Ausstellungsbesprechungen

Aus der Eröffnungsrede: Ralph Fleck – Gegenständlich, Galerie Schlichtenmaier Stuttgart, bis 9. September 2017

Scheinbar alltägliche Gegenstände verwandeln sich bei Ralph Fleck in Erkundungen der Ölmalerei, in intensive Farb- und Strukturerlebnisse. Die Galerie Schlichtenmaier zeigt derzeit einen umfangreichen Überblick über sein Werk. Günter Baumann hielt die Eröffnungsrede.

Nach über 30 Jahren ist die Überblicksschau zum Werk Ralph Flecks die erste größere Ausstellung des Freiburger Malers in Stuttgart, der zwischen London und Madrid, Portugal und Südkorea längst deutlich mehr Spuren hinterlassen hat als in der Schwabenmetropole. Wenn Ralph Fleck zu malen beginnt, hat er sein Motiv schon längst im Kopf gespeichert. Das klingt banal, hat aber Konsequenzen bis hin zur Ästhetik und zur Rezeption. Der Betrachter begegnet den Arbeiten ja durchs Drauf-zu-Gehen und ist zurecht beeindruckt von der Präzision, um nicht zu sagen der nahezu fotografischen Genauigkeit des Gesehenen, die sich in der Nahsicht zur gestischen Abstraktion verwandelt.

(…) Von den vielen Gründen, sich mit dem Werk von Ralph Fleck zu befassen, will ich zwei hervorheben. Der eine dreht sich um den Titel der Ausstellung: GEGENSTÄNDLICH. Er ist so richtig, wie er fast schon provokativ sich selbst in Frage stellt. Der zweite Grund mag vielleicht überraschen: Die Malerei von Ralph Fleck, das heißt der Umgang mit der Ölfarbe sei erotisch – so versteht es der Künstler. So hat sein Werk einen objektivierbaren sowie einen gefühlsmäßig-subjektiven Zugang, die beide das Werk zu einem geistigen und einem sinnlichen Erlebnis und ästhetischen Vergnügen machen. (…) Es liegt Fleck fern, die Gegenständlichkeit gegen die Abstraktion auszuspielen. Ihm ist die Unterscheidung unwesentlich und einerlei, und er hat ja recht damit: spätestens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Trennung obsolet. Einige der insbesondere klar strukturierten Abstrakten machten den Anfang einer Entgrenzung und erklärten ihre Kunst für konkret, um zu zeigen, dass ja immer ›etwas‹ auf dem Bild sei. Die gegenständlichen Kollegen wurden sich ihrer abstrakten Anleihen auch gewahr, waren sich aber letztlich schon seit dem Impressionismus einig, dass das, was sie auf die Leinwand brachten, nichts weiter war als Farbe, die den Schein erweckte, als sei etwas dargestellt. Dazwischen stand immer wieder insbesondere die gegenständliche und figurative Malerei auf dem Prüfstand: sie wäre nicht oder nicht mehr in der Lage, etwas auszudrücken, was mit der Gegenwart zu tun hätte. Alles Quatsch, in den 1980er Jahren war die Malerei wieder da, heftiger als je, ganz bei sich, und vor allem: gegenständlich und figurativ. Invasionsartig traten Maler auf den Plan, entwickelten eine nie dagewesene Vielfalt, und einige fanden zu einer so ureigenen Malweise, dass sie unverkennbar und singulär präsent sind und bis in die Gegenwart hinein wirken. (…) Wenn ich heute über das Gegenständliche bei Ralph Fleck rede, muss ich schon an den Begriff selbst gehen. Sehen Sie sich seine früheren Arbeiten an wie das »Feldstück 2/XI« oder das »Alpenstück 30/VI«. Schon die ›stück‹-weise Bezeichnung relativiert die Naturvorlage, sonst würde es vielleicht »Bergmassiv«, »Berg in den Alpen« oder »Engadin« (was sogar schon vorkam) heißen oder »Blühendes Feld«, »Sommerfeld« oder sonst etwas in der Art. Feldstück, Alpenstück geht ans Grundsätzliche. In jüngerer Zeit sehen diese Stücke anders aus als in den 1990er Jahren, aber in der Haltung hat sich nichts geändert. Oder nehmen Sie ausdrückliche Stillleben, die auch mal im Untertitel, zuweilen auch im Haupttitel »Müll« oder »Taschenbücher« heißen. (Hier) sehen Sie zwei extreme Langformate gleicher Thematik, als würden sie zusammengehören: das eine heißt »Stillleben«, das andere »Müll«, will sagen: Es kommt nicht darauf an, wie das Bild heißt. Gegenüber hängen zwei Bilder aus der Müll-Reihe, die lapidar »Bild« heißen.

