Rezensionen

Ariane Mensger (Hg.): Lichtgestalten - Zeichnungen und Glasgemälde von Holbein bis Ringler. Hirmer Verlag

Kleine Glasbilder waren im 16. Jahrhundert in Süddeutschland und in der Schweiz weit verbreitet und bildeten einen wichtigen Teil künstlerischen Schaffens. Bedeutende Künstler wie Hans Holbein d. J., Urs Graf und Niklaus Manuel schufen Zeichnungen, die als Vorlage für Glasgemälde dienten. Ariane Mensgers Publikation stellt nun die meisterhaften Blätter und die erhaltenen Glasgemälde in Dialog und zeigt sowohl die künstlerische Klasse als auch den kulturhistorischen Kontext, in dem diese Werke entstanden. Spunk Seipel hat sich in diese vergessene Kunstform vertieft.

Cover © Hirmer Verlag
Cover © Hirmer Verlag

 Seit einigen Jahren lässt sich eine Renaissance künstlerisch gestalteter Glasfenster bemerken. Nicht nur namhafte Künstler wie Gerhard Richter, Imi Knoebel oder Neo Rauch sind in diesem Genre aktiv. Bemerkenswert ist vor allem, dass sich diese Wiedergeburt der Glaskunst rein auf den sakralen Raum beschränkt. Zwischen dem 15. Jahrhundert und dem frühen 17. Jahrhundert gab es dagegen auch zahlreiche künstlerisch gestaltete Fenster in profanen Gebäuden, wie Rathäusern, Zunftsälen, Universitäten, Wirts- und Privathäusern. Die Geschichte dieser Glasbilder und ihrer Entwurfszeichnungen wird in dem Band 'Lichtgestalten' vorgestellt.

Die Schweiz gilt als eines der Zentren der Glasmalerei und hier hielt sie sich bis ins 17. Jahrhundert auch am längsten während in den weiteren Zentren (die Niederlande, Köln, Nürnberg, Augsburg, Oberrhein, Bodensee) schon Mitte des 16. Jahrhunderts die Glasbilder allmählich verschwanden. Von daher liegt der oft verwendete Name »Schweizerscheiben« für diese bunten Glasfenster nahe. Aber die Wissenschaft kennt auch andere Namen für die Glasbilder, so zum Beispiel Einzel-, Kabinett-, Wappen-, Zunft-, Standes- oder Figurenscheiben.
In der Eidgenossenschaft gab es zudem die Besonderheit der »Scheibenstiftungen«, die Scheiben wurden dabei in der Regel auf Nachfrage der Empfänger gestiftet, der Stadtrat musste sie bezahlen. Ein kostspieliger Brauch, der zeitweise so überhand nahm, dass zum Beispiel der Rat von Zürich regelmäßig Erlasse bekanntgab, demzufolge an Privatleute und Wirtshäuser keine Scheiben mehr gestiftet werden durften.

Die auffallend bunten Fenster wurden aber nicht komplett farbig gestaltet, zumeist war es nur der obere Teil, während der untere mit Butzen- oder Rautenscheiben gefüllt wurde. Überhaupt verbindet die Glasgemälde ein gemeinsames Kompositionsschema, dass sich schon sehr früh durchgesetzt hat: Sie sind fast immer hochrechteckig, zentrales Motiv ist ein Wappen, welches von Figuren präsentiert wird, gerahmt wird das Bild durch eine mehr oder weniger aufwendige Architektur mit Bogen. Das Damastmuster, welches im 15. Jahrhundert meist den Hintergrund bildete, wurde später durch einen Ausblick auf eine Landschaft oder Architektur abgelöst.

