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Aus dem Stamm – Holzskulptur im Zeitalter der digitalen Medien?

Es werden im Kunstverein Wilhelmshöhe Ettlingen in zwei aufeinander folgenden Ausstellungen Arbeiten von 44 national und international renommierten Bildhauerinnen und Bildhauern gezeigt, die sich ausschließlich oder vorwiegend mit dem Werkstoff Holz befassen (u. a. Stephan Balkenhol). Neben den virtuellen Medien hat die Holzskulptur in den letzten Jahrzehnten eine überraschende Renaissance erfahren und ist dabei auch zu bisweilen verblüffenden Formfindungen gelangt. Der traditionsreiche Werkstoff Holz wird von den Bildhauern ganz neu gesehen.

Bei der ersten Dada-Ausstellung 1920 in Berlin jubelten George Grosz und John Heartfield: Die Kunst ist tot. Es lebe die neue Maschinenkunst Tatlins! So wie die Kunst immer wieder einmal totgesagt wurde, so auch die Medien, mit denen sie arbeitet. Bildhauer, die der unreflektierten Technikbegeisterung nicht folgen mochten, wandten sich damals dem natürlichen Werkstoff Holz zu. So führte der stille Protest gegen die Moderne zu einer ersten Renaissance der Holzskulptur. Seine zweite Wiedergeburt erfuhr der Werkstoff Holz bezeichnenderweise in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der digitalen Medien. Seither erlebt mit der Wiederentdeckung des natürlich gewachsenen Werkstoffs die Holzbildhauerei einen Aufschwung, der ungebrochen anhält.

Der Kunstverein Wilhelmshöhe Ettlingen zeigt zwischen dem 24. April und dem 28. Juni zwei aufeinander folgende Ausstellungen mit dem Titel »Aus dem Stamm« – Die Sinnlichkeit des Materials – Holzskulptur heute. 45 national und international renom-mierte Bildhauerinnen und Bildhauer sind mit ihren Werken präsent. Anschließend gehen alle Exponate ins Kunstmuseum in Singen, wo sie in einer Gesamtschau gezeigt werden.

Die Ausstellung »Aus dem Stamm« wurde von Werner Pokorny kuratiert, für den die Sicht und der Zugang des Künstlers zum Material im Mittelpunkt des Interesse steht. Da die Ausstellung keinen stilkritischen oder systematischen Überblick versucht, braucht sie sich auch nicht mit der müßigen Frage abzugeben, inwieweit die teilnehmenden Künstler etwa repräsentativ seien. Die Auswahl der Werke ist breit angelegt, und eine Präferenz bestimmter Schulen wurde tunlichst vermieden. Der konzentrierte Blick auf den besonderen Charakter des Materials lässt in jedem Falle eine publikumsfreundliche Ausstellung erwarten. Kein anderes Material behält bis zum zersägten, zerhackten, zerspänten Teil die Vitalität und Individualität des ursprünglichen Ganzen, formuliert Pokorny. Diese sinnliche Qualität ist nicht dem Künstler vorbehalten, sondern kann von jedem aufmerksamen Betrachter erlebt werden. So verspricht die Ausstellung nicht nur einen ebenso kurzweiligen wie lehrreichen Überblick über Holzskulptur heute, sondern auch sinnliche Erlebnisse bei der Begegnung mit Kunstwerken in einer lebendigen Materialität.

 

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Ein kursorischer Überblick über die Ausstellung macht deutlich, dass hier eine Vielzahl von Tendenzen vorgeführt wird. So ist nicht nur das neu erwachte Interesse am archaischen Material überraschend, sondern geradezu verblüffend die kreative Vielfalt der Bearbeitungsmethoden. Gewiss, das traditionelle Bildhauerbeitel hat nicht ausgedient, und es zeigt sich, dass sogar der alten Schnitzkunst im 21. Jahrhundert noch neue Seiten abzugewinnen sind. Das zeigt exemplarisch das durchaus populäre Werk des Karlsruher Bildhauers Stephan Balkenhol. Auch industrielle und maschinelle Holzbearbeitungsverfahren sind für die Künstler kein Tabu mehr und werden gerne adaptiert. Geradezu euphorisch wurde die Kettensäge ins Atelier überführt, nachdem Georg Baselitz jenes ungeschlachte Werkzeug der Holzfäller für sich entdeckt und gebändigt hatte. Mittlerweile gibt es ein umfangreiches Sortiment von Kettensägen, das auch äußerst filigrane Formfindungen ermöglicht, wie sich das im Werk von Armin Göhringer nachvollziehen lässt.

Für viele Künstler gibt der in Walzen und Blöcke zerlegte Stamm eine verbindliche Grundform vor, der man sich kaum entziehen kann. Erwin Wortelkamp lässt sogar die Gestalt des Stammes als monumentale Figur mit der Architektur und dem Umraum in Beziehung treten. Daniel Bräg hingegen zerlegt den gesamten Baum rückstandslos in handliche Stücke, die zu einem skulpturalen Block komprimiert werden. C. W. Loth führt äußerst diszipliniert und in einer gesetzmäßigen Abfolge seine Schnittfolgen durch, um zu einer strengen und prägnanten Gestalt zu gelangen. Werner Mally zerlegt seine Holzwalzen derart, dass zum Abschluss zwei komplementäre Werke voneinander getrennt werden können.

Der Werkstoff Holz wird von den Künstlern nicht ausschließlich als Stamm bearbeitet. Auch Halbfertigfabrikate wie Balken, Bretter, Sperrholz, Spanplatten usw. finden das Interesse der Bildhauer. Die aus minderwertigem Weichholz gesägte Dachlatte verleimt Jin-Ho Heo zu Blöcken, um dann das Leimholz in figurative Skulpturen zu verwandeln. Für Georg Herold hingegen liefert die Latte den Baustoff für luftige Raumkonstruktionen, die von Spax-Schrauben zusammengehalten werden.

Die Skulptur aus dem Holzblock hat sich ungeahnte Freiheiten erobert und sich in einer erstaunlichen motivlichen Vielfalt aufgefächert. Neben den strengen, konstruktiven Formfindungen von David Nash und Rudolf Wachter stehen die symbolträchtigen Kürzel von Werner Pokorny als monumentale Piktogramme im Raum. Von der in Ruhe verharrenden Geste eines Franz Bernhard hat sich ein verspielt humorvolles oder auch verstörendes Genre emanzipiert, wofür die Namen Daniel Wagenblast, Thomas Putze und Gerhard Kehl stehen können.

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog.

Weitere Informationen

Ausstellungseröffnung Teil I: Freitag, den 24.04.2009, 20 Uhr
Laufzeit: 25.04. – 24.05.2009

Ausstellungseröffnung Teil II: Freitag, 29.05.2009, 20 Uhr
Laufzeit: 30.05. – 28.06.2009

Öffnungszeiten: Mi-Sa 14.30-18.00 Uhr So 11.00-18.00 Uhr
und nach tel. Vereinbarung

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