Ausstellungsbesprechungen

Antonio Calderara, Museum Ritter Waldenbuch, bis 18. September 2011

Antonio Calderara, ein Künstler zwischen Mondrian und Jakob Bräckle, findet in diesen Tagen in Waldenbuch eine Aufmerksamkeit, wie nur selten in Deutschland. Die Ausstellung widmet sich den Kunstwerken seiner gesamten Schaffenszeit, inklusive seines radikalen Umschwungs. Günter Baumann ist für Sie in dessen Werk eingetaucht.

Die abstrakte Kunst kommt selten aus dem Nichts – doch selten genug legen Künstler, die sich der gegenstandslosen Malerei verschrieben haben, ihre Herkunft offen (manchen mag dies womöglich auch unangenehm sein). Nun muss man sicher nicht in jedem Fall auf ein Frühwerk verweisen, um die reife Schaffensphase würdigen zu können, doch in manchen Fällen liegt gerade im Übergang in die mehr oder weniger totale Reduktion eine ungemein große Spannung: Am berühmtesten dürfte das Werk Mondrians sein, der mit fast pädagogischem Hintersinn schrittweise reale Motive in sein Grundfarbenraster überführte – man denke an die Baumserie oder, gar als Hommage an die holländische Malerei des Goldenen Zeitalters, die in Horizontale und Vertikale zerlegte Kuh; eher regional bekannt und wert, einem größeren Publikum bekannt gemacht zu werden, wäre auch der in der oberschwäbischen Landschaft verwurzelte Jakob Bräckle zu nennen, der sich freilich nie ganz von seinem Motiv löste. Ohne dass man diese beiden Positionen irgendwie zusammenbringen muss, könnte man das Werk Antonio Calderaras irgendwo dazwischen verorten. Selbst ein Bewunderer von Mondrian, entschied er sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts für einen radikalen Bruch mit der Figuration, doch anders als mancher Minimalist kann der aufmerksame Beobachter – angesichts des früheren Schaffens – eine auf geometrische Formen zurückgeführte Dingwelt ausmachen, die wiederum den geistigen Raum berühren, der den rein geometrisch Abstrakten eigentlich fremd ist.

Die Schau im Museum Ritter in Waldenbuch gewährt einen Blick auf mehr als hundert Arbeiten aus allen Phasen des umfangreichen Werks, in dem insgesamt die kleinen Formate und stillen (Farb-)Töne dominieren. Dass viele Arbeiten noch nie öffentlich gezeigt wurden, überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass der Autodidakt hierzulande fast eine Entdeckung ist – zumindest was die Bandbreite seines Schaffens angeht. Das Frühwerk umkreist Calderaras norditalienischer Heimat, als zentrales Motiv gerät immer wieder der Lago d'Orta in den Blick. Doch auch das Porträt und das Stillleben taucht in dieser Zeit auf. Neigt er hier schon zu pastellzarten Farben, die die stillen Motive in noch ruhigeres Licht einsenken, so kann man nur mit Herzklopfen den faszinierenden Übergang in die sich immer weiter entmaterialisierende Abstraktion folgen. Mit der gewonnenen Freiheit eines minimalistischen Reduktionismus findet Calderara auch den Mut zur stärkeren Farbigkeit, die dann aber in den 1970er Jahren wieder abnimmt – erst jene betonte Buntheit lässt aufhorchen und führt vor Augen, dass die auf Holz gemalten Ölbilder die Aquarelle zahlenmäßig überbieten. Künftig wird man die Feinsinnigkeit von Calderaras Arbeitsweise unweit von Morandis Malstil einordnen müssen. Eine technische Meisterleistung ist die dem Genuss vor den Originalen immerhin nahekommende Qualität der Abbildungen im auch sonst vorzüglichen Katalog; die Poesie der Bilder selbst kann man nur unmittelbar einfangen.

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