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Ausstellungen zum Oskar-Kokoschka-Jahr 2010

Am 22. Februar 2010 jährte sich zum dreißigsten Mal der Todestag des expressionistischen Malers und Grafikers Oskar Kokoschka. An vielen Orten wird dieser Jahrestag für Ausstellungen, Lesungen und Konzerte genutzt. Günter Baumann hat einen kleinen Überblick über die OK-Ausstellungen für Sie zusammengestellt.

Oskar Kokoschkas dreißigster Todestag ist vielleicht zu unbestimmt, als dass man in der breiten Öffentlichkeit viel Aufhebens davon gemacht hätte – ganz im Gegensatz zu den Museen, die den Maler über den ganzen deutschsprachigen Raum hinweg mit großem Aufwand ehren. Diese Diskrepanz ist zu bedauern, weil der hinlänglich bekannte und geniale Porträtist und Landschaftsmaler so viele noch unbekannte oder außerhalb des Rampenlichts befindliche Seiten hat, dass es höchste Zeit für eine Neubewertung ist. Die Diskrepanz ist umso mehr zu bedauern, als ausgerechnet die spannendste Kokoschka-Schau zu seinem Antike-Verständnis in Halle an der Saale gerade zu Ende gegangen ist, während anderswo dem Werk bis in den Herbst und sogar darüber hinaus gehuldigt wird (ausgenommen dem Frühwerk Kokoschkas, das nur bis Mai im Wiener Belvedere zu sehen war). Schade, gerade die Schau im Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt (Stiftung Moritzburg) hätte es verdient, noch eine weitere Station zu erhalten; so bleibt die Hoffnung, dass die weiteren Zugangsmöglichkeiten zu Kokoschkas Werk eine größere öffentliche Wirkung zeigen. Denn eines ist ohnehin klar – die Städtelandschaften legen dafür ein Zeugnis ab –: »OK« ist ein Künstler europäischen Zuschnitts, der auch 30 Jahre nach seinem Tod als ein kultureller Botschafter der alten Welt gelten kann. Nicht von ungefähr bemüht Katja Schneider, die Direktorin der Stiftung Moritzburg, im Vorwort des Katalogs, die Präambel des Vertrages von Lissabon aus dem Jahr 2009, die das »kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas« beschwört. Von Kokoschka sieht Schneider hierzu neue Impulse, die nichts von ihrem Gewicht eingebüßt haben.

In Pöchlarn, wo sich das Kokoschka-Haus befindet, widmet sich eine Ausstellung den Höhen und Tiefen in der bewegten Vita des in Pöchlarn geborenen Malers: Geehrt, bewundert, gefördert von unzähligen Gönnern, Freunden und Kollegen (die Wirkung auf die Malerei in der ehemaligen DDR ist beachtlich!), das wäre die eine Seite, der Sonne zugewandt. Demgegenüber war die andere Seite immer wieder zur Stelle: kriegsgeschädigt, vertrieben, diffamiert (von den Nazis als »entartet« stigmatisiert) und selbst nach 1945 vielfach unverstanden. Es ist ein Verdienst der Ausstellung, dass die Gemälde, Grafiken und Fotodokumente mit gewitztem Tiefsinn präsentiert werden. Die Wiener Albertina hält im »OK«-Jahr ihre Bestände bereit, das Belvedere erinnert auch über die Ausstellung zum frühen Werk hinaus an den österreichischen Künstler. Auch die Schweiz ist nicht untätig: Im Predigerchor der Zentralbibliothek Zürich ist man auf der Suche nach »Spuren im Treibsand« – Briefe, Fotodokumente und Arbeiten Kokoschkas werfen dank einer akribischen Quellenforschung neue Perspektiven auf das Werk des Künstlers. Unmittelbar vor der Eröffnung steht die Ausstellung »Oskar Kokoschka – Wunderkammer«, die einen Einblick auf die weitgehend unbekannte private Sammlung gibt, die kitschige Objekte ebenso enthält wie antikes Kunsthandwerk, das die vielschichtige Ikonografie im Kokoschka-Œuvre (die allenfalls mit der Komplexität Max Beckmanns zu vergleichen ist) zu verstehen hilft.

Von diesen letztgenannten antiken Stücken weiß bzw. wusste die Ausstellung der Stiftung Moritzburg zu berichten. »Ehe ich lesen und schreiben konnte«, so Kokoschka in einem Interview, »bekam ich ein Bilderbuch über den Trojakrieg, das ich mit bunten Farben übermalte. Mit meinen kleinen Freundinnen spielten wir die Zerstörung Trojas. Wir zündeten Ameisenhaufen an und spielten so Brand und Massaker von Troja… Das ist mir immer in Erinnerung geblieben. Dieselben Angst- und Zerstörungsvisionen überkommen mich, wenn ein moderner General alte Städte bombardiert.« Diese Perspektivwechsel von Kinderspiel und kriegerischem Größenwahn führte insbesondere im Spätwerk zu einer entschiedenen Auseinandersetzung mit der – für Kokoschka vorwiegend griechischen – Antike. In einer maßlos gewordenen Zeit schien dem Künstler die Antike nicht Flucht, sondern Quell der Rückbesinnung – und die musste zwangsläufig auch die pervertierten Antikenvorstellungen während der Hitler-Diktatur verarbeiten. Grandioses Hauptwerk der Ausstellung ist das Hamburger Triptychon »Thermopylen« (1954), das von etlichen Skizzen begleitet wird. Für die Hallenser Schau saßen Kunsthistoriker und Archäologen des Archäologischen Museums der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zusammen – heraus kam im Rückblick gesehen eine der schönsten Ausstellungen des Frühjahrs. Wer über das gängige Bild von Oskar Kokoschka hinausgehen will, darf an dem hierzu entstandenen Katalog nicht vorbei gehen.

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