Meldungen zum Kunstgeschehen

Berlin Documentary Forum 1 vom 2. bis 6. Juni 2010 in Berlin

Dokumentarisches Arbeiten heißt, die Verfahren der Bilderzeugung zu hinterfragen. Zum ersten Mal untersucht ein internationales Treffen Dokumentarpraktiken quer durch alle Disziplinen. Das BERLIN DOCUMENTARY FORUM zeigt, wie das Dokumentarische in den Bildenden Künsten, in Performance, Literatur und Film an Bedeutung gewinnt.

Die erste Ausgabe des künftig zweijährlich stattfindenden Treffens am Haus der Kulturen der Welt kreist an fünf Tagen um thematische Schwerpunkte, konzipiert von einer Gruppe internationaler Filmemacher, Kuratoren, Künstler und Theoretiker. In Film, Foto, Installation, Performances, Lesungen und Konversationen wird einerseits die Entwicklung des Dokuments als künstlerisches Medium thematisiert wie der Stand der Dinge im aktuellen Diskurs herausgearbeitet und konkretisiert. Zentral ist dabei eine kritische Neubewertung historischer Prozesse im Licht zeitgenössischer Entwicklungen. Zur Diskussion steht auch die Rolle, die dokumentarische Repräsentationsstrategien heute in der Politik einnehmen.

Wo die Unterschiede zwischen Realität und Fiktion, zwischen Artefakt und Dokument zunehmend ins Wanken geraten, versteht das Forum Dokumentation nicht als Abbildung der Realität, sondern als Erschließung der Wirklichkeit durch Bilder und Erzählungen. Dabei sucht es nach neuen Formen der Reflexion und Medienkompetenz in einer Welt, in der Realität nicht statisch ist, sondern ein komplexer Wirkungszusammenhang.

Der Dokumentarfilmregisseur Eyal Sivan wird in seiner Reihe \"Documentary Moments\" über einen längeren Zeitraum Begegnungen mit und zwischen Protagonisten des Dokumentarfilms verfolgen und diese mit Aspekten und Schlüsselmomenten der Historie in Verbindung bringen. Die erste Film- und Gesprächsreihe \"Documentary Moments: Renaissance\" ist eine Hommage an jene Generation von Filmemachern, die in der Nachkriegszeit entscheidend an der Wiedergeburt des Dokumentarfilms beteiligt waren, wie Marcel Ophuls, Frederick Wiseman, Edgar Morin oder Alain Resnais.
Mit \"Rules of Evidence\" präsentiert der Kurator Okwui Enwezor ein interdisziplinäres Programm, dass die Zeugenschaft in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt als grundlegenden Begriff für die Verbreitung und Rezeption dokumentarischer Formen in der Öffentlichkeit. Jenseits eines einfachen Verständnisses des Dokumentarischen als Abbildung von Wirklichkeit geht es in seinem Programm darum, sich dem Fakten- und Wahrheitsregime zu entziehen. Sein Projekt umfasst drei Teile: Lesungen dreier Bücher an der Schnittstelle zwischen Geschichte und Fiktion, in einer eigens hierfür konzipierten Installation von Juan Maidagan & Dolores Zinny, die wiederum von Tony Cokes kommentiert wird. Der dritte Teil des Projektes entsteht in Kooperation mit einer deutschen Tageszeitung und wird im Juni während des BERLIN DOCUMENTARY FORUMS erscheinen.

Der \"Möglichkeitsraum\" der Video-Künstlerin Angela Melitopoulos ist ein als Bühne installiertes, temporäres Postproduktions-Studio. In drei Veranstaltungen diskutieren Kuratoren/Archivare ihre Arbeit an spezifischen Filmen und Video-Archiven unter Einbeziehung ihrer Materialien. Jede Veranstaltung wird so zu einer performativen Live-Montage, die die Geschichte des filmischen Bildes sowie Lücken und Auslassungen in Geschichtsbildern und die Konstruktion von Erinnerungsräumen befragt. Mit Brian Holmes, Bettina Knaup und Stefanie Schulte Strathaus.

Der Filmkurator Eduardo Thomas stellt eine Auswahl aktueller experimenteller Dokumentarfilme vor – alle als Deutschlandpremiere. Gezeigt werden Arbeiten, die kürzlich in Südamerika, Asien und im Nahen Osten gedreht wurden. In den Diskussionen mit den Filmemachern, die die Screenings begleiten, kommen Ideen wie \"Autorenschaft\", \"Autorität\" und \"Authentizität\", die den dokumentarischen Diskurs früher maßgeblich bestimmt haben, zur Diskussion. Zudem werden neue Formen und Gegenstrategien mit den Filmemachern Uruphong Raksasad, João Moreira Salles, Ben Russell und anderen diskutiert.

Florian Schneider arbeitet an einer langfristig angelegten Recherche zu politischen Dokumentarfilmen, die für das westdeutsche Fernsehen produziert wurden. Die 60er bis 80er Jahre des 20. Jahrhunderts gelten als Hochzeit dieses speziellen Genres, das bis heute eine Ausnahmestellung in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens einnimmt. Als ersten in seiner Reihe stellt er ausgewählte Filme von Michael Mrakitsch vor, der als einer der eigenwilligsten und anspruchsvollsten Protagonisten aus der Zeit gilt \"Mrakitsch – das ist der Triumph des Dokumentarischen über die Fiktion\", so die ZEIT. Mraktisch, 1934 in Nürnberg geboren, lebte seit 1945 in der Schweiz, wo er im März diesen Jahres starb. Er war seit Mitte der 70er Jahre Dozent an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München und prägte eine ganze Generation Dokumentarfilmer.

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