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Bericht zur Fachtagung: Kunst der Vermittlung – Vermittlung der Kunst. Plattform Museen

Das allgemeine, längst überholte Bild eines Museums, in dem man mit ruhigen gemessenen Schritten die Kunstwerke betrachtet und wo lärmende Kinder nur stören, fachte eine Diskussion um das zeitgemäße Museum an. So beschäftigte sich die Fachtagung der Stiftung Genshagen und des Bundesverbandes der deutschen Kinder- und Jugendmuseen vom 13. bis 15. Oktober 2010 damit, wie das Museum heute aussehen und funktionieren kann. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Kunstvermittlung. Lesen Sie dazu den interessanten Tagungsbericht.

Wer im Museum „Monster“ schreit und dabei auf eine Statue zeigt, die ein Bildungsbürger als künstlerisch wertvoll erkennt, wird rausgeschmissen. Wahrscheinlich nicht nur, wenn er in ein britisches Museum geht und Kind ist. Aber dann auf jeden Fall. So passierte es einer Journalistin, die zusammen mit ihrem Kind im Museum war und die Begebenheit mit einer Mischung aus Wut und Erstaunen in der Londoner Zeitung „Guardian“ beschrieb. Dort las sie Graham Black und war ebenso wütend. Denn Black, britischer Museumsberater und Dozent für „Public History and Heritage Management“ an der Nottingham Trent University, England, wirbt für ein Museum, in dem nicht nur das Fotografieren erlaubt ist, sondern das seine Besucher als eine „Gemeinschaft von Nutzern“ begreift, familienfreundlich ist und sein Ziel darin sieht, „ein Ort im Herzen der Gemeinschaft zu werden“.

Graham Blacks Geschichte vom störenden Kind im Museum, die in Abwandlungen jeder kennt, der mit Museumsarbeit zu tun hat oder schon einmal mit Kindern im Museum war, berichtete der Brite auf der Tagung zur „Kunst der Vermittlung – Vermittlung der Kunst. Plattform Museum“, die Mitte Oktober in Genshagen bei Berlin stattfand. Eingeladen hatte die „Stiftung Genshagen, Berlin-Brandenburgisches Institut für Deutsch-Französische Zusammenarbeit in Europa“, die ihre Hauptaufgaben in der Kunst- und Kulturvermittlung sowie im „Europäischen Dialog“ zwischen Politik und Zivilgesellschaft sieht.

Was Graham Black so schön wie allgemein formulierte, hat in der täglichen Arbeit der 90 teilnehmenden Kunstvermittler aus Polen und Frankreich, Kroatien, Großbritannien, Israel, der Türkei, Italien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Irland und Deutschland, die sich im Schloss Genshagen trafen, allerdings eine sehr unterschiedliche Bedeutung.

Denn auch wenn Dr. Maren Ziese, die die Tagung für die Stiftung Genshagen organisiert hat, feststellte: „Die Zeiten, in denen Museumspädagogik mit Kleben und Basteln gleichgesetzt wurde, sind vorbei“, müssen doch viele Museumspädagogen noch immer um feste Stellen und die selbstverständliche Anerkennung ihrer Arbeit kämpfen – nicht nur in Deutschland.

Ihre Stellung im Museum wird meist nicht mit der der Kuratoren gleichgesetzt. Sie werden häufig erst spät, wenn überhaupt, in die Ausstellungsvorbereitungen einbezogen und manche fühlen sich gar als Trabanten, die geduldet und wenig anerkannt sind.

Politik erkennt nachhaltigen Wert der Vermittlungsarbeit
Die Zeiten des trostlosen Meckerns sind trotzdem vorbei. Denn auch wenn noch nicht jeder Museumsdirektor und Ausstellungskurator verstanden hat, dass sich die Strukturen im Museum verändern und das Museum ohne Vermittlung für Kinder und Jugendliche, ohne besucherfreundliche Ausstellungen, Publikationen und Begleitveranstaltungen ohne Zukunft ist, die Politik hat es. Kulturstaatsminister Bernd Neumann ist das Thema so wichtig, dass er die Tagung in Genshagen mit finanzierte. Denn in der Politik weiß man: „Die Wissensgesellschaft fordert das kreative Kind und das lebenslange Lernen.“

Mit der Wertschätzung der Vermittlungsarbeit in Museen durch die Politik sind neue Forderungen entstanden. Die Forderung nach Gleichberechtigung von Ausstellungsmachern und Kunstpädagogen ist nur eine. Die nach einem Museum, das sich der rasanten digitalen Entwicklung nicht verschließt, eine andere. Doch erst wenn beispielsweise die Workshoparbeiten einer Gruppe Jugendlicher ganz selbstverständlich im Newsletter eines Museums neben der aktuellen Impressionistenausstellung und dem Interview mit einem Sponsoren abgedruckt werden, ist die Vermittlung da angekommen, wo sie hingehört: Mitten im Museum. Das allerdings, so zeigte die Tagung in Genshagen auch, ist eher die Ausnahme.

Deshalb klingt der Satz „Die Kunstvermittlung ist in der Mitte des Museums angekommen“ noch immer wie eine Mischung aus Beschwörungsformel und Wunsch. Geht es nach den Kunstvermittlern und der Bundespolitik, so wird aus der Beschwörung demnächst mehr als „nur“ ein Erfahrungsaustausch. „Die Kulturpolitiker wenden sich der kulturellen Bildung verstärkt zu – in vielen Gesprächen beim Kulturstaatsminister spielt sie eine hervorgehobene Rolle“, berichtete Dr. Sebastian Saad, Referent bei Kulturstaatsminister Bernd Neumann.

Jane Sillis kann da nicht so optimistisch sein. Die Kunstvermittlerin aus England ist seit 2005 Direktorin einer nationalen Vereinigung zur Bildung von Kunstvermittlern – „engage“ genannt. Sie fürchtet, dass die drastischen Kürzungen im englischen Haushalt auch ihre Arbeit einschränken werden.

Begeisterung, Bildung, Bindung: Die 50- bis 100-Jährigen kommen immer
Ein wenig erinnert der Kampf um die Anerkennung der kunstpädagogischen Arbeit an die Zeit vor etwa 15 Jahren, als die Museen langsam begriffen, dass sie in Öffentlichkeitsarbeit und Marketing investieren müssen, damit sie neben anderen Freizeitangeboten, die durch clevere Werbung immer neue Besuchergruppen für sich interessierten, bestehen konnten. Weil sie das verstanden haben, können sie heute sagen: die 50- bis 100-Jährigen kommen immer. Nun müssen die Jugendlichen umworben werden, wobei es nicht nur um freien Eintritt und klassische Werbung geht, sondern um Begeisterung, Bildung, Bindung. Doch nicht nur bei der Bindung wird es schwierig. Meist haben die Vermittler nur eine einzige
Chance, Jugendliche fürs Museum zu begeistern. Kommen sie mit ihrer Schulklasse, verstehen sie den Museumsbesuch oft nur als weiteren Unterrichtsstoff und nicht als Möglichkeit für neue Erfahrungen. Deshalb gehen viele Vermittler in die Schulen und lassen die Jugendlichen nicht nur selbst künstlerisch aktiv werden, sondern auch entscheiden, mit welchen Medien sie arbeiten. So sind Jugendliche nicht Wissensempfänger sondern Akteure, und aus einem fremden Ort mit unantastbarer Kunst wird ein Ideenpool für die eigene künstlerische Arbeit. Begeisterung und Wissensvermittlung inklusive.

Das mit dem Wiederkommen und der Begeisterung fürs Museum hat Heike Kropff im vergangenen Sommer genial gelöst. Die Kuratorin für Bildung und Vermittlung am Museum Folkwang in Essen organisierte während der sechswöchigen Sommerferien ein so genanntes Rockbüro, zu dem sie Jugendbands, deren Fans und Berater einlud. Die kamen, spielten ihre Musik, gestalteten Plattencover und ein temporäres Atelier – einen Container, trafen Künstler zur gemeinsamen Arbeit und setzten sich auch mit der gleichzeitig im Museum gezeigten Foto-Ausstellung „A Star is born. Fotografie und Rock seit Elvis“ auseinander. Bei Ute Marxreiter, Leiterin der Kunstvermittlung in den Münchner Pinakotheken und im Museum Brandhorst, können sich Jugendliche schon mal in Papier eingewickelt im Museum als lebende Skulpturen präsentieren.

Projekte zum Neidisch-Werden, fanden dann auch einige Kollegen, die an diesem der insgesamt vier angebotenen Workshops zu den Herausforderungen der Zielgruppendefinition am Beispiel Jugendlicher teilnahmen. Denn allein durch den Titel „Kuratorin für Bildung und Vermittlung“ ist die Position von Heike Kropff als gleichberechtigt und wichtig in ihrem Museum eingestuft. Ein Ziel, das noch längst nicht alle Kunstpädagogen erreicht haben. Bis es soweit ist, stört Jugendarbeit im Museum oft noch – auch das kennen Kunstpädagogen, die von anderen Besuchern gern einmal wegen des Lärms im Museum beschimpft werden. Doch die Zeiten, in denen sich Museumspädagogen ins Hinterzimmerchen zwei Treppen tiefer irgendwo neben dem Technikraum und den Putzmaterialien verziehen, sind endgültig vorbei.