Aufgrund ihrer Fragilität sind nur noch wenige Glasgemälde erhalten, viele sind im 17. Jahrhundert einem veränderten Zeitgeschmack zum Opfer gefallen. Nicht zuletzt technische Neuerungen, wie größere Scheiben mit besserem Durchblick und Lichteinfall bedingten diesen Wandel in der Mode. Man findet sie daher nur noch selten an ihren ursprünglich dafür vorgesehenen Ort. Allerdings gibt es in der Schweiz einige wenige Ausnahmen (darunter der »Grosse Schützensaal« im Schützenhaus Basel). Daher muss sich die Forschung auf die sogenannten »Scheibenrisse«, die als Vorlage dienten, konzentrieren. Vielfach handelt es sich dabei um Pinsellavuren, welche der Glasmaler entweder selbst zeichnete oder (viel öfter) von anderen Künstlern anfertigen ließ. Zuweilen scheint auch der Auftraggeber einer Glasscheibe sich einen speziellen Künstler dafür gewünscht zu haben.

Das Besondere: Der »Scheibenriss« ist eine eigene Zeichnungsgattung, der durch die Funktion als leicht umzusetzende Vorlage bestimmt ist. »So ausführlich wie nötig, so knapp wie möglich« war das Motto und so sind die meisten Zeichnungen schwarz-weiss, die manchmal durch Kürzel (welche Farbe benutzt werden sollte) ergänzt wurden. Die Glasmaler konnten so zwar die Bilder einfach durchpausen, mussten sich aber stets mit den aufwendigen technischen Problemen der Glasmalerei, wie etwa der besonderen Farbigkeit oder den Bleistegen zum Zusammenhalten der verschiedenen Scheiben, auseinandersetzen.

Zahlreiche bekannte Künstler des 16. Jahrhunderts und deren erhaltenen Scheibenrisse werden im Katalogteil diskutiert, Autorenschaften sorgfältig überlegt. Hans Holbein d.J. (1497/98-1543) werden zum Beispiel nur noch 16 von einstmals 50 Rissen zuerkannt. Unklar bleibt in diesem Kontext aber, warum die Kupferstichserie der »Passion Christi« als möglicher Entwurf für Glasbilder angeführt wird, auch wenn einzelne Elemente, wie die architektonische Rahmung, aus der Tradition der Scheibenbilder stammen. Genaue Hinweise werden nicht geliefert.

Andere Entwürfe von Hans Holbein d.J. scheinen dagegen als Musterbeispiele für potentielle Kunden gedient zu haben, so zum Beispiel das Wappenbild mit den zwei Einhörnern. Ein Brauch, dem auch andere Künstler folgten, zumal die Glasmaler oft Details wie die Rahmung aus verschiedenen Entwürfen zusammensetzten.
Von dem großartigen Schweizer Künstler Urs Graf (1485-1528) sind immerhin 13 Scheibenrisse erhalten. Wobei auch hier nicht immer klar ist, ob die Entwürfe jemals umgesetzt wurden – etwa sein eigenes Allianzwappenbild oder für das Allianzwappen Stehelin und Bischoff mit seiner derben Erotik. Urs Graf, der bei seinem Vater das Handwerk des Goldschmieds gelernt hatte, war mit seinem feinen Federstrich prädestiniert für die Entwurfszeichnungen von Scheibenbildern, aber er hat wohl auch selbst Glasbilder angefertigt. Ein nicht immer gern gesehenes Tun in einer Zeit, in der Zünfte scharf auf die Tätigkeitsbegrenzungen der Handwerker achteten.

Seine und die Entwürfe anderer Künstler, wie Hans Süss von Kulmbach, Manuel Deutsch, Tobis Stimmer oder Christoph Murer zeigen vor allem die Konstanten in der Scheibenmalerei auf, was vielleicht auch in ihren Untergang bedeutet hat, da es zu wenig stilistische Neuerungen gab. Dennoch gehören die erhaltenen Scheibenrisse zu dem Besten, was aus dieser Zeit in Zeichenkabinetten bewahrt wird.
Die Scheibenbilder des 16. Jahrhunderts waren repräsentative Objekte, von denen uns zumeist nur noch die hochqualitativen Entwurfszeichnungen geblieben sind, deren Zuschreibungen bis heute Diskussionsstoff liefern. Mit diesem Buch haben Freunde der altdeutschen Zeichnung wie jene der Glasmalerei eine gute Grundlage für eigene Recherchen zur Verfügung. Und vielleicht dienen die Beispiele in dem Buch auch als Grundlage für eine Renaissance der profanen Glasmalerei der Gegenwart…

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