Hinter mir hängt das »Stillleben 24/II«, in dem nicht nur ein ehemaliger Mitarbeiter des Reclam Verlags innerlich in Euphorie gerät – eventuell sogar auch diejenigen, die sich noch an die Lektüre im Deutschunterricht erinnern. Das ist alles so wirklich, als könnten wir die Bücher aus dem Regal ziehen, und doch ist es völlig unerheblich, welche Bücher hier stehen und dass überhaupt Bücher zu sehen sind. Schon die Monumentalisierung setzt den Realismus außer Gefecht, haben wir es doch mit Büchern zu tun, die in eine Jacketttasche passen. Schräg gegenüber präsentieren vier Kleinformate je ein fast gleiches Stück »Käse«, auch einerlei: es könnte ebenso eine Serie mit »Schwarzwälder Kirsch« oder mit »Austern« dort hängen. Nun bin ich der Letzte, der der Meinung wäre, Bücher seien Käse oder überhaupt alles sei Jacke wie Hose. Ralph Fleck braucht den Gegenstand, um seiner Leidenschaft nachzugehen: zu malen. Dass er dabei Realitäten schafft, die dem Gegenstand bis ins Detail, im Fall des Käsestücks bis in die vermeintliche Konsistenz gerecht werden, ist eine Frage der Technik. Und ich behaupte, dass die sinnliche Wahrnehmung unsre Synapsen für geistige wie kulinarische Angelegenheiten deshalb in Wallung geraten lassen, weil das Gelb, Grün, Orange und Rot des einen Stilllebens in unseren Köpfen sofort an »Reclam« denken lassen, und die milchigkäsige, ins Beige sich verrinnende Farbe unmittelbar »Käse« assoziieren lässt. Dabei ist und bleibt alles nur Farbe. Wer unter Ihnen direkt vor einem der Gemälde steht, wird das Ganze nicht in allen Fällen gleich in seinem Realismus erfassen – die pastosen Aufwerfungen der Farbe ähneln eher einem Rausch, aber dazu komme ich später. (…) Bei Ralph Fleck rückt uns der Gegenstand aus größerer Distanz zum Greifen nahe, um uns dann doch vor Augen zu führen, dass es nicht um ein konkretes Motiv geht. Die Titel der Bilder in Verbindung mit arabischen und römischen Ordnungszahlen machen deutlich, dass es sich um serielle Strukturen handelt, die das Flecksche Gesamtwerk zu einem Tagebuch werden lassen, wenn man es einmal anlegt: Tag, Monat und Jahr der Fertigstellung sind rückseitig verzeichnet. Ein großes »M« in Klammern heißt, dass das Bild im Atelier auf Mallorca gemalt wurde. Ich erinnere daran, dass Ralph Fleck einst an der Karlsruher Kunstakademie Meisterschüler bei Peter Dreher war, der bis heute über 5000mal ein Glas unter dem Titel »Tag um Tag guter Tag« sowie unzählige »Landschaften im Hochschwarzwald« gemalt hat, um zu demonstrieren, dass mit einem und demselben Motiv unendlich viele verschiedene Bilder möglich sind. Das ist nicht so weit weg von den sogenannten konkreten Abstrakten (…). So viel zur Annäherung und sogar zur Gleichsetzung von abstrakter und gegenständlicher Kunst. Wobei es Ralph Fleck ein Gräuel wäre, schlicht Farben auf die Leinwand zu setzen und so lange zu malen, bis das Werk stimmig ist.