Vielmehr forderten sie auf der Genshagener Tagung, dass die Vermittlung nicht nur mehr gewürdigt und besser finanziert werde, sondern auch zentrale Räume im Museum zur Verfügung stehen sollten. All das müsse im so genannten Leitbild eines Museums festgeschrieben sein. Über solche Leitbilder, über die Bedeutung der Kunstvermittlung und über die interkulturelle Museumsarbeit soll nach dem Willen der Museumsexperten mehr und öfter diskutiert werden. Die Stiftung Genshagen wird – das stand bereits während des diesjährigen Treffens fest – sich auch in den kommenden Jahren mit diesem Thema
befassen.

Dem regelmäßigen Museumsbesucher mag so viel Aufwand für die Vermittlungsarbeit übertrieben scheinen, doch Graham Black machte in seinem Vortrag zu den Herausforderungen und Perspektiven der Kunst- und Kulturvermittlung des 21. Jahrhunderts noch auf einen anderen grundlegenden Wandel aufmerksam: Die Gestaltung der Freizeit. „Die Computernutzung ist in den vergangenen Jahren um 32 Prozent gestiegen, die Fernsehnutzung um neun, so dass immer weniger Menschen ihre Wohnungen in der Freizeit verlassen,“ sagte Black.

Die Institution muss das Geld besorgen, nicht die Bildungsabteilung
Am Eintrittspreis liegt es nicht, dass viele nicht ins Museum gehen, das haben auch französische Museumsleute festgestellt. Vielmehr entscheiden Bildungsstand und sozialer Hintergrund als erstes über den Museumsbesuch. Erst an dritter Stelle kommt die Frage nach der Bezahlbarkeit. Zwar hat Österreich gute Erfahrungen mit dem freien Eintritt für Jugendliche bis 19 Jahre in seine Bundesmuseen, wie Eva Kolm von KulturKontakt Austria erklärte, doch vor allem zwei neue, vom Staat finanzierte Programme in Schulen und Berufsschulen sollen jugendliche Noch-Nicht-Museumsbesucher einladen. Die Erfahrungen mit diesen speziellen Programmen werden gesammelt und ausgewertet. Bereits jetzt ist absehbar, dass diese Form von Zusammenarbeit stabile Ansprechpartner in den Kulturinstitutionen wie in den Schulen braucht, um die Partnerschaften dauerhaft zu implementieren. Da Museumspädagogen in Österreich in der Mehrheit prekäre Dienstverhältnisse haben, ist es umso dringender, dass die Museumsdirektionen sich für die Vermittlungsarbeit und ihre Finanzierung verantwortlich fühlen: „Die Institution muss das Geld besorgen, nicht die Bildungsabteilung.“ Für deutsche Kunstvermittler stellt sich da allerdings die Frage, inwieweit diese Praxis die Arbeit beeinflusst oder gar lenkt und ob bestimmte Fördermittel nicht auch bestimmte Zielgruppen „erzeugen“. So kann und darf zum Beispiel ein Projekt, das von einer
Zigarettenfirma finanziert wird, nicht für Kinder angeboten werden.

Während die Tagung in Genshagen einen internationalen, vielschichtigen und sehr persönlichen Eindruck von der „Kunst der Vermittlung“ gab, wird es ab 14. Dezember unter www.museumbildet.de einen repräsentativen deutschlandweiten Einblick in diese überlebenswichtige Museums-Vermittlungs-Arbeit geben. Denn der Deutsche Museumsbund hat unter allen seinen 6.100 Museen in Deutschland nach Problemen und Programmen, Finanzierungen und Zielen gefragt. Immerhin 1.219 Museen haben geantwortet, so dass, nach Einschätzung von Vera Neukirchen, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes, ein „repräsentativer Einblick in alle Sparten und Bundesländer“ entstehen
wird. Dann können Museen von Ideen und Projekten anderer Museen lernen, Politiker mit einer aktuellen Statistik von der Bedeutung der Vermittlungsarbeit überzeugt werden, Kollegen sich bei Kollegen Rat holen.

Vielleicht ist es auch nicht mehr ganz so weit zur ersten Museumsdirektorin/zum ersten Museumsdirektor, die als Kunstvermittler ihre Karriere im Museum begannen.

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