Buchrezensionen

Anna Haifisch: The Artist, Reprodukt 2016 | The Artist: Der Schnabelprinz, Reprodukt 2017

Mit Kunst haben sich schon so einige Comics beschäftigt: Von Spaziergängen durch den Louvre über Künstlerleben bis hin zu einzelnen Episoden reicht die Bandbreite. Anna Haifisch nun erzählt in kurzen Episoden aus dem Leben eines Künstlers in unserer Gegenwart. Stefanie Handke hat sich die beiden Bände angeschaut.

Fröhlich wirkt er nicht, der Künstler: Große Augen, trauriger Mund, wirre Haare. So schaut er dem Leser im ersten, 2016 erschienenen Band. Und in der Fortsetzung »der Schnabelprinz« scheint unser Protagonist auch nicht glücklicher: Ein wenig verloren drückt er einen kleinen Vogel an seine Brust, die Haare nun länger, aber immer noch einsam scheint er.

Nein, von fröhlichen Kindercomics sprechen wir hier wahrlich nicht. Anna Haifisch erzählt vielmehr die Geschichte eines zu Hypochondrie und Depression neigenden, obendrein reichlich erfolglosen Künstlerwesens. Das bewegt sich in einer Welt, die aus seinem kargen Zimmerchen, Vernissagen und Clubs oder dem Elternhaus besteht. Sein Inhalt: Der Kampf um die künstlerische Anerkennung – oder vielmehr den Erfolg. Der bleibt indes aus und so flüchtet sich der Vogelkünstler in Tagträume, checkt seinen Instagram-Account (4 Likes und eine Beleidigung für sein letztes Bild) oder blamiert sich beim Versuch, Kuratoren zu beeindrucken bis auf die Knochen. Obendrein geht es mit dem Schlangencomic nicht recht voran. Alles in allem ein ziemlich trostloses Leben. Kein Wunder also, dass die Zeichnerin am Schluss des ersten Bandes für Verständnis wirbt: Egal, ob komischer Cousin, trauriger Teenager oder der ein oder andere Rewe-Angestellte – all diese kleinen Künstler verdienen unser Verständnis und eine liebevolle Behandlung.

Und das tut immerhin Reprodukt: Im zweiten Band beginnen wir mit der Ermutigung, dass der kleine Künstler zurück ist und sich beweisen darf. Doch leider wird es nicht besser. Er blickt zurück auf den Tag, an dem er die verhängnisvollen Worte »Ich möchte Künstler werden« ausgesprochen hat oder hadert mit dem Werk der letzten zwölf Monate (vier Bilder, eine Flagge, zwei Skulpturen und ein Haiku) und landet schließlich wieder im elterlichen Zuhause, umsorgt von seiner Mutter. Ja, ein normales Leben soll es nun sein, samt Tee mit Oma und Gassigang mit dem Familienhund. Doch schon wird er wieder versucht, dieser wundersame Vogel – der örtliche Künstlerbedarf lockt mit seinen Waren. Und die verdienen eine Liebeserklärung mittels eines comicgewordenen Youtube-Tutorials (das es übrigens auch tatsächlich im Netz gibt). Nein, der Künstler kann seine Existenz nicht verleugnen. Also kämpft er weiter um die Anerkennung von Kuratoren und Galeristen, scheut sich nicht, sein Werk (eigentlich malt er doch!) in eine Performance umwandeln zu lassen – und endlich: eine Residency! Auch die hat ihre Tücken, die wohl sattsam bekannt sein dürften: Zu wenig Geld, fragwürdige Orte, verpackt in Gönnerhaftigkeit. Und so bleibt des Künstlers Dasein auf die eigene Kunst reduziert.

Anna Haifischs Comics zeichnen sich durch ihre Einfachheit aus: Zarte Farben und klare Striche umreißen das triste Leben des Künstlers, der freilich alles andere als das ist, was sich eine Mehrheit unter einer solchen Existenz vorstellt. Indes, es ist eine Liebeserklärung an dieses mysteriöse Wesen Großstadtkünstler, der zwischen dem eigenen Anspruch und dem Wunsch nach Wirkung hin- und herpendelt. Freilich spitzt die Zeichnerin dabei zu: das vermeintliche Interesse der Eltern am eigenen Werk endet im Nervenzusammenbruch, wenn der Künstler doch mal eines dieser »winzigen Vögelchen […] wie du sie als Kind gemalt hast« für das Wartezimmer des befreundeten Doktors malen soll.

Mit Ironie und tragikomischem Witz widmet Anna Haifisch sich dem Künstlerleben im 21. Jahrhundert. Das Ganze durchsetzt sie mit Reminiszenzen an große Werke der Kunstgeschichte: Mal liegt der Künstler gleich Spitzwegs armem Poeten im Bett (einer Matratze auf dem Boden), mal steht er über der vereinfachten Version von Caspar David Friedrichs Nebelmeer oder verkleidet sich als Marina Abramovic. Eingängig ist das nicht, aber die kurzen Strips, die seit 2015 bei Vice erscheinen, sind eine echte Liebeserklärung an all die aufstrebenden und kreativen Existenzen unserer Zeit.

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