Ausstellungsbesprechungen

Andy Warhol – The Original Silk Screens, Kunsthaus Apolda Avantgarde, bis 1. Juli 2018

Es müssen nicht immer die ganz großen Häuser sein – auch in kleinen engagierten Ausstellungsorten kann man echte Meisterwerke erkunden. Dieses Konzept ist es, das das Kunsthaus Apolda Avantgarde beharrlich verfolgt und mit dem es immer wieder Künstler in die Kleinstadt holt, die man dort nicht erwartet. Der neueste Coup sind Andy Warhols Siebdrucke. Stefanie Handke war vor Ort.

Apolda statt New York – unter diesem Motto könnte man die Warhol-Ausstellung im thüringischen Apolda zusammenfassen, denn wer erwartet schon in der thüringischen Provinz Originale der amerikanischen Ikone der Pop Art? Aber es ist wahr und so kann man ab sofort bis in den Juli hinein rund Siebdruck-Originale des Künstlers in Apolda bewundern.

An den Porträts Marilyn Monroes kommt man auch hier freilich nicht vorbei, und auch die »Flowers« ( sind zu sehen. Dass das alles nicht an den langen weißen Wänden eines großen Hauses, sondern in den Winkeln einer Villa hängt, das ist für Kuratorin Löffler eine Stärke: »Hier haben wir Wandvorsprung, Nische, Wandvorsprung, Nische. So hat man Andy Warhol noch nie gesehen.« Vielleicht eröffnet genau das einen anderen Blick auf die – zumindest in Büchern und im Netz schon oft gesehenen – Werke Andy Warhols. Hier umringen sie den Betrachter regelrecht, statt ihm monolithisch gegenüber zu hängen. Das macht sich insbesondere unter dem Dach des Kunsthauses bemerkbar, wo die Serie »Sunsets« ihre meditative Wirkung entfaltet. Bisher kaum gezeigt, ist die Serie fast schone eine Entdeckung.

Im Grunde genommen ist die Schau aber auch eine Gelegenheit, die bekannteren Werke Warhols neu zu entdecken, eben durch die besondere Raumsituation, die Kuratorin Löffler und das Team des Kunsthauses vor eine Herausforderung stellten, denn bis zur Ankunft der Bilder stand keine Hängung, alles wurde vor Ort entschieden. Und doch ist das Konzept stimmig, gerade auch dank der Gegenüberstellungen, die man gewagt hat. Freilich gesellen sich Mao und Lenin zusammen, und das Porträt der Sammlerin Kimiko begleitet die »Flowers«; jedoch werden der »Marilyn« die »Skulls« (1976) sowie »Hammer and Sickle« (1972) hinzugesellt. Das mag erst einmal wie ein Widerspruch wirken, lässt aber den Blick auf einen tiefgründigeren Warhol zu. Der Amerikaner selbst behauptete zwar immer gerne, nichts besonderes zu tun und reichlich oberflächlich zu arbeiten, aber er scheute sich nicht sich mit unangenehmen und aktuellen Themen auseinanderzusetzen. Die »Skulls« sind ganz klar ein Memento-mori-Motiv, das sich in der Folgezeit immer wieder im Schaffen des Künstlers findet. Sie sind mehr als rein dekorativ eingesetzt und ihre starke Farbigkeit betont noch einmal das Düstere des Motivs. Nicht minder spannend ist »Hammer and Sickle« (1977), eine widersprüchliche Bearbeitung des berühmten kommunistischen Symbols, die sich nicht scheut Widersprüche aufzuzeigen. So ist auf der Sichel der Markenname der amerikanischen Firma Champion Nr. 15 deutlich zu sehen, während die Farbwahl aber durchaus an das kommunistische Originalsymbol erinnert.

Diese Mischung aus (vermeintlicher) Oberflächlichkeit und tieferen Gedanken ist es, was das Werk Andy Warhols so spannend macht, und die Leistung der Schau ist es dies zu präsentieren. Auch das Mappenwerk »Flash – November 22« (1963,1968) ist zu sehen, in dem sich der Künstler mit dem Attentat auf John F. Kennedy auseinandersetzte und Pressemeldungen, Fotografien und Plakate verarbeitete. Die Drucke sind größtenteils monochrom gehalten, oftmals stark grobkörnig und bedürfen teilweise eines genauen Blicks, um den Bildinhalt entsprechend wahrzunehmen. Das düstere Thema behandelte Warhol 1968 nicht von ungefähr: In diesem Jahr wurden neue Erkenntnisse zum Attentat veröffentlicht und auf den Künstler wurde ein Attentat verübt.

Freilich fehlen auch die berühmtem »Campbell’s Soup« (1968) nicht. Diese amerikanische Ikone des Convenience Food teilen sich die Wände mit einer echten Heiligen, »Saint Apollonia« (1984). Mit dieser Heiligen thematisiert der katholische Warhol seinen Glauben und griff zugleich auf die Kunstgeschichte zurück, genauer auf ein Tafelbild des Piero della Francesca (um 1455,60). Die Konturen der Heiligen, aber auch das Krakelee des Originals behielt er bei und nahm sie lediglich im Gesicht und am Ausschnitt der Frau aus, setzte also hier Akzente. Als Farben wählte der sonst so poppige Warhol solche, die am Original angelehnt waren.

Und auch andere, intimere Werke sind zu sehen, etwa »Love« (1983), für das Warhol auch selbst neue Wege ging: statt der üblichen Distanz zum Herstellungsprozess fertigte der Künstler hierfür Fotografien an, nach denen er Zeichnungen schuf, die er dann in Collagen anordnete und schließlich die endgültige Komposition druckte. Hier gibt die Ausstellung einen Einblick in den Herstellungsprozess und zeigt zwei dieser Collagenarbeiten.

Mit der Ausstellung ist dem Apoldaer Haus also ein echter Paukenschlag zum Jahresbeginn geglückt: Die Auswahl überzeugt nicht nur aufgrund der Prominenz des Künstlers, sondern vor allem aufgrund des Facettenreichtums, den die Siebdrucke aus der Sammlung Heiner Friedrichs präsentieren.

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