Buchrezensionen

Belting, H. / Dilly, H. / Kemp, W. / Sauerländer, W. / Warnke, M. (Hrsg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung, 7. Auflage, Reimer Verlag, Berlin 2008.

Diese Einführung in die Kunstgeschichte ist eine der dieser Art. In über zwanzig Jahren hat sich das Buch zu einem der wichtigsten Einführungswerke entwickelt und ist, so der Einband, zum »Standardwerk für Studierende und Lehrende der Kunstgeschichte« geworden.

Die Einführung will, wie Heinrich Dilly im Vorwort deutlich macht, »Grundinformationen über das Fachgebiet Kunstgeschichte« (S. 9) bieten und wendet sich nicht nur an StudentInnen, sondern an alle Interessierte.

Angelegt als Sammelband umfasst die Einführung mittlerweile 17 Beiträge von renommierten Kunstwissenschaftlern. Für die neue Auflage wurden alle Texte individuell überarbeitet, zum Teil »einzelne Passagen verbessert und die Literaturhinweise aktualisiert« (S. 19) Dadurch fällt die Aktualisierung der Literaturangaben allerdings auch unterschiedlich gründlich aus.

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Es ist die erste Aktualisierung des Bandes seit 2003: In der sechsten Auflage wurde die Einführung grundlegend überarbeitet und um drei zusätzliche Beiträge erweitert (Karl Clausberg: Neuronale Bildwissenschaften, Horst Bredekamp: Bildmedien, László Beke: Postmoderne Phänomene und New Art History), der Beitrag über Geschlechterforschung wurde von Barbara Paul neu verfasst. Zwei Beiträge dagegen, die noch in der dritten Auflage dabei waren, wurden herausgenommen (Rolf Duroy + Günter Kerner: Kunst als Zeichen: die semiotisch-sigmatische Methode, Hartmut Kraft: Dykaden zu dritt: Der (analytisch-)kunstpsychologische Ansatz). Die aktuelle Kunstgeschichte. Eine Einführung ist mittlerweile auf über 400 Seiten angewachsen. Gegenüber der sechsten Auflage von 2003 sind noch einmal sechs Seiten hinzugekommen: Ergänzt wurde insbesondere Barbara Pauls Beitrag »Kunstgeschichte, Feminismus und Gender Studies« um einen Nachtrag zu den »Perspektiven 2007«.

Bereits der Blick auf die Änderungen in der Auswahl der Textbeiträge machen den Sammelband interessant, da die Herausgeber auf aktuelle Veränderungen reagieren und so über den mittlerweile über zwanzig Jahre langen Zeitraum hinweg Entwicklungen und Strömungen in der Kunstgeschichtsforschung deutlich machen.

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Der Sammelband ist in die drei großen Themenbereiche »Gegenstandsbestimmung« (1 Beitrag), »Gegenstandssicherung« (4 Beiträge) und »Gegenstandsdeutung« (12 Beiträge) gegliedert. Die Texte sind meist gut lesbar geschrieben – natürlich ist die Einführung kein Roman, aber doch informativ und kurzweilig zu lesen für alle, die sich für das Thema Kunstgeschichte interessieren. Die Autoren verstehen es, ihre Ausführungen mit Beispielen zu illustrieren – diese sind teilweise allgemein gehalten und werden punktuell herangezogen, teilweise werden ganze Themenbereiche mit Hilfe ausgewählter Exempel ausführlich behandelt – und bieten meist einen über das eigentliche Themengebiet hinausgehenden Überblick über die Kunstgeschichte.

Immer wieder aufschlussreich zu lesen, auch für fortgeschrittene Studenten und Kunsthistoriker, ist Dillys Einleitung in diesen Band, in welcher der Autor einen Abriss über die Geschichte der Kunstgeschichte darlegt und so auch für den erfahrenen Leser immer wieder eine konzentrierte Standortbestimmung ermöglicht. Ähnliches gilt auch für Warnkes Ausführungen zu den »Gegenstandsbereichen der Kunstgeschichte«, die den eigentlichen Auftakt in den Sammelband bilden. Warnke stellt die vier wichtigsten Kunstgattungen Architektur, Malerei, Skulptur und Kunstgewerbe und ihre Funktionsweisen (profan/sakral, öffentlich/privat) vor und bietet ganz auch eine Übersicht über historische und soziale Entwicklungen der Kunstschaffenden und -rezipienten. Dabei gibt er dem Leser einen Vorgeschmack auf die vielfältigen Möglichkeiten, die die Beschäftigung mit der Kunst bietet  und nennt darüber hinaus auch das ein oder andere überraschende Detail aus dem (Kunst-)Alltag.

