Ausstellungsbesprechungen

B.A.R.O.C.K. – Künstlerische Interventionen in Schloss Caputh, bis 31. Oktober

In der Nähe von Potsdam wird das Zusammenspiel zwischen barocken und zeitgenössischen Kunstwerken neu thematisiert. Günter Baumann hat sich für Portal Kunstgeschichte zwischen diese beiden Welten begeben.

 Wer aus dem Berliner Schmelztiegel der Kultur in die Beschaulichkeit der Havellandschaft kommt, fühlt sich wie in eine andere Zeit versetzt. In Caputh nahe Potsdam denkt man unweigerlich an die Kulturlandschaft am niederländischen Fluss Vecht, wo einst die Reichen von Amsterdam ihre Sommervillen erbauten, um dem Großstadtleben zu entfliehen. Kein Wunder, dass sich die Niederländer hier ansiedelten und ihre – nicht zuletzt hoheitlichen – Spuren hinterließen. So findet sich etwa in Caputh ein barockes Jagd– und Lustschloss, welches Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und seine Gemahlin Dorothea zu einem kunsthistorischen Juwel mit grandiosen Stuckaturen, Deckengemälden, Bildern aus dem 17. Jahrhundert mit oftmals niederländischer Provenienz erbauen ließen. In diesem Landhaus verkehrten etwa Friedrich III. (der spätere König Friedrich I. von Preußen) oder Friedrich August I. von Sachsen (d.i. August der Starke). Selbst Friedrich IV. von Dänemark und Friedrich Wilhelm I. erlebten hier rauschende Feste. Nach dieser pompösen Zeit sank der Stern der hochwohlgeborenen Besitzer und Besucher und auch jener des Lustschlosses. Seit 1999 ist der barocke Geist aber wieder zurückgekehrt, wenn auch nur in Form eines Schlossmuseums.

Wer dieses Kleinod noch nicht gesehen hat, sollte es schleunigst nachholen, denn bis Ende Oktober findet dort eine Ausstellung statt, die ohnehin schon mehr Besucher angelockt hat, als je eine Ausstellung in den vergangenen 20 Jahren: Rund 13.000 Menschen haben seit Mai dieses Jahres die künstlerischen Interventionen in Schloss
Caputh gesehen, die vier zeitgenössische Künstlerinnen in den historischen Gemächern und Festsälen unterbrachten: Margret Eicher, Luzia Simons, Rebecca Stevenson und Myriam Thyes haben das zauberhafte Schloss mit ihren je eigenen Bildsprachen aufs neue bzw. zusätzlich verzaubert. Drei Jahre dauerte nach den Verlautbarungen der Veranstalter die Vorbereitung für diese Ausstellung, während der sich die Künstlerinnen mit den Gegebenheiten des Ambientes auseinandersetzten. Die Zeit hat sich gelohnt, denn wer jetzt durch das Schloss schlendert, sieht sich nicht nur großen, eindrücklichen Werken gegenüber, sondern entdeckt dazwischen auch Arbeiten, die sich so organisch in die Umgebung einfügen, dass sie erst auf den zweiten Blick als zeitgenössisch erkannt werden. Der Grund liegt nicht zuletzt darin, dass das 17. Jahrhundert dem 20. und 21. Jahrhundert näher erscheint, als man angesichts des historischen Inventars denkt.

© Günter Baumann
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Da sind zum einen die Tapisserien von Margret Eicher, die sich schon wegen der altehrwürdigen Technik wunderbar in einem barocken Umfeld einfügen. Schnell erkennt man jedoch, dass die deutsche Künstlerin Anleihen bei Comics und Actionfilmen holt, um das Pathos des 17. Jahrhunderts auf Umwegen in die Gegenwart zu übertragen. Dass dabei zuweilen die Grenzen zum Kitsch überschritten werden, stört in diesem Kontext nicht, zumal die Helden und Antihelden auf den grobmaschigen Wandteppichen „holzschnittartig“ daher kommen. Das ist aber gerade der Reiz, weil die gesellschaftlichen Appelle, welche die Künstlerin vermitteln will,
umso klarer werden.

© Günter Baumann
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Die in Berlin wohnende Brasilianerin Luzia Simons geht nicht nur mit der Fotokamera zu Werke, sondern mit einem handelsüblichen Hochleistungsscanner. Blumen, die scheinbar aus einem niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts stammen, arrangiert sie auf der Glasplatte des Scanners und die Komposition so freier anlegen.Die Blüten werden – anders als die Modell–Blumen eines Fotografen – Teil des Herstellungsprozesses: der welke Zustand ist nicht fingiert, der enormen Hitze geschuldet, die beim Scannen entsteht. So werden die Pflanzen, bevorzugt Tulpen, zu Chiffren für die Schönheit der Welt und ihre Vergänglichkeit.

© Günter Baumann
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Trefflich nennt Luzia Simons ihre Arbeiten ›digitalen Barock‹. Ein Scherbenhaufen, eine Porzellan–Installation im Sommerspeisesaal Friedrich Wilhelms I., der hier unzählige Fliesen aus den Niederlanden hat anbringen lassen, macht in dem restaurierten Raum die Vergänglichkeit der Zeit zusätzlich sichtbar.

© Günter Baumann
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Die Schweizerin Myriam Thyes arbeitet medial. Mit ihren Videoprojektionen inszeniert sie verloren gegangene Deckenbilder neu, einer Reihe von römischen Kaiserporträts setzt sie eine Galerie von Filmheldinnen (u.a. Franka Potente) entgegen.
So verschieden die Welten sein mögen, die beiden Bildnis–Paraden haben dennoch Gemeinsamkeiten: es sind Rollenporträts, alten bzw. modernen Mythen nachempfunden. Denn egal ob Maler des 17. Jahrhunderts oder Filmregisseuren des 21. Jahrhunderts – Traumfabriken gab es immer, als Kopfgeburt kreativer Gemüter.

© Günter Baumann
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Die vierte Künstlerin im Bunde ist Rebecca Stevenson, die sich am intensivsten mit den Artefakten in Schloss Caputh beschäftigt hat. Mit Wachs bildet die Britin plastische Jagdstillleben nach und arrangiert perlmuttartige Muschelformen auf Barocktischchen, die sich erst bei genauem Hinschauen als surreale Capriccios der Gegenwart entpuppen. Besonders spannend sind ihre Persiflagen auf Deko–Büsten des 17. Jahrhunderts. Das Spiel mit der Exotik fremder Kulturen wird von der Künstlerin ins Gegenteil verkehrt: weiße Köpfe tragen negroiden Zügen, schwarze Bildnisse europäische.

© Günter Baumann
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Allen Bildsprachen ist die lustvolle Übersetzung barocker Strukturen in unsere Zeit eigen. Der Besucher fühlt sich gleichsam in die Vergangenheit entführt, wie er die Lebenswelt des 17. Jahrhunderts durch den Transfer ins 21. Jahrhundert zumindest zu verstehen glaubt. Wer also wirklich erfahren möchte, wie sich die sehr zeitgenössischen Bildsprachen in das historische Umfeld verweben, sollte bei seiner Fahrt oder seiner Wanderung durch die Mark Brandenburg – Theodor Fontane lässt im Jubiläumsjahr grüßen – Schloss Caputh nicht links liegen lassen.

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