“. Parallelausstellung, Robert Morat Galerie, Hamburg, bis zum 23. Dezember 2009

Mit dieser Parallelausstellung präsentiert die Robert Morat Galerie die Arbeiten zweier Künstler, die im Medium der Fotografie die Wirklichkeit neu ausloten und den Betrachter an neue Wahrnehmungsmöglichkeiten heranführen möchten. Während sich Andy Scholz Gegenständen und Objekten des Alltags neugierig annähert, begibt sich Henrik Spohler in dokumentarischer Präzisionsarbeit in menschenleere, moderne Industrieproduktionen. So entsteht ein mitreißender Bildzauber, der Realitäten ineinander fallen lässt und dem man sich nur schwer entziehen kann, findet unsere Rezensentin Verena Paul.

Neue Arbeiten

Der 1971 in Varel/Friesland geborene und im Ruhrgebiet und Hamburg wirkende Fotograf Andy Scholz war Schüler von Jörg Sasse und Bernhard Prinz an der Folkwang Schule in Essen. Seine Arbeiten, die in wichtigen öffentlichen und privaten Sammlungen bereits einen Platz gefunden haben, sind international gewürdigt und gezeigt worden, u.a. in der National Portrait Gallery in London (2002) und im Haus der Kunst, München (2006). 2002 dann wurde Andy Scholz mit dem John-Kobal-Award (England) ausgezeichnet.

Wie schon in seinen früheren Werken, beschäftigt sich Andy Scholz auch gegenwärtig mit dem skulpturalen Charakter von Objekten, die durch seine fotografische Betrachtung aus ihrem alltäglichen Zusammenhang gelöst werden. Dabei beschäftigt ihn die Frage nach Bild und Abbild. Wann etwa wird das Abbild zum Bild? Wann ist ein roter Automat nicht mehr bloß ein Automat, sondern ein sich in die Fotografie einschmiegendes Kompositionselement? „Ich erarbeite Fotografien,“ so Scholz, „die Bilder darüber sind, was Fotografien sein können!“

Die in der Robert Morat Galerie gezeigten fotografischen Arbeiten von Andy Scholz reflektieren den Prozess des Sehens, rütteln an unseren Sehgewohnheiten und demonstrieren, wie manipulierbar unsere Wirklichkeit sein kann. Auf der Suche nach Farbkontrasten, geometrischen Formationen und feingliedrigen Linienverläufen, die simultan in der Fotografie zusammenwirken, entdeckt der Fotograf eine unter der Oberfläche der Realität pulsierende Welt, die strukturiert und eigendynamisch die Möglichkeiten des Betrachtens erweitern. In der Arbeit „Gerüst“ etwa treffen wir auf eine Wirklichkeit, die nicht in eine räumliche Tiefe zu weisen scheint, sondern als Fläche mit der Kamera festgehalten wird. Die Realitätspartikel werden damit vom Künstler in die Eindimensionalität des Bildes überführt, was bisweilen an ein mit Pinsel hervorgebrachtes, fotorealistisches Gemälde denken lässt.

Global Soul

Wie Andy Scholz studierte auch der 1965 geborene Henrik Spohler an der Folkwang Schule in Essen; seit 1994 arbeitet er als freier Fotograf in Hamburg. Spohlers vielfach ausgezeichnete Arbeiten sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. 2004 erschien seine Publikation „0/1 Dataflow“ und vier Jahre später „Global Soul“.

Mit „Global Soul“ dringen Henrik Spohlers Fotografien zu den Innensichten moderner Industrieproduktionen vor. Seine präzise dokumentarische Farbfotografie entwickelt aus vielen verschiedenen Produktionsstätten das Bild einer einzigen imaginären Megafabrik. Wie die Seele als Inbegriff der Identität ort- und gestaltlos/abstrakt ist, so sind auch die gezeigten Ansichten ohne Raum, Zeit und ohne menschliches Leben. In Spohlers Kompositionen geraten Anlagen und Hallen zur faszinierenden Abstraktion und zeigen eine schwer deutbare Komplexität, die weit über die Bildebene hinausweist.

Ähnlich den Arbeiten von Andy Scholz, entfernen sich auch Henrik Spohlers ästhetisch hochwertige Fotoarbeiten von unserer vertrauten Wirklichkeit. Sie tasten sich an räumlichen Ordnungsgefügen und leuchtenden Farbkompositionen entlang, lösen Gitterteile, Rohre, Maschinenteile und Wände in ihrer realen Gegenständlichkeit auf und verschmelzen sie zu einem harmonischen Ganzen. Dabei werden die Objekte in ihrer materiellen Beschaffenheit derart entmaterialisiert und abstrahiert, dass sie auf den ersten Blick nicht nur irreal, sondern wie von einem Künstler geschaffene Formgebilde wirken. In diesem Sinne spielt Spohler in seinen Werken mit unserer Wahrnehmung und fordert zu einem wachen Sehen auf, das nicht bei der Abbildung anhält, sondern sich auf das vom Fotografen entworfene Bild der Wirklichkeit einlässt.

Fazit: Scharfsinnig und entrückt, bodenständig und leichtfüßig zugleich sind die gezeigten Arbeiten von Andy Scholz und Henrik Spohler ein ästhetisches Highlight. Eine absolut gelungene Ausstellung, der ich viele Besucher wünsche!

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