Es ist eben so eine Sache mit der Gegenständlichkeit. Natürlich unterstelle ich uns, dass wir alle wissen, was damit gemeint ist – eine vorstellbare Dinglichkeit. Aber das Wort sollte uns aufmerksam werden lassen. Philosophisch gesehen hat Immanuel Kant etwas kompliziert definiert, dass der Gegen-Stand all das sei, was uns als erkennenden Ichs draußen »gegenübersteht«. Etymologisch geht der ›Gegenstand« tatsächlich auf die Verben »gegenstehen« bzw. »gegenüberstehen« zurück, was ursprünglich auch im Sinne von Widerstand gelesen wurde. Etabliert wurde das Wort in Anlehnung an das lateinische ›obiectum‹, das wir im deutschen Objekt wiedererkennen und das eigentlich für das »Entgegengeworfene« stand. Gegenstand wäre demnach etwas, was sich unserem subjektiven Blick sichtbar entgegenstellt, was auf uns aktiv zukommt. Ralph Fleck, der selbst ein höchst unruhiger Zeitgenosse ist, braucht diese unmittelbare Erfahrung, die Drastik des Gegenstands. Dabei bedient er sich fotografischer Vorlagen, die mal das Thema in der Totalen oder in einer Großaufnahme heran- oder wegzoomen oder einen ungewöhnlichen Blick von oben suchen. Er stapft auch selbst auf den Eiffelturm oder steigt ins Gebirge, um den Gegenstand von oben zu spüren, hier die Stadt Paris oder einen bestimmten Berg. Das ist im Zeitalter fotografischer und medial-virtueller Realitäten nicht verwunderlich, relativiert aber auch die Wahrheitsebene der Wahrnehmung. Was wir heute zu sehen gewohnt sind, hat oft mit Bildern in unserem Kopf zu tun, die über Medien und nicht mehr primär oder uneingeschränkt über die eigene Sehgewohnheit vermittelt wurde. In der Optik von Google Earth oder aus der Satellitenperspektive schauen wir den Menschen, die wir gar nicht kennen, in den Pool oder in ihre Zeitung. Ralph Fleck malt dagegen an: Wir haben auf dem Stilllebenbild die Reclambände der berühmten Universalbibliothek vor Augen, könnten sogar die Reihen bestimmen, doch wenn wir drauf zugehen, entschwindet alles im Farbenspiel. Wir schauen aus der Vogelperspektive auf Rom, Paris, Athen und London – was vor einem halben Jahrhundert nur denjenigen vergönnt war, die sich einen Flug leisten konnten. Heute kennen wir das aus der eigenen Erfahrung, die aber oft durch die publizistische und mediale Wirklichkeit gefiltert ist. Doch was ist diese Fotorealität gegenüber dem Eindruck, den uns Ralph Fleck durch seine Malerei bietet: Rom vermittelt in warmen Tönen das Gefühl, das uns beim Betreten der ewigen Stadt ereilt, während das Pariser Zentrum von den silbrigen Dächern geprägt ist, die auf die Stadtplanung von Haussmann im 19. Jahrhundert zurückgeht. Man könnte das selbstverständlich fotografisch ablichten, aber fühlen lässt es sich unmittelbarer in einer Malerei, die bis in die Farbklänge der Stadtnamen ins Bild mit einfließt. Eine nette Anekdote sei hier nicht verschwiegen, die zeigt, dass bei Fleck erst die Malerei da ist und dann das Motiv: Als er einmal ein silbrig schillerndes Parisbild verwarf, weil ihm die Gestik zu heftig war, fühlte er sich an die Seerosenbilder von Claude Monet erinnert und malte das Bild weiter zum ersten »Teichstück« – daraus entstand die gewichtige, gestisch aufgeladene »Giverny«-Reihe, die Sie in unserer Gruppenausstellung im Frühjahr sehen konnten. Wir schauen also auf die Städtebilder, auf die je typische Straßenstruktur, auf Dächer und Autos, hier und da auf markante Gebäude, und nähern uns nach und nach einer Farbsinfonie, die nichts mehr enthüllt, außer der scheinbaren Anarchie des Auftrags und der Mischung von einer grandios überbordenden Palette weg. Es gehört allerdings schon Genie dazu, in diesem Farbkonglomerat eine real anmutende Fernsicht einzuplanen. Es ist auch ein genialer Einfall, das Thema der Stadt von oben hin und wieder zu konterkarieren: Im Bücherbild zum Außenfenster hin sehen Sie den Ausschnitt eines Covers mit dem extrem angeschnittenen Blick auf Amsterdam aus der Luft. Um Himmels Willen, muss ich hier bei all dem hinzufügen: Ralph Fleck empfiehlt, seine Kunst, besonders wenn es um die Motive geht, nicht verbissen ernst zu nehmen – es ist alles nur ... Malerei, also alles, was die Leinwand hergibt und mitnichten das, was unsere Einbildung draus macht.

Von Henri Matisse ist der Satz überliefert: »Für einen Maler gibt es nichts Schwierigeres, als eine Rose zu malen, denn dazu muss er zuerst alle Rosen vergessen, die jemals gemalt worden sind.« Von Flecks Rosen und Blumenbildern will ich schweigen, weil sie hier nicht ausgestellt sind. Aber das Zitat kommt mir dennoch gelegen, um vom Klischee des Schönen zum Klischee des Unansehnlichen zu gehen. Freilich können wir uns an der fantastischen Bergwelt und an den traumhaften Seestücken erfreuen, fallen uns doch die Nebelschwaden romantischer Bildmotive à la Caspar David Friedrich ein oder die Brandungsbilder eines Gustave Courbet. Je nach Belieben und verfügbarer Wandgröße können wir dem in den Formaten von 2 auf 2 Metern oder auch nur in der Größe knapp über einem Din A3-Blatt nachspüren. Es muss aber weder die Natur sein noch ein Bücherregal oder auch nur ein Bücherstapel, und auch kein Fassaden- oder Stadtbild, die man gern unter dem klassischen Schönheitsbegriff handeln kann. Für Ralph Fleck ist das Müllstillleben nur eine konsequente Weiterführung der Erkenntnis, dass das Motiv nicht entscheidend für den optischen Genuss ist. Ich komme noch einmal auf den gegenständigen, entgegengeworfenen Sinn im Begriff der Gegenständlichkeit zurück. Während die Natur bei aller Schroffheit eines Bergmassivs oder bei aller Urgewalt einer Meeresbrandung immer noch den Eindruck des Spiels und des Zufalls ermöglicht, während die Stadt oder die Hausfassade immer noch eine formale Struktur erkennen lassen, die das Chaos im Zaum hält, ist die Müllhalde in der Regel ein wohl sortierter, aber dann wahllos zusammengeworfener Haufen Unrat, vor dem man steht – überfrachtet von einer Menge Zeug, das sich dem Betrachter erst allmählich erschließt oder auch nicht. Was den Künstler reizt, ist sicher nicht die sozialkritische Sicht auf die Müllverwertung, es ist die Faszination vor dem formalen Durcheinander, in dem sich hier und da eine Ordnung manifestiert, um dann wieder zu versinken. Manche dieser Arbeiten wie das über dem Grafikschrank ist von einer scharfen Klarsichtigkeit und räumlichen Tiefe, die langen Querformate sind aufgrund der extremen Ausschnitthaftigkeit in der Höhe Bilder, die eine enorme Drastik entfalten: einmal durch die geschwungenen Kabelteile und prall gefüllten Tüten, das andere Mal durch das Sammelsurium erkennbarer und undefinierbarer Gegenstände – links etwa ist ein kopfstehendes Spielzeugschiff, ansonsten ein Ball, Bücher und anderes mehr zu sehen. Aber wäre das wesentlich? Manche dieser Müllbilder sind so komponiert, dass sie an das Bild »Gescheiterte Hoffnung« von Caspar David Friedrich erinnern, das eigentlich »Das Eismeer« heißt. Strandgut hier, Verwertungsgut da, Zivilisationshybris allerorten. Diese Fülle an Farbe, das strotzende Material, das sich rein malerisch mal im Müll, mal im Stadionpublikum im Zustand eines geordneten Informel veräußerlicht, ist Lust und Last zugleich: Zeichen einer Entindividualisierung und zugleich einer Schaulust auf Masse und Event hier, auf das anonyme Einzelphänomen dort – die Stapelbilder zeigen Bücher, die nur den Buchblock erkennen lassen: unzählige Weiß-, Grau- und andere Farbtöne, hart an einer Monochromie entlang, dann aber in einer tausendfachen Nuancierung, die uns das Phänomen Buch, sprich Geisteskultur, meditativ erlebbar macht. Und das erwähnte Müllbild über dem Grafikschrank? Schauen Sie sich im Vergleich dazu Architekturzeichnungen der Architektin Zaha Hadid an... Überall wechseln Struktur und Chaos, Statik und Bewegung, Konstruktion und Dekonstruktion – Bilder des Seins, nicht des äußeren Scheins.

Nachdem ich hoffentlich die Gegenständlichkeit in ihren Grundfesten erschüttert habe, die mich grade wegen ihrer Irritationen so fasziniert, komme ich zu dem, was Ralph Fleck treibt, wenn ihm motivlich schon kaum etwas heilig ist. Es ist die Erotik der Ölfarbe... Acrylfarbe wäre für sein Schaffen gänzlich unvorstellbar. Selbst wenn er auf Packpapier malt, nimmt er Ölfarbe, bezieht das ausfließende Öl mit ein – es bildet wie von selbst schattige Partien auf dem Malgrund. Auf der Leinwand berauscht er sich mal mit pastosen Farbaufhäufungen wie im Schwergewicht der Ausstellung, dem »Feldstück«, oder er streicht mit beschwingtem Pinsel über die Leinwand wie in der »Käse«-Reihe: Entdecken sie neben den harten Farbstreifen auf dem Bücherbild hinter mir die kühn nuancierten Setzungen von Akzenten, die von weitem die Illusion von Titel und Buchnummer vermitteln, aber noch mehr die verschatteten Rückwände des Regals, sofern es den Blick darauf zulässt. Die zwischendurch im Regal liegenden Bücher geben nicht nur formale Farbfeldvarianten, sondern lassen auch die Sicht drüber hinweg zu – ich denke an den Farbverlauf in der rechten unteren Ecke. Oder das Licht- und Schattenspiel auf dem Bücherstapel neben dem Reclam-Bild. Oder nehmen sie die Grauwerte in den Alpenstücken: das ist sinnlicher Hochgenuss, der in den Parisbildern mit der Erweiterung der Palette ins Weiße und Silbrige eine ganz andere Fortsetzung findet. Was wir sehen, entsteht allein durch die Farbe, in den Personenstücken wird sie ausnahmsweise auch mal zur begrenzenden Linie. Im großen Alpenstück vagabundiert die Linie wie zerklüftend mal mehr, mal weniger ins Ausgefranst-Flächige – und wird als Wetterschneise des sonst schneebedeckten Berges sichtbar. Ergreifend ist gerade der sinnlich prickelnde Moment, wenn sich das weißliche Schneegrau mit dem Himmelgrau trifft – beides in hintergründigen Farbtönungen. Das sind optische Berührungen, die ein blauer Sommerhimmel nicht entfernt bieten könnte. Zuweilen hinterlässt die Farbe auch im Inhalt Spuren der Sinnlichkeit näher, etwa bei dem »Copán«-Bild, das den Ausschnitt eines Neumeyer-Gebäudes im brasilianischen Sao Paulo zeigt: Das Gitternetz der Fensterrahmungen gibt die Struktur vor, die farblich gesetzten Vorhängebilden nicht nur je eigene Capriccios der Polychromie, sondern fordern auch noch den Blick des Voyeurs heraus, der sich fragt, was dahinter so alles angedeutet sein mag.

Aber lassen Sie sich einfach verführen von der Farbvarianz dieses Bildes – das Motiv mag eine Aufgabe sein, der Farbauftrag ist die Kür. (…) Ralph Fleck ist kein Traumtänzer, der uns billig eine Illusion verkauft, er ist vielmehr ein Farbflaneur, der seine Bilder mit atemberaubendem Gespür für die Farbe begehbar macht. Machen Sie sich die Mühe, und folgen sie dem Pinselauftrag da, wo ganze Farbmassen zu Tropfen sich aufhäufen, aber auch da, wo sich die Farben Strich um Strich in zurückhaltendem Duktus umschleichen, wo sich die Farben nass in nass mischen oder im nachbarlichen Kontrast zum Bildgefüge ordnen. Die Bilder von Ralph Fleck haben mit der puren Lust an einer Malerei zu tun, bei der uns eine Gänsehaut erfasst, ein visuelles Kribbeln (…). Dass Fleck bei seinem Hang zur hingebungsvollen Peinture auch noch unsere Sehnsucht nach dem Bildmotiv bedient, ist ein Wesensmerkmal im Werk des Künstlers. »Es gibt Maler«, so sagte Pablo Picasso, »die die Sonne in einen gelben Fleck verwandeln. Es gibt aber andere, die dank ihrer Kunst und Intelligenz einen gelben Fleck in die Sonne verwandeln können.« Ralph Fleck bedient sich dieser Gabe, um in der Farbe schwelgen zu können. Uns eröffnet sich die Möglichkeit, an diesem Abenteuer der Schaulust teilzuhaben. Dass wir uns darüber hinaus freuen dürfen, der Schönheit einer Stadt, einer Naturlandschaft oder auch der eines Müllplatzes zu begegnen, macht das Werk zu einem Fest der Sinne. Auf die Gefahr hin, ein sicher vielbemühtes Wortspiel überzustrapazieren, bin ich überzeugt, dass auch in Stuttgarter Wohnungen ein echter Fleck an die Wand gehört.

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