Ausstellungsbesprechungen

Baden-Württemberg 60, Städtisches Kunstmuseum Singen, bis 11. März 2012

Anläasslich seines 60. Geburtstages stellte Baden-Württemberg eine Ausstellung zusammen, in der Werke von fünfzig jungen Künstlern des Bundeslandes zu sehen sind. Günter Baumann hat die entstandene Schau besucht, in der alle Gattungen, Techniken und Stile der zeitgenössischen Kunst vertreten sind.

60 Kunstwerke von rund 50 Künstlerinnen und Künstlern hat sich das Land Baden-Württemberg zum runden Geburtstag gegönnt – theoretisch für jedes Jahr eins. Insgesamt ließ es sich das 700000 Euro kosten, was ein vergleichsweise bescheidener Posten ist. Denn was den Besucher der 60-Jahrfeier erwartet, ist eine grandiose Leistungsschau junger Kunst im deutschen Südwesten. Die Voraussetzungen für die Bewerbung legten zwar einen regionalen Bezug nahe, aber unterm Strich dominiert eine kulturelle Buntheit, die durchaus programmatisch gewollt ist.

Der Hauptjuror Christoph Bauer verfolgt damit auch eine Korrektur der öffentlichen Wahrnehmung, wichtige Kunst würde nur in Berlin entstehen. Dafür drückt er freilich auch mal ein Auge zu, wenn etwa die in Riedlingen geborene Käthe Schönle auf gut schwäbisch ihre impulsiven, aber absolut strichsicheren Zeichnungen betextet (»Ihr kenndat mi ja oifach mol in Ruah lasse«) – ihren Lebensmittelpunkt hat sie (neben ihrer Heimatstadt) in Wien. Aber schließlich geht es nicht um heimische Feld-, Wald- und Wiesenkunst, sondern um einen Beitrag zur deutschen Kunst mit regionalem Einschlag. Die Neuerwerbungen sind zur Zeit auf Tournee, von Singen geht es weiter nach Schwäbisch Gmünd und schließlich nach Bad Schussenried. Die Hans-Thoma-Preisträger Fritz Schwegler (geb. 1935), Teilnehmer der legendären Documenta 5 im Jahr 1972, und Karin Sander (geb. 1957) fallen altersmäßig aus dem Rahmen, die anderen Teilnehmer der Ausstellung sind 40 Jahre oder jünger.

Charakteristikum der Schau ist die Vielfalt nach dem Motto »Anything goes«, wobei doch ein überraschendes Schwergewicht auf den klassischen Gattungen liegt, und tendenziell dürfte die figurative Kunst über die ungegenständliche dominieren – was sicher dem bundesweiten Trend entspricht. Von den konzeptionellen Abstraktionen Beatrice Adlers bis zum surrealen Expressionismus eines Waldemar Zimbelmann, vom ironischen Fotoprint Menja Stevensons bis zur hyperreal-phantastischen Feinmalerei Eckart Hahns bieten die Positionen in erster Linie höchste Qualität. Beiträgerinnen wie Aslimay Altay Göney (geb. Istanbul 1977), die Südkoreanerin Tae-Kyun Kim (geb. 1975), Xianwei Zhu aus dem chinesischen Qingdao (geb. 1971) oder der in Kasachstan begorene Waldemar Zimbelmann (geb. 1984) geben dem Projekt einen internationalen Anstrich, wiewohl sie allesamt durch ihr Studium und ihren Arbeitsort in der Region verwurzelt sind. Zhu zeigt ein fast monochromes Stillleben, das sich mit Bildchiffren mit dem Begriff des Unbehausten auseinandersetzt (»Verreist«), Kim spielt mit kubistisch verfremdeten Designobjekten und die vielfach prämierte Papierschnittkünstlerin Altay Göney mischt türkische und deutsche Elemente.

Ohne dass es ein Kriterium gewesen wäre, haben sich etliche Künstlerinnen und Künstler dazu entschlossen, baden-württembergische Themen aufzugreifen, erfreulicherweise durchaus mit einer ironischen Färbung. So verwandelte Helmut Dietz eine Kiste für Bodensee-Äpfel in einen Tischbrunnen, Linda Eberle nimmt die provinzielle Weltläufigkeit auf die Schippe (»Siz is wer a kam from«), Peter Holl blickt aus dem Fenster des Stuttgarter Hegelhauses – wobei ein zauberhaft auqrelliertes Linien-, Farb- und Formspiel entsteht –, und Axel Teichmann betreibt mit lässigem Zeichenstrich »Landespflege« mit den Umrissen und Emblemen des Landes. Mit dem Landesgrundriss spielt auch Pablo Wendel, der daraus einen Performance-Gutschein erstellt hat, sinnig überschrieben mit »Die Katze im Sack«. Doppelbödige und ernste Berührungen zum Thema suchen Mona Ardeleanu mit artifiziell verknoteten, hyperreal gemalten Trachten-Elementen (»Trächtler«), deren Funktion zunichte gemacht ist. Eine Lichtinstallation der Künstlergruppe JAK fragt mittels LED-Leuchtschlauch: »Weißt du dass die Heimat dein Tod sein kann?« Die bekannte Kinderstrichübung für in einer Linie gezeichnete Häuser gerät bei Carolin Jörg zu einer gescheiterten Heimatverortung (»Welcome home«). Gabriela Oberkofler verfremdet traditionelle Holzschnitzereien. Und die sauber getuschten biografischen Porträts von Katrin Ströbel entpuppen sich als Reminiszenzen an Sophie Scholl und Gudrun Ensslin – Widerstand und Terror, so die Erkenntnis, haben dieselben Wurzeln.

Wichtige Einzelpositionen, die wiederum frei in der Thematik sind, vermitteln noch deutlicher den hohen Anspruch an die Ausstellung: Tanja Maria Ernst präsentiert ein phantasmagorisch-bedrohliches Landschaftsbild, in dem Achterbahn und Zugentgleisung in eins gehen (»Der Minutenschlaf der Hummel«) – eine der besten Arbeiten in Singen. Von Friedemann Flöther sind Tierpräparate und Fotoobjekte zu sehen. Dazu kommen beachtliche abstrakte Arbeiten von Marcel Frey, Astri Schindler u. a. m. Weitere Namen sind: Jörg Baier, Daniel Beerstecher, Stefanie Gerhardt, Simone Häfele, Myriam Holme, Nelly Knatz, Andreas Körner, Schirin Kretschmann, Richard Lempart, Renate Liebel, Jan Löchte, Christl Mudrak, Patricia Neligan, Kerstin Schaefer, Eva Schmeckenbecher, Christian Schmuck, Marco Schuler, Saskia Schultz, Thomas Straub, Manuela Tirler, Michaela Tröscher, Daniel Wogenstein, Daniela Wolf. Einen guten Überblick vermittelt der zur Ausstellung erschienene Bildband.

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