Ausstellungsbesprechungen

Ausstellungsbesprechung: Unser Schwarzwald - Romantik und Wirklichkeit, Augustinermuseum, Freiburg im Breisgau, bis 30. Oktober 2011

Im Rahmen eines großangelegten Umbau- und Sanierungsprojektes soll das Freiburger Augustinermuseum gänzlich überarbeitet und neukonzipiert werden. Das Museum erhält einen neuen Schliff, so auch Deutschlands Aushängeschild und touristischer Magnet. Die Ausstellung »Unser Schwarzwald - Romantik und Wirklichkeit« wird in einem bereits fertiggestellten Teil des Hauses gezeigt und weiß durch die neue Inszenierung zu überzeugen. Ein romantisches Heimat-gefühl stellt sich sodann auch bei unserem Rezesenten Günter Baumann ein.

Christian Meichelt: Das Uhrenmachen in der Neustadt © Foto: Axel Killian/Augustinermuseum
Christian Meichelt: Das Uhrenmachen in der Neustadt © Foto: Axel Killian/Augustinermuseum

Im Freiburger Umland, mitten im Schwarzwald, wartet eine der schönsten Landschaften des deutschen Südwestens auf Besucher, die obendrein in Freiburg selbst auch ein museales Kleinod entdecken können: Das nach einer ersten Sanierungsphase 2010 neueröffnete Augustinermuseum ist ein Glücksfall für die Ausstellungslandschaft. Die Juwelen des Hauses lagen lange im Schatten eines architektonischen Provisoriums, einem umgewidmeten Kloster, in das die Städtische Sammlung nach dem Ersten Weltkrieg eingezogen war. Zum Bestand des Museums gehören nicht nur Plastiken und Gemälde vom Mittelalter bis zum Barock, sondern auch eine großartige Grafiksammlung und eine bedeutende Sammlung zur Alltags- und Volkskultur. Nicht zuletzt der Inhalt hat wohl dazu geführt, dass das von Christoph Mäckler umgebaute Augustinermuseum bald nach Eröffnung als international ausgerichtete Tourismusattraktion ausgezeichnet wurde.

Die Anziehungskraft der Exponate kann freilich nur funktionieren, wenn sie sich auch von ihrer besten Seite zeigen können. Und da erlebt der Besucher Außergewöhnliches, um nicht zu sagen eine einzigartige Inszenierung, die ihre Höhepunkte im eigentlichen früheren Kirchengebäude und in den grandios beleuchteten Aufgängen hat: einmal mit Skulpturen im dramatisch-schönen Spotlight, im anderen Fall mit einer Edelgalerie von Glasfenstern. Dazu kommt noch ein kleiner Zusatz-Hingucker (d.h., besser ein Rausgucker), nämlich ein schießschartengroßes offenes Fenster mit Blick auf das Münster, konkret auf die plastischen Kopien der Objekte hochoben am Turm, die im Museum auf Augenhöhe zu betrachten sind. Es gibt nur wenige Museen, die es schaffen, dass man der recht fernen Zeit des Mittelalters mit einer zwar der atmosphärisch durchgeistigten Showbühne anheim gegebenen Kunst entgegenkommt; aber es ist die Spannung der Bezüge unter den Exponaten, die den Betrachter in ihren Bann zieht - die architektonischen Durchblicke begünstigen dies enorm. Das alles steigert die Aufmerksamkeit, ganz ohne Künstelei.

Noch sind nicht alle Bauphasen abgeschlossen – es sollen noch einige Jahre ins Land ziehen, bis alle Ecken und Winkel des Museums im neuen Glanz erstehen (sofern die finanziellen Mittel dies zulassen) – und nach wie vor bleibt ein Teil der Sammlung notgedrungen unter Verschluss. Aber einen Vorgeschmack, was insbesondere die volkstümliche Kunst hier zu bieten hat, zeigt die Sonderausstellung »Unser Schwarzwald«, die dieser Tage zu Ende geht. In 700 Arbeiten – vom alten Stich über die sogenannte hohe Kunst (der Freiburger Maler Ralph Fleck, einer der wichtigen Maler der Gegenwart, hat eine gemalte Schwarzwälder Kirschtorte beigesteuert) bis hin zu Bauerngerät oder Schuhen, Kuckucksuhren und Strohhüten, aus privater Hand Selbstgebasteltem oder schlicht Erworbenem. Ein solcher Bestand vermittelt aufs Beste Leben, Zeit und Arbeit im und um den Schwarzwald herum. Regionalia, die zuweilen wie abgelegte, banale ›Objets trouvés‹ Vitrinen füllen und gern auf Distanz zum Betrachter gehen, sind hier nicht zu erwarten. Die Museumsarchitektur und die Programmatik gibt mit der temporären Ausstellung einen guten Vorgeschmack auf die Präsentation der kulturgeschichtlichen Abteilung, wenn denn das Museum all seine Sammlungen dauerhaft installieren kann.

Der ausstellungsbegleitende Katalog macht dies schon vor. Die Inhaltsseite listet nicht nur schnöde die Inhalte auf, sondern zeigt sich als frisches Arbeitsblatt, das farbfreudig ein emotionales Wortfeld zum Schwarzwald anlegt: Nach einführenden Essays zum Thema und konkret zur Sammlung, die schon an Liebeserklärungen heranreichen, stimmt dieses Wortfeld den Leser an, der im günstigsten Fall den Exponatenreigen aus eigener Anschauung schon kennt. So gruppieren sich folgende Felder um einen silhouettierten Tannenzapfen herum: wild/romantisch, mobil/erfolgreich, natürlich/fromm, hübsch/bunt, idyllisch/schön, echt/authentisch, sportlich/touristisch. Den schlagwortartigen Einstiegsmöglichkeiten folgen Untergliederungen, die vom Allgemeinen ins Besondere führen. So sind die Wortgruppen etwa gefüllt mit Appetizern wie »Abenteuer«, »Reiseführer«, »Badefahrten«, »Waldmystik«, »Burgenromantik«, »Bergbau«, »Wald« (so viel zu Wild/Romantisch) usw. Heimat wird im Augustinermuseum großgeschrieben, und sie umfasst eben nicht nur die hohe Kunst, die im Freiburger Raum allerdings Großartiges zu bieten hat – vom »Grafen von Freiburg« (Roter Sandstein, um 1270) bis hin zu dem genannten »Tortenstück 2/VII (Schwarzwälder)« des Malers Ralph Fleck (Öl auf Papier, 1993). Nein, sie wird wesentlich getragen vom Alltag der Menschen, die in der Region lebten und wirkten, mit Einblicken in die Holzwirtschaft, das Flößertum und anderes mehr. Das Augustinermuseum hat erkannt, dass gerade in Zeiten der Globalisierung auch das Bedürfnis nach einem vertrauten Raum wie der Heimat wächst.

Apropos Globalisierung (die ja viele Heimaten einbezieht) und Heimat (die sich globaler Zusammenhänge bewusst sein sollte): Die kommende Ausstellung im Freiburger Augustinermuseum heißt »Tschernobyl - Expeditionen in ein verlorenes Land« (Dezember – März), im Anschluss daran folgt »Liebe Deinen Nachbarn – Badisch-württembergisch-französisch-schweizerische Beziehungsgeschichten« (April – September 2012). Damit ist schon fast alles über die Bandbreite des Hauses gesagt.

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