Meldungen zum Kunstgeschehen

Aus der Eröffnungsrede: Das lachende Auge, Galerie Naumann, Stuttgart, bis 18. Dezember 2011

Unter dem Titel "Das lachende Auge" zeigt die Galerie Naumann ein Programnm, das das Wahrnehmungsvermögen des Betrachters im positiven Sinne wecken soll. Lesen Sie, was Günter Baumann dazu bemerkte.

»(…) Es geht Naumann (in seiner Galeriearbeit) nicht um irgendeine schenkelklopfende Komik, sondern eher um das leicht schwebende Element in der Kunst, frei nach Schiller: ernst sei das Leben, heiter sei die Kunst. So ist der Titel seiner Ausstellung auch doppelt zu verstehen. ›Das lachende Auge‹ will an dem bisherigen Programm der Galerie anknüpfen, das auch das Wahrnehmungsvermögen des Betrachters im positiven Sinne wecken soll. Herman Broch schrieb ein Gedicht, das hier wohl passen mag: ›Im Aug muss alle Kunst beginnen, / Wer niemals sah wird nie ein Lied ersinnen. / Im Aug beruht der Mensch, beruhend sein Geschick, / Er sieht das All in seinem Augenblick.‹ (…)

Ich kann auch gleich mehrfach an meine vorigen Ausführungen anknüpfen. Matthias Beckmann hätte bei Merkle statt Patrick Borchers auch locker Jörg Mandernach vorschlagen können. Beide sind über die erfrischend ungezwungene Herz-und Leidenschaft-Gruppe der ›Weißenhofer‹ miteinander verbunden. Mit seiner Enkaustiktechnik hätte man auch eine Brücke zu den wachsbedeckten Fotoprints von Gert Wiedmaier schlagen können. Hier in der Galerie Naumann tritt er nun als Teilnehmer der Gruppenschau auf mit einer bedeutungsleichten Arbeit. Sie haben recht gehört: bedeutungsleicht will ich sie nennen: Sie sehen in einer grandiosen Farbharmonie eine menschliche Figur im Profil neben einem geometrischen Körper, über dem ein Auto sich in Gestalt von Zahlen und Zahlwörtern entfaltet: Während über die arabische und römische »4« und die Zahlwörter »vier« und »zwei« erst das fingierte Bild eines Autos entsteht, entwachsen der Figur Blattwerk und Ziffern. Ohne Frage haben wir es mit Bedeutungen zu tun, doch niemand wird daraus einen biblischen, mythischen oder sonstwie symbolischen Gehalt ableiten können. Die Zeiten bedeutungsschwerer Zumutungen scheinen hier zu Ende zu sein, und doch kommt das Werk unserem antrainierten Hang entgegen, etwas aus dem Bild herauslesen zu wollen. Fraglos schafft er jedoch in seinen Arbeiten poetische Rückzugsräume, die einmal ausladend mit Klebeband ganze Wände der Galerie umfassen können, die sich aber ein andermal im kleinen Format mit Zitaten aus der Kunstgeschichte nach innen öffnen.

Der Zufall will es, dass nicht nur Hannes Steinert für die Nachbargalerie Merkle einen Beitrag zu Stuttgart 21 geliefert hat (…), sondern auch Eva Koberstein, die aus ihrer Serie der szenischen Kartonkästen ein ganzes Papp-Dramolett ausgekoppelt hat. Zunächst sind diese Kleinstbühnen schräge Einblicke in den alltäglichen Wahnsinn. Mit zotigen Anspielungen und diversen Tücken des Objekts greift sie Einzelsequenzen aus einem kaum zu deutenden Kontext heraus, bastelt zwischendurch einen ganzen Märchenwald, durch den ein Mädchen eilt und so weiter. Für diese Ausstellung nun hat sie ein krimireifes Ensemble geschaffen, in dem pinkelnde Parkhunde sich mit Häuslebauern und einschlägig bekannten Regionalpolitikern eine fragwürdig gewordene, unterirdische Welt, die so genannte »Stuttgarter Apokalypse« teilen, bis zum bitteren Ende. Der Mensch, der in den Werken Kobersteins meist scheitert, und nach den Vorstellungen von Albert Camus und Samuel Beckett immer wieder und besser scheitert, bleibt am Ende reichlich unbehaust. Das lachende Auge bleibt da hin und wieder auf der Strecke, oder es rettet sich ins Werk von Sibylle Ritter, die sehr viel stabilere Kästen in ihrem Werk aufweist. Eine köstliche Reminiszenz an Led Zeppelins ›Stairway to Heaven‹ ist die tragbare Treppeninstallation mit einem integrierten Foto, das die Künstlerin auf einer Treppe sitzend zeigt – unten lässt sich eine kleine Lade aufziehen, in der ein fotografierter Himmel eingeschlossen ist, und als Krönung lässt eine Spieluhr die berühmte Sequenz aus besagtem Lied ertönen.

Der spielerische Umgang mit Formen und Stilen fällt in den meisten Arbeiten auf. Nehmen Sie die Fiberglasmalerei von Marcel Berlanger, deren feine Peinture etwa einer Chrysantheme aussieht, als sei sie fotografiert – die Schwarzweißmalerei lässt allenfalls eine sich aufwolkende vegetative Form erkennen, doch folgen wir willig der Bezeichnung einer konkreten Blume. Oder lassen Sie die Arbeiten von Klaus-Martin Treder auf sich wirken: Ist es ein Beispiel der Hard Edge Malerei, die spröde Kanten zeigt? Ein genauer Blick auf die Malspuren belehrt uns eines Besseren, denn freche Farbkleckse sabotieren den scheinbar spurenlosen Auftrag. Mit der Verunsicherung spielt auch Roger Bitterer. In seinen Fotografien geht Bitterer seinen Weg der Irritation. Einerseits wollen wir kunstvolle Kompositionen erkennen, wo wir andrerseits ahnen, dass es schlicht raffinierte Dokumentarfotos sind. Seine Malerei ist dagegen fotorealistisch angelegt. Ein anderes Spiel treibt Ted Green mit uns. In scheinbaren Spiegelungen gaukelt er uns die Makro- und Mikrostrukturen von Insekten oder vegetabilen Formen vor, die sich als handwerklich geschickt hintergangene Kehrseiten zweier verschiedener Hälften entpuppen. Kirsten Lampert wiederum setzt den spielerischen Hebel inhaltlich an, indem sie barocke Ornamentik und Highlights der Kunstgeschichte wie den David von Michelangelo in ihre luftig sortierten Welten integriert, die uns aus Werbeplakaten, aus dem Fernsehen oder von den Modejournalen her bekannt sind. Dabei können wir uns nie sicher sein, ob die Malerin uns einen gemalten Raum oder eine reine Projektionsfläche eingebildeter Dingwelten zeigt.

Lassen Sie mich noch ein genaueres Augenmerk auf zwei Arbeiten legen, die sich einmal ganz der puren Malerei, ein anderes Mal der reinen Zeichnung widmen. Ute Zeller von Heubach setzt da an, wo die Monochrome Malerei aufgehört hat. Mit der Ahnung etwa einer impressionistischen oder auch rembrandtschen Palette versetzt sie die Farbe so in Schwingung, dass man die Bildwerdung eines Motivs zu spüren glaubt, die Leinwand wird sozusagen mit dem Pathos gegenständlicher Malerei aufgeladen, ohne dass sie als solche hervortritt. Die Künstlerin bewegt sich zwischen den Welten, schafft die Hintergründe historischer Gemälde neu, aus denen sich die konkreten Motive potentiell herausbilden könnten. In diesem Kontext ist es auch zu verstehen, wenn Ute Zeller historische Rahmen auf dem Trödelmarkt ersteht und ein Gemälde entwirft, das in Ton und Stimmung dazu passt – ein wohl einmaliger Zugang zur Malerei. Die andere, rein zeichnerische Position vertritt Andreas Opiolka. Auf kariertem Papier, das je nach Serie auf ein bestimmtes Format festgelegt ist, reflektiert er seine auf Reisen oder im Alltag gesammelten Eindrücke, zieht Linien, die sich verschlingen oder verdichten, im Nichts auslaufen oder in ein gezieltes Ende führen. Dazwischen setzt er Punkte, die sich dem karierten Grund unterwerfen, indem sie im Karofeld platziert werden, oder die ganz im Gegenteil gegen die vorgedruckte Linie aufbegehren und sich geradezu unordentlich Platz verschaffen. Wer in dem entstandenen Geflecht, sei es aus der tagebuchartigen Verortung im Titel heraus oder als freie Assoziation, ein figuratives oder landschaftliches Moment herauslesen will – etwa einen Menschen am Strand –, darf dies gerne tun.

(…) Beachten Sie auch die Kleinodien der Kunst, die ich nur summarisch nennen kann: die zart bemalten, durch Faltungsspuren minimal reliefierten Arbeiten von Franziska Bark, der kosmische Kreis Thomas Hegers, der zwischen abstrakter Unendlichkeit und einem konkret-beschränkten Rundlauf changiert, die frechen Zeichnungen von Sarah Jane Lapp, das atemberaubende Fotoporträt, die Textbilder von Stephan Weitzel und nicht zuletzt die computergenerierten Hinterfoliengemälde von Hans-Ulrich Wagner, der als einer der ersten Künstler den Computer für die Welt der Malerei nutzbar gemacht hat. In letzter Minute muss auch noch der Beitrag von Hans-Ulrich Wagner zu Stuttgart 21 dazugekommen sein, mit einem bösen Blick auf eine ›schielende Gewitterziege‹ (…)«.

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