Ausstellungsbesprechungen

Bernd, Hilla and the Others. Photography from Dusseldorf, Huis Marseille - Museum for Photography, Amsterdam, bis 3. Juni 2018

Fotografien ganz unterschiedlicher Fotografen sind in diesen Tagen in Amsterdam zu entdecken. Das einende Moment: alle ausgestellten Künstler studierten bei Bernd und Hilla Becher. Ihre Ästhetik indes ist ganz und gar unterschiedlich, sodass die Schau ein breites Panorama an Fotografien bietet. Anja Schürmann ist durch die prächtigen Räume des Huis Marseille gegangen.

Manchmal stolpert man in die Räume. Das Huis Marseille ist einer jener Patrizierbauten in der Amsterdamer Keizersgracht, die mehr lang als breit sind, erbaut im Reichtum des 17. Jahrhunderts. Schmale Treppen, viele Zugänge, mehrere Stockwerke, bestuckt und bemalt mit Fresken von Jacob de Wit. Die Fenster mussten ausgehoben werden für die Großformate von Gursky, Struth und Ruff, so erzählt die Direktorin Nanda van den Berg, und dennoch gibt es Formate, die allein aufgrund der Größe nicht gezeigt werden konnten. Hier ist die Sammlung der Düsseldorfer Schule ausgestellt, die das Haus beherbergt, ergänzt um Leihgaben aus Museen, Galerien, privaten Sammlungsbeständen und der Künstler selber, die alle irgendwas mit der Düsseldorfer Kunstakademie und ihren Fotoklassen zu tun hatten.

Rezeptionsgeschichtlich interessant ist die Tatsache, dass Bernd und Hilla Becher zunächst durch ihre Schüler in großem Maßstab angekauft und ausgestellt wurden. Erst als man begann, Gursky, Ruff und Struth populär zu machen, war auf einmal ihre Herkunft interessant. Saskia Asser beschreibt diese kanonische, immer noch nach Genealogien fragende Marktlogik in ihrem Katalogbeitrag, wohlgemerkt, dass auch die Ausstellung darauf rekurriert.

Denn bei so einem Titel sucht man fast automatisch nach Hinterlassenschaften, Dingen, die Bernd und Hilla Becher den Anderen mitgegeben haben könnten. Und man findet sie: kristalline Skulpturen von Claudia Fährenkemper, diffuse Lichtverhältnisse bei Laurenz Berges, typologische Ansätze bei Boris Becker und Tata Ronkholz oder das immer komplizierte Verhältnis von Kultur und Natur bei Simone Nieweg und Christof Klute.

18 künstlerische Positionen versammelt die Ausstellung, 18-mal stellt man sich die Frage nach Wirkung und Funktion des fotografischen Bildes. Wenn man mal Düsseldorf als Ausbildungsort beiseitelässt, scheint es auf der Objektebene kaum Ähnlichkeiten zwischen den Avataren von Louisa Clement und den sepiafarbenden Flusslandschaften von Elger Esser zu geben. Doch jenseits des Objektes, des Abgebildeten, erahnt man bei jedem der Fotografen einen Zweifel, eine Vertrauensfrage, die er der fotografischen Oberfläche überantwortet.

Und an den Betrachter weitergibt: Betrachten lässt sich alles in diesen Räumen, aber reicht der Blick, um zu verstehen? Die Frage nach der Unzulänglichkeit und gleichzeitigen Inbesitznahme des Blicks stellen sowohl Anna Vogel als auch Claudia Fährenkemper. Ihre Serie »Armor« zeigt uns Hüllen: prächtige Rüstungen in silbrigen Grauschattierungen, deren Oberflächen reich ornamentiert sind und die Fährenkemper in klassischen Porträtanschnitten wiedergibt. Das Unheimliche dieser Serie liegt in der scheinbaren Anwesenheit des Trägers: Nicht nur die Rüstungen sind maßgefertigt und höchst individuell, die Visiere blicken dich an, zumal die Brustporträts leicht von unten aufgenommen wurden.

Und doch sind sie leer, ebenso leer wie das Zentrum in Anna Vogels Serie »Ignifer«, wo sie das zentrale Objekt aus dem – gefundenen – Foto retuschiert hat. Was bleibt, sind Spuren. Und eine Leerstelle, die der Betrachter nun selbst ergänzen muss. Hier ist die Arbeit am Bild entscheidend: sowohl von Vogel, die ihre Werke penibel analog wie digital bearbeitet, als auch vom Betrachter, dessen schneller Bildkonsum in ihren Serien retardiert wird.

Kuratorisch bemerkenswert ist die Integration in den Raum: Nie konnten Simone Niewegs Naturaufnahmen verspielter, leuchtender und mäandernder wahrgenommen werden als in dem rotgetäfelten Barocksaal, in dem ihre Arbeiten sich mit Leichtigkeit ebenso behaupten können wie die philosophischen Spaziergänge von Christof Klute, denen im Gartenpavillion ein mehr an Natur beigegeben wurde.

Und das Stolpern, die Unübersichtlichkeit der Räume und Zugänge verstärkt auch den fotografischen Zweifel, zumal sich Nähe und Distanz auch in den Formaten widerspiegeln: Die großen, konfrontativen Tableaus von Struth, Gursky, Höfer und Ruff sind nicht mehr flexibel rahmbar oder verstaubar und bestehen auch nicht mehr aus Papier. Nähe als Rezeptionsmodus ist im Tableau unerwünscht, es schiebt den Betrachter in den Raum, von sich weg. Das Tableau machte die Fotografie objekthaft, aber entkoppelte das ