Ausstellungsbesprechungen

Angela Bulloch - Time & Line, Städtische Galerie Wolfsburg, bis 18. September 2011

Angela Bulloch bedient sich in ihrem Werk unterschiedlicher Medien, mit denen sie sich konzeptuell auseinandersetzt. Häufig drehen sich die Arbeiten um Raumvorstellungen, Beziehungen zum Betrachter oder Interaktivität mit dem Betrachter. Bettina Maria Brosowsky hat sich ihre Arbeiten in der Städtischen Galerie Wolfsburg angesehen.

Angela Bulloch ist diesjährige Preisträgerin des Kunstpreises der Stadt Wolfsburg »Junge Stadt sieht Junge Kunst«. Diese Auszeichnung wird seit 1959 mit einigen Unterbrechungen und inhaltlichen Neuausrichtungen im Dreijahresrhythmus an Künstlerinnen und Künstler in der Mitte ihrer Karriere verliehen. Mit Preisgeld, einer institutionellen Einzelausstellung und einem Katalog soll im Idealfall ein weiterer Karriereschub initiiert werden. Die Preisträger werden von einer unabhängigen Jury nach einem Vorschlag der Städtischen Galerie Wolfsburg benannt.

Angela Bulloch, 1966 in Kanada geboren, ist nach dem Studium in London, internationalem künstlerischen Beginn und Lehrtätigkeit in Wien seit 2008 in Berlin sesshaft geworden. Diese, zumindest vorübergehende, Ruhe in ihrem Leben, so scheint es, lässt sie auch wieder ganz entspannt an ältere Arbeiten anknüpfen, um deren Prinzipien weiterzuentwickeln. Für ihre Preisträgerausstellung in Wolfsburg hat Bulloch die frühe Werkgruppe ihrer Zeichenmaschinen wiederbelebt und um eine neue Variante ergänzt. Diese archaischen Maschinen sehen aus wie überdimensionierte, an die Wand montierte Flachbett-Stiftplotter, also die erste Generation der CAD-Ausgabegeräte seit den 1980er Jahren. Während die Plotter mitunter grotesk behände mit feinstem Strich auf dem Papier operierten, arbeiten Bullochs Maschinen ausnehmend lethargisch und mit dickem Filzer. Dafür ist ihnen eine andere Sensibilität zu eigen, die sich jedoch erst bei näherem Kontakt mit ihnen erschließt: die Aktivitäten des Stiftes werden durch Geräusche, Bewegungsmelder oder eine belastungssensible Bank vor der Zeichenfläche gesteuert. Setzt man sich also nieder, fährt der Stift minimal schneller und in der Vertikalen, um beim Verlassen der Bank wieder stoisch seine horizontalen Linien zu ziehen.

Derartige Interaktivitäten verfolgt Angela Bulloch auch in ihrem aktuellen Werkabschnitt, den Lichtinstallationen. In den »Seats of Power« im Paul-Löbe-Haus in Berlin stehen Bänke mit ähnlichem Mechanismus vor dem Sitzungssaal des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union. Beim Niedersetzen, beispielweise eines Politikers, leuchten jeweils zugeordnete Lichtelemente im Geschoss darunter, den »Spheres of Influence«, auf. Angela Bulloch will diese Prozesse als (politisches) Gleichnis verstanden wissen: jedes Handeln hat auch eine weit entfernte Konsequenz, wenngleich in eng konstituierten Grenzen.

In Wolfsburg zeichnen Angela Bullochs Maschinen seit der Eröffnung der Ausstellung Anfang April direkt auf die Wände. Bis zum September, so lässt sich hochrechnen, werden mehr oder weniger monochrome Farbbilder entstehen, deren mechanischer Linienaufbau erkennbar bleiben wird. Und diese Bilder werden einer anschließenden Renovierung der Wände wieder zum Opfer fallen. Was übrig bleibt, ist also nur die (kontinuierliche) Dokumentation der Zwischenstadien in der Zeitspanne ihrer Zeichenarbeit und die schiere Maschine als latentes Potential.

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