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Warnke nimmt auch – als einer der wenigen Autoren neben Dilly – Bezug zur tatsächlichen Situation der Studierenden, indem er Anmerkungen zur Gestaltung und thematischen Spezialisierung während des Studiums bzw. zum Arbeitsleben eines Kunsthistorikers macht. Diese sind freilich sehr knapp gehalten. Konkrete Hinweise zu den beruflichen Möglichkeiten nach dem Studium der Kunstgeschichte, wie sie sich die meisten Studenten heute wünschen, sind weder von Warnkes Text noch vom Sammelband überhaupt zu erwarten (was freilich auch nicht die Intention der Einführung war).

Im zweiten Teil mit dem etwas undeutlichen Titel »Gegenstandssicherung« befassen sich vier Beiträge mit der Gegenstandssicherung allgemein (Sauerländer) sowie mit der Sicherung von Skulptur (Schießl), Architektur (von Winterfeld) und der Alters-, Orts- und Individualsicherung (Sauerländer). »Sicherung« bedeutet hier, so Sauerländer, die »Rekonstruktion der historischen Identität eines zunächst nicht näher bestimmten Kunstwerks aus vergangener Zeit mit den Mitteln der Wissenschaft« (S. 51f.). Gemeint ist die materielle Bestimmung und Einordnung eines Kunstwerks etwa nach Maßen, Werkstoffen und Herstellungstechnik, oft auch mit Unterstützung anderer Wissenschaften wie Heraldik oder Geologie. Diese Bereiche der Kunstgeschichte haben vor allem mit Kennerschaft zu tun, die in der akademischen Disziplin oft vernachlässigt wird, wie Sauerländer deutlich zu machen versteht.

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Der dritte und mit 12 Beiträgen umfangreichste Teil »Gegenstandsdeutung« ist auch der spannendste und der Bereich, der sich am meisten verändert. Neben den mittlerweile schon »klassisch« gewordenen Texten, die verschiedene Methoden und Herangehensweisen zur Deutung von Kunstwerken vorstellen und zum grundlegenden Handwerkszeug der Kunstgeschichtsforschung gehören (formanalytische und formgeschichtliche Methoden, ikonografisch-ikonologische Methode, kunstgeschichtliche Hermeneutik, Werk im Kontext, rezeptionsästhetischer Ansatz und sozialgeschichtlicher Ansatz), bilden die bereits genannten neuen Textbeiträge von 2003 den – sicher vorläufigen – Abschluss des Bandes.

Klar ist, dass es sich bei den vorgestellten Ansätzen und Verfahren nicht um »das Schema eines verbindlichen Kanons, den jeder befolgen müsste« (S. 155), handelt. Geboten werden keine absoluten Methoden, sondern – v. a. mit den jüngeren, meist verstärkt auch interdisziplinär angelegten Ansätzen – Deutungsvorschläge, deren »Grad der Bewährung […] in den einzelnen Verfahren ebenso verschieden [ist] wie die Reichweite der Anwendung« (S. 156).

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Gerade daher wird es auch weiterhin spannend bleiben zu beobachten, wie sich ein so bewährter Band wie die Kunstgeschichte. Eine Einführung in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird, welche Tendenzen aufgenommen werden, welche auch wieder gestrichen werden. Vorstellbar wäre vielleicht eine Auseinandersetzung und eventuell Abgrenzung der Kunstgeschichte zur Museologie, einer (eigentlich nicht ganz so jungen) Disziplin, die derzeit auch an deutschen Universitäten populärer wird, oder auch eine Annäherung an die Kunstkritik, die eine wichtige Rolle bei der Urteilsbildung zur zeitgenössischen Kunst gespielt hat und nach wie vor spielt, auch wenn sie schon mehrfach für tot erklärt wurde.

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