Meldungen zum Kunstgeschehen

Ausstellungsprogramm der Kunsthalle Erfurt für 2010 gefährdet

Die Wirtschaftskrise ist nun auch in der Kunsthalle Erfurt angekommen. Über den für dieses Jahr geplanten Ausstellungen hängt das Damoklesschwert des prekären Erfurter Haushaltes und es bleibt abzuwarten, ob das Programm wie geplant gezeigt werden kann. Unsere Autorin Rowena Fuß war vor Ort und hat sich von der Situation in Erfurt ein Bild gemacht.

Ein gewisses Maß an Traurigkeit lag über der Pressekonferenz zum Ausstellungsprogramm 2010 in der Erfurter Kunsthalle. Diese bangt wegen der prekären Haushaltslage der Landeshauptstadt besonders um ihre Sonderausstellungen im zweiten Halbjahr. Nach der am 5. Februar öffnenden  «Farbwelten. Von Monet bis Yves Klein» könnte im Sommer die Schließung der zeitgenössischen Kunstgalerie drohen, sagte Direktor Kai Uwe Schierz am 27. Januar. «Die Schau zum 100. Geburtstag des Fotografen und Malers Lux Feininger (1910) haben wir schon gestrichen», gesteht der Leiter der Kunsthalle. Anders als ein Museum kann die Kunsthalle in Notzeiten nicht auf einem eigenen Fundus für Ausstellungen zurückgreifen, sondern ist von den Geldern der Stadt abhängig. Schierz habe zwar Verständnis dafür, dass die Stadt wegen der Wirtschaftskrise unverschuldet in Nöte geraten sei, betont aber: «ich möchte das ganze Jahr über Ausstellungen zeigen.» Er hoffe deshalb auf die Bewilligung des Geldes. «Das kommt der Stadt billiger als eine Schließung des Hauses», meint er kämpferisch.

Trotz dieser Finanznöte gibt es interessante Ausstellungen, die einen Besuch in der Kunsthalle lohnenswert machen. Zuerst wäre da das Schmankerl «Farbwelten» von Anfang Februar bis Mai. Die Ausstellung zeigt 55 ausgewählte Gemälde, Arbeiten auf Papier und Skulpturen aus der Zeit von 1891 bis 1962, u. a. von Claude Monet, Auguste Rodin, Max Liebermann, Paula Modersohn-Becker, Ernst Barlach, Wassily Kandinsky, Max Ernst, László Moholy-Nagy und Yves Klein. Die Schau streift acht Jahrzehnte der Sammlungsgeschichte des Kaiser Wilhelm Museums Krefeld. Das künstlerische Spektrum reicht von wichtigen Werken des Spätimpressionismus über den Expressionismus und der geometrischen Abstraktion bis zum Nouveau Réalisme.

Als nächste Schau folgt «B-Side. Zeitgenössische Fotografie», in der Studenten und Absolventen der Bauhaus-Universität Weimar von Mitte Februar bis Ende März ihre neuesten Arbeiten auf diesem Gebiet ausstellen.

Von Ende März bis Anfang Mai zeigt die Kunsthalle eine Ausstellung zur Marke, in der sie die Geschichte dieses Spezialgebietes in der grafischen Gestaltung aufzeigen möchte.

Im Anschluss widmet sich die Kunsthalle in einer Retrospektive der Fotografin Liselotte Strelow (1908-1981). Die Ausstellung präsentiert originale Porträt- und Theaterfotografien aus einem Zeitraum von 1942/43 bis 1971, ergänzt um Dokumente und Filme. Strelows Lebensweg war nicht einfach, umso bewusster gestaltete sie nach 1945 ihre Karriere als Berufsfotografin und Fotokünstlerin der jungen Bundesrepublik. Zielsicher wählte sie 1949 die gut klingende Atelieradresse Königsallee in Düsseldorf und fotografierte nun die Prominenz der deutschen Nachkriegszeit bis in die sechziger Jahre hinein. Politiker, Künstler und Schauspieler aus dem In- und Ausland – darunter Gustav Gründgens, Marlene Dietrich, Thomas Mann, Gottfried Benn, Ingeborg Bachmann, Henry Moore und Joseph Beuys – sowie die Elite des deutschen Wirtschaftswunders saßen ihr Modell. Für das psychologische Porträt, das sie anstrebte, hieß es, „so viele von den hundert Charakterzügen, Wesenszügen eines Menschen zu sammeln wie möglich.“

Weiter geht es im Programm mit «Cony Theis: See me». Die Kölner Künstlerin (*1958) hat ungewöhnliche Methoden und Formen erfunden, mit dem Genre Porträt zu arbeiten. Als Zeichnerin bei Gericht hat sie einerseits zeigen können, wie schnell und mit welchen Mitteln man bildnerisch Eindrücke vom charakteristischen Äußeren einer Person erzielen kann. Sie hat aber zugleich auch bemerkt, wie fremd die jeweilige Person, ob als Täter oder als Opfer, letztlich bleiben muss. Vermutlich weckte diese Erfahrung in ihr das Bedürfnis, Porträts von Menschen zu formen, die über die tradierten Vorstellungen hinaus gehen. Theis ermunterte die Porträtierten, auf den Prozess des Porträtierens Einfluss zu nehmen und Ideen und Wünsche, aber auch eigene Formen einzubringen. Im Prinzip der Montage und der Integration von Fremdelementen sieht die Künstlerin eine legitime Möglichkeit zur Bereicherung und Ausweitung des konventionellen Porträts mit dem Ziel, die „Authentizität der Äußerung des Anderen“ im eigenen Bild vom Anderen zu sichern. Es geht im Kern also um einen neuen Porträtbegriff: als dem formgewordenen Ausdruck von Wechsel.

In der darauf folgenden Ausstellung im Sommer geht es um «Bettina van Haaren: Partikel und Membranen». Zum Programm ihrer Figuration gehören weibliche Akte, zumeist im Fragment, sowie alltägliche Dinge – Rollrasen, schwarze Gartenfolie, Kunststofftüten, Europaletten u.ä. Irritierend ist jedoch die Beobachtung, dass sämtliche Figuren merkwürdig isoliert im leeren Bildraum zu schweben scheinen. Man gewinnt den Eindruck, als wären hier Dinge oder deren Fragmente mit einer gewissen Zufälligkeit oder auch Austauschbarkeit aufeinander getroffen – wie bei einer Collage. Ihre Beziehung zueinander bleibt uneindeutig. Durch die Bilder Bettina van Haarens scheint das moderne Bewusstsein und die moderne Erfahrung von Kontingenz hindurch, eine verwirrende Multiperspektivität beim Blick auf das Eigene und auf die Welt, für die Robert Musil das Wort «Möglichkeitssinn» erfand: Zwar sind die Dinge und Verhältnisse so, wie sie sind. Doch sind sie es nicht notwendigerweise; sie sind stets auch anders vorstellbar und möglich.

Die zweite Schau im Sommer beschäftigt sich mit  der Fotografie von Chris Kremberg und findet im Rahmen der Reihe BILDPODIUM XIV im Renaissance-Saal statt. Die Schau verbindet das eher statische Medium Fotografie mit performativen Kunstformen, wie sie seit den 1960er Jahren von beispielsweise Joseph Beuys bekannt sind. Chris Kremberg (*1971) zeigt in der Kunsthalle ihre eigene szenografisch-fotografische Arbeit.
Seit mehreren Jahren arbeitet sie eng mit Tänzern zusammen, studiert Bewegungsabläufe, Körperhaltung, Atmung etc., um sie in choreografierte fotografische Bilder zu übersetzen. Dabei spielt der menschliche Körper als Hülle subjektiver Innerlichkeit und seine sensitive, osmotische Interaktion mit der Umwelt eine wichtige Rolle. Die formalen Spannungen zwischen Körper und Raum/ Architektur, organischer und unbelebter Dinglichkeit, Bewegung und Hemmung des Bewegungsdrangs bilden die Grundlage einer fotografischen Deutung, die das Verhältnis des Individuums zur gebauten Umwelt der großen modernen Städte als ein prekäres beschreibt.

Innerhalb der Projektreihe «Im Doppelpack» trifft Walter Bergmoser auf Ville Lenkkeri. Walter Bergmoser reagiert fotografisch auf Räume, die er bereist und auf Menschen, denen er begegnet. Subjektive Erfahrung ist ein zentrales Antriebselement seines Schaffens. Ville Lenkkeri folgt in systematisch angelegten Fotoserien den Eigenarten der menschlichen Wahrnehmung von der Welt.

Den Abschluss des Jahres bildet die Ausstellung «wie gemalt. Bildner im 21. Jahrhundert», die die Methoden des Künstlers im jetzigen Jahrtausend aufzeigt. Die enge Verbindung traditioneller Bildmedien mit dem Computer versetzt Künstler heute in die Lage, neue Bildwelten zu erzeugen, bis hin zur computergestützten Schaffung von Bildern in virtuellen Räumen. „Das Malerische ist nicht an das Medium gebunden“, schrieb Hans-Werner Schmidt im Vorwort des Katalogs zur Ausstellung „Malerei ohne Malerei“, die 2002 im Museum der Bildenden Künste Leipzig gezeigt wurde. Das Projekt „wie gemalt“ greift dieses Motiv wieder auf. Die daran beteiligten Künstlerinnen und Künstler – Stefan Fahrnländer (*1959), Christel Fetzer (*1967), Susanne Kutter (*1971), Gerhard Mantz (*1950), Laura Padgett (*1958), Christina Paetsch (*1963), Wolfgang Rüppel (*1942) – beschäftigen sich mit Aspekten des Malerischen, ohne jedoch klassische Maltechniken zu verwenden.

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns