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Arno Bojaks neue Mythen: Fiktion oder Realität?

Die mythisch-märchenhaften Werke Arno Bojaks werden bevölkert von Naturwesen und sagenhaften Gestalten. Ob kleine Meerjungfrau oder Waldgeist – er interpretiert sie neu und lässt sie wieder lebendig werden. Julia Sterr ist fasziniert von ihm.

Eben erst aus dem Wasser ans Ufer gekommen, befindet sich das grüne durchsichtige Wasserwesen, der Nix, an der Seite der rothaarigen und tätowierten Frau. Sich einander umarmend scheint es so, als sei diese vollkommen in den Bann des mystischen Wesens gezogen. Selbst ihre Augen haben bereits den kräftig grünen Schimmer des jungen Mannes angenommen. Das ungleiche Paar befindet sich allein inmitten florierender Natur, während sich ihre Blicke sehnsuchtsvoll außerhalb des Bildes kreuzen.

Diese Szenerie ist das Bildmotiv zu Arno Bojaks (*1974) Werk »Le sacre du printemps, der Nix«. Das 2013 entstandene Werk trägt einen vielsagenden Titel. »Le sacre du printemps«, das 1913von Igor Strawinsky komponierte Ballettstück, erzählt von der Opferung einer Jungfrau an den Frühlingsgott, um diesen versöhnlich zu stimmen. Das Stück endet damit, dass die Frau sich zu Tode tanzt. Doch so weit kommt es hier nicht, denn an dieser Stelle setzt nun Arno Bojak den Nix ein. Das der Art des Wassermanns angehörende Wesen mit typisch gelocktem Haar taucht auf und nimmt sich der jungen Frau an. Was vielleicht wie eine Art Rettung scheinen mag, ist nicht die Eigenart eines Nix: ihm wird nachgesagt, dass er junge Mädchen verführt und diese in sein Unterwasserreich locken möchte. Bojak verbindet hier zwei verschiedene Leitmotive aus Musik und Mythologie zu einem neuen Bildmotiv. Das Werk ist ikonographisch so aufgeladen, dass dem Betrachter dabei viele Assoziationen in den Sinn kommen. Die Darstellung eines unbekleideten Paares im Wald, die Schlange und die Thematik der Verführung erinnern beispielsweise an Adam und Eva. Auch die enge Verbundenheit der Protagonisten zur Natur fällt auf: der Nix durch seine grüne Farbgebung, noch mit Schuppen am Fuß versehen, während das unbekleidete Mädchen am gesamten Körper mit floralem Muster und Tieren tätowiert wurde. Beide finden trotz ihrer unterschiedlichen Lebensarten zu einer Gemeinsamkeit, die im Bild durch körperliche Nähe verdeutlicht wird. Besonders die überlebensgroße Darstellung der beiden Personen wirkt auf den Betrachter eindrucksvoll und zieht auch diesen in den Bann des zeitlosen Geschehens. Arno Bojaks Ausstaffierung seines Personals erinnert zudem an Sandro Botticellis »Primavera« (1477-1482). Darin zeigt Botticelli verschiedene Frauendarstellungen, deren Gestaltung der Arme und Hände als Vorbild für Arno Bojak hätten gelten können. Auch die mit Blumen und Tieren tätowierte Haut der jungen Frau in dem Werk erinnert an Botticelli, der seine Figuren, eine davon trägt ein mit Blüten überhäuftes Kleid, ebenfalls in blühender Natur auftreten lässt. Botticelli scheint also im Bildgedächtnis Bojaks verankert zu sein, dessen Motive er in seinen Werken neu aufleben lässt.

Arno Bojaks Werk zeichnet sich durch eine breite Farbpalette mit großflächigen Untermalungen und stellenweise sehr detailreichen Darstellungen aus. Die rechte Hand der jungen Frau, der Pilz und die Seerose sind Bildelemente, denen Bojak durch seine Gestaltungsweise großen Wert beimisst. Stark leuchtende Farben und Kontraste innerhalb des gesamten Motivs, bunte dünne Pinselstriche als Pflanzenstränge und unzählige Abstufungen innerhalb eines Farbtons zur Ausmodellierung einzelner Körperteile und Gegenstände zeigen die Besonderheit dieses Gemäldes. Mittels eines sich durch den Hintergrund ziehenden schwarzen Blattwerks und hineinragender schwerer Äste schafft der Künstler Stabilität in der gesamten Komposition. Zudem verstärken diesen Eindruck die Vertikalen der Protagonisten und die Horizontlinie. Diese Mittel nutzt Bojak in vielen seiner Gemälde. Die Einbindung von Figuren aus Mythologie und Antike und die Rückbesinnung auf vergangene Epochen der Kunstgeschichte verbindet Bojak mit einer aufregenden, kontrastreichen Malweise und setzt diese häufig in den Kontext fremder Welten. Diese fiktiven Darstellungen sind so echt, sein Personal so lebendig und lebensgroß, dass sie der Realität beunruhigend nahe kommen. Der Betrachter erfährt in Bojaks Bildern eine große Herausforderung. Ihm wird abverlangt, verschiedene Ansätze miteinander in Verbindung zu setzen, zu verstehen und dies auch vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse. Diese Neu-Interpretierung klassischer Themen und die Fokussierung von Missständen der heutigen Zeit sind für den Künstler der Ansporn zur Erschaffung solcher großformatiger Werke, die in seinem Oeuvre zu finden sind. Das dargestellte Werk »Le sacre de printemps«, Der Nix kann dafür als Paradebeispiel dienen, dennoch ist Bojaks Oeuvre so kontrastär und vielschichtig, dass auch ein Blick auf die zahlreichen anderen Gemälde unabdingbar wird.

Arno Bojak studierte von 1994 bis 2000 Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Markus Lüpertz und Prof. Dieter Krieg. 1999 wurde Bojak Meisterschüler und erhielt ein Jahr später seinen Akademiebrief. Neben einigen anderen Stipendien bekam Bojak 2000 ein Gaststipendium im Künstlerdorf Schöppingen und 2005 das Arbeitsstipendium, Stiftung Kulturfonds Bonn und wurde noch im selben Jahr durch den Else-Heiliger-Fonds der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert. Seit 2014 ist der in Berlin lebende und arbeitende Künstler zusätzlich als Gastprofessor an der BTU Cottbus-Senftenberg tätig. Neben zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen stellt der Künstler auch gemeinsam mit seinem Vater und Bildhauer Reinhard Bojak aus, der unter Einbezug von mathematischen Formeln Plastiken aus Acrylglas fertigt.

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