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Ausstellungstipp: Kompass, Martin-Gropius-Bau in Berlin, bis 29. Mai 2011

Das Museum of Modern Art (MoMA) ist zu Gast in Berlin und hat die renommierte Judith-Rothschild-Sammlung mitgebracht. Zu sehen ist ein bunter Mix aus der Kunst der letzten 50 Jahre: Unter den Werken von renommierten Künstlern wie Beuys, Koons und Polke finden sich auch Arbeiten junger KünstlerInnen. Die Ausstellung macht mit rund 240 Werken die Tendenzen der Gegenwartskunst sichtbar und verdeutlicht besonders eines: langweilig, wird es in der Kunst nie. Eine Empfehlung der Redaktion.

Der Ausstellungstitel »Kompass« ist im Englischen ein doppeldeutiger Begriff. Er verweist auf das Navigationsgerät und beschreibt den Zirkel als Zeichengerät. Der Ausstellungstitel weist einerseits auf die geografische Reichweite der Sammlung hin mit Fokus auf die internationalen Kunstzentren (New York, Los Angeles, Berlin, London, und das Rheinland der 60er bis 80er Jahre) und andererseits auf den konkreten Akt des Zeichnens und somit auf die formale und materialbezogene Spannbreite der versammelten Arbeiten.

Die Sammlung spiegelt zwei Entwicklungstendenzen wider: Die gegenständlichen Darstellungsformen und die abstrakten, minimalen und konzeptuellen Ansätze in einer Zeitspanne von den 1950er Jahren bis zur Vollendung der Sammlung 2005. Bestandteil der Sammlung sind Arbeiten vieler großer Künstler des Zwanzigsten Jahrhunderts, darunter Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Donald Judd, Agnes Martin, Edward Ruscha, Lee Bontecou, Martin Kippenberger, Sherrie Levine und Paul McCarthy, einer Reihe bekannter zeitgenössischer Künstler wie Kai Althoff, John Currin, Arturo Herrera, Lucy McKenzie und Paulina Olowska, sowie neu in die Sammlung des Museums aufgenommene Künstler wie Christian Holstad, Nick Mauss, Seb Patane und Amelie von Wulffen. Sie sind alle in dieser Ausstellung mit eigenen Arbeiten vertreten.

Besonders die jüngsten Objekte vermitteln neue Ansätze in der Zeichnung. Sie benutzen Papier nicht bloß als Untergrund, sondern als Material und Quelle und lassen daraus neue Konfigurationen entstehen. Collage- und Assemblage-Techniken nehmen zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine besonders wichtige Rolle in der Produktion ein. So sind die materiellen Experimente von Appropriation, Collage und Montage von besonderem thematischem Interesse. Sie reichen von diskreten Gesten wie der Einbettung von selektiven Fundstücken in einen neuen Kunstkontext (und die bereits seit der kubistischen Collage und der Assemblage im Dadaismus geläufig sind) bis zur vollständigen Wiederaneignung bereits bestehender Motive, die in einen neuen Bildkreislauf eingefügt werden – ein Prozess, der mit Marcel Duchamp’s Ready-mades der 1910er Jahre beginnt, aber im Zeitalter des Internet eine völlig neue Dynamik entfaltet.

Dabei werden beliebte Quellen und weit verbreitete Materialien wie Modemagazine und Pressebilder einbezogen, was darauf hinweist, dass man dem Zusammenhang zwischen den Mitteln der technischen Reproduktion und der Autonomie der Bilder nicht mehr kritisch gegenübersteht, sondern einfach nur aufzeigt, wie Bilder in der heutigen Realität produziert und konsumiert werden. Diese Arbeiten sind keine Abkehr von bisherigen Konzepten und Anliegen des Mediums Zeichnung. Sie müssen vielmehr als aktualisierte Anwendung zahlreicher bisheriger Techniken und Themen und als Ausweitung des Mediums angesichts veränderter Medienbedingungen verstanden werden.
Zugleich wird der Begriff des Zeichnens radikal erweitert: Als Mittel der Zeichensetzung wie bei materiellen Experimenten oder als Prozess des Zeichnens; als Medium der »Ideenbildung« oder als ‚vollendete‘ Zeichnung oder auch als umfassendes Konzept, das die Welt, in der wir leben, unmittelbar darzustellen vermag.

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