Buchrezensionen

Anita Kühnel (Hrsg.): Schrift Bild Zeichen. Werbegrafik in Deutschland 1945-2015, Verlag Kettler 2016

Werbung begegnet uns (fast) überall – für bestimmte Produkte des täglichen und nicht alltäglichen Bedarfs, für Veranstaltungen, aber auch für Kampagnen und politische Parteien. Die Werbegrafik ist eine ganz eigene Gattung, die der Band für die Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg untersucht. Stefanie Handke hat das reichhaltig bebilderte Buch gelesen.

Anita Kühnel beginnt mit einer Geschichte der Werbegrafik seit 1945. Diese gliedert sie in drei Abschnitte: 1945 bis 1959, 1960 bis 1979 und 198 bis 2015. Sie zeichnet die Linie von den ersten Schritten nach dem Zweiten Weltkrieg, als Plakate zum Wiederaufbau der zerstörten Städte aufriefen bis hin zu neuen (digitalen) Möglichkeiten, die sich seit den 1990er Jahren entwickelten.

Es verwundert kaum, dass die den Wiederaufbau thematisierenden Plakate die ersten waren, die sich an den Wänden deutscher Städte 1945/46 fanden. Ihnen folgten bald die ersten Parteiwerbungen. Die Bildsprache der Wiederaufbau-Plakate war dabei recht eindeutig: Arbeiter waren da zugange, die schmiedeten und gruben, aber auch Ziegel auf Ziegel schichteten, während im Hintergrund zerstörte und im Aufbau befindliche Architekturen zu sehen waren. Die Parteienwerbung setzte dagegen oft auf Agitation. Doch auch die ersten Kunst- und Kulturplakate tauchten bald wieder auf, sowohl für Ausstellungen als auch für Sport- und Theaterveranstaltungen. Schon 1946 bewarben außerdem die ersten Filmplakate neu produzierte Filme. Insbesondere letztere waren noch von der Ästhetik der 1920er und 1930er Jahre geprägt, wie die Poster zu »Rotation« (1949) oder »Der Schrecken von Mark’s Priory« (1946) beweisen. Nach der Neuordnung des Presse- und Verlagswesen warben auch Zeitungen und Verlage für sich und ihre Erzeugnisse.

Besonderen Wert legt Kühnel dabei natürlich auf die Grafiker, die für die spezifische Ästhetik der Nachkriegsjahre verantwortlich zeichneten: Wilhelm Deffke oder Willy Petzold, Hans Leistikow oder Erich Gruner sind die Namen, die sich im Buch selbstverständlich auch mehrfach finden und deren Plakate gleichsam für die Jahre bis 1960 stehen. Sie waren es auch, die maßgeblich an einem Wiederaufbau ganz anderer Art beteiligt waren, indem sie den Lehrbetrieb an den Kunst- und Kunstgewerbeschulen wiederaufnahmen und so die nachfolgende Generation Grafiker prägten. So entstanden nach dem Vorbild der Kasseler Kunstakademie Werkakademien und -kunstschulen auch in anderen Städten, an denen etwa Hans Leistikow oder Jupp Ernst Verantwortung übernahmen. Zugleich suchten diese Gestalter nach neuen Möglichkeiten der Grafik, um die Ästhetik der Vorkriegszeit abzulösen. Diese präsentierten sie etwa in der Ausstellung »Buch – Schrift – Werbekunst« 1947 in Leipzig, etwa mit äußerst funktionalen Entwürfen, mit neuen Schriften wie der Optima oder Minima sowie natürlich Helvetica und Univers und zuweilen auch mit Rückgriffen auf Vorkriegsästhetik wie die des Bauhauses. In dieser Zeit entstanden darüber hinaus zahlreiche Maskottchen wie der Fittropfen oder die Weiterentwicklung der Fewa-Johanna. Darüber hinaus trennten sich nun die Wege derjenigen, die vor allem für die Wirtschaft arbeiteten und derjenigen, die in anderen Feldern tätig wurden.

Insbesondere in Sachen Typographie wurde während der 1960er und 1970er Jahre einiges ausprobiert. Franz Mon und Max Bense etwa beschäftigten sich intensiv mit dem gestalterischen Potenzial von Schrift und stellten sie in das Zentrum ihrer Arbeit. Darüber hinaus hatte die Pop-Art einigen Einfluss, die ja die Werbung zur regelrechten Kunst erhob. Grafiker wie Hans Hillmann entwickelten darüber hinaus eine starke Bildsprache, etwa für Filmplakate wie »Crime et Châtiment« (1962) oder Michael Engelmann in ähnlicher Manier mit »Zuerst T2 dann rasieren« (um 1962). Auch die politischen Ereignisse der beiden Jahrzehnte spiegelten sich im Plakat, etwa das berühmte »Alle reden vom Wetter. Wir nichtz« (1968) von Jürgen Holtfreter oder das geradezu ikonische »It’s time to fly ty Hanoi« (1968) Gunter Rambows.

Auch an den Hochschulen tat sich einiges; der Begriff der Visuellen Kommunikation tauchte auf und wurde zum Thema an den Unis. Auch gingen die Werkkunstschulen in den Universitäten und Hochschulen auf, sodass das Grafik- und Kommunikationsdesign in den Fachbereichen für Visuelle Kommunikation aufgingen. Gleichzeitig erlebte das Theaterplakat einen Boom dank Rambow, aber auch Protagonisten wie Holger Matthies oder Frieder Grindler, ebenso wurden zahlreiche Buchreihen neu gestaltet.

Seit den 1980er Jahren erlebten dagegen wieder klare und simple Formen ihre Renaissance, blieben aber politisch, geprägt durch ein erneutes Wettrüsten von Ost und West. So illustrierte etwa Frieder Grindler 1982 den Krefelder Apell. Auch findet sich im Buch natürlich Matthias Gubigs »Wir sind das Volk« (1989), das wie kaum ein anderes Plakat für das Wendejahr steht. Auch provozierten Marken wir Benetton mit halb politischen, halb verkaufsorientierten Werbekampagnen am Anfang der 1990er Jahre. Technische Neuerungen bedingten darüber hinaus den Weg hin zum Grafikbüro, den Siegeszug der digitalen Bearbeitung. Darüber hinaus spielen Marken auch im Kulturbetrieb eine immer stärkere Rolle und Theater und Kulturbetriebe und Büros und Agenturen zeichnen auch hier vermehrt verantwortlich für die Entwicklung von Werbekonzepten und Plakatdesigns.

Nach diesem eingehenden chronologischen Blick widmen sich drei weitere Aufsätze besonderen Erscheinungsformen der deutschen Werbegrafik seit 1945. Michael Lailach beginnt den Reigen mit Taschenbüchern, deren Reihendesign zum Teil programmatisch wurde. Wer etwa kennt heute nicht die kleinen gelben Reclam-Bändchen (deren Grafikgeschichte der Autor natürlich beleuchtet) oder die edition suhrkamp, für die Willy Fleckhaus das Design entwarf? Ähnlich verhält es sich mit den Taschenbüchern des dtv. So schafft es Lailach die Besonderheit einer solchen Reihe aufzuzeigen: Einerseits gilt es, ein einheitliches Design zu entwerfen, das einen gewissen Wiedererkennungswert besitzt, andererseits setzt dieses enge Grenzen.

Frederik Schikowski beschäftigt sich mit der Arbeit von Anton Stankowski und Herbert W. Kapitzki, die in Ulm und Stuttgart tätig waren. Beiden gemein ist die Hinwendung zu einem funktionalen, einfachen Design. So entwarf Stankowski etwa das heute noch in Gebrauch befindliche Logo der Deutschen Bank. Kapitzki dagegen entwarf das Signet für Viessmann, das ebenfalls bis heute benutzt wird. Teilweise orientierte er sich sogar an Stankowski. Beide stehen gleichsam für eine Gruppe Kreativer, die in Ulm und Stuttgart aktiv war und die Grafik ihrer Zeit prägte und zu der auch Otl Aicher, Hans-Peter Hoch oder Helmut Keppler gehörten. Sie zeichneten sich in ihrer Arbeit durch Nüchternheit aus, mit serifenlosen Schriften wie Helvetica und simplen, sachlichen Illustrationen oder Fotografien, ebenso wie geometrischen Formen und den Rückgriff auf Raster als Grundlage der Flächeneinteilung. Ihre Nähe zur konkreten Kunst war dabei nicht zufällig, waren einige Grafiker aus Ulm und Stuttgart hier doch auch als Künstler tätig.

Sylke Wunderlich zeichnet in ihrem Aufsatz »Dominante Bilder« die Entwicklung des Film- und Theaterplakats seit 1945 nach. Nachdem direkt nach dem Weltkrieg zunächst eher konservative und kitschige Bildlichkeit dominierten, bedeutete das Grafikdesign der Neuen Filmkunst auch hier einen Neuanfang; Hans Leistikow wurde von Walter Kirchner und Werner Schwier angeheuert, der denn auch das Erscheinungsbild des Verleihs prägte und dem Kollegen wie Hans Hillmann oder Isolde Monson-Baumgart folgten. Auch Atlas Film verpflichtete nun Grafiker, deren Filmplakate zu eigenen Kunstwerken avancierten, darunter Dorothes Fischer-Nosbisch oder Fritz Fischer folgten, die auch Teil der Grafikergruppe novum waren und in der Gebrauchsgrafik ihre Ursprünge hatten. Diese Grafiker durften die Filme, zu denen sie die Plakate entwarfen, in der fertigen Fassung ansehen und hatten so Gelegenheit dessen Inhalt ins Plakat zu gießen. Zeichnungen dominierten dabei zunächst, etwa Gunter Rambows Plakat zu Chaplins »Goldrausch« (1962), bald aber integrierten die Künstler auch Fotografien wie Klaus Wittkugel bei »Der Tod heißt Engelchen« (1963). In der DDR dagegen dominierte lange die Zeichnung, die sich oft genug am Stil des Sozialistischen Realismus orientierte, aber sich ab den 1970ern auch für kreative Entwürfe wie zu »De Russen kommen« (1987, Otto Kummert) öffneten. Durchweg hohes Niveau erreichte das Theaterplakat auf dem Gebiet der DDR, das durch hervorragend gezeichnete Entwürfe glänzte. In der BRD dagegen fanden ab den 1960ern fotografische Elemente auch im Theaterplakat Eingang. Vor allem in der BRD spielten die Grafiker gern mit der Wahrnehmung der Betrachter, wie Frieder und Renate Grindlers Entwurf zu »Porgy and Bess« (1972) oder Rolf Felix Müllers »Der Stellvertreter« (1966) beweist.

Den Abschluss bilden Interviews mit Grafikern, darunter Gert Wunderlich, Gunter Rambow oder Matthias Gubisch, in denen diese über ihre Arbeiten, über ihr Verständnis von Design, aber auch über die Ausbildung zum Grafiker sprechen. Der Katalog ist überdies äußerst reichhaltig bebildert, mit oft großformatigen Abbildungen, sodass die Geschichte der Werbegrafik in Deutschland tatsächlich in bester Weise nachvollzogen und durchdacht werden kann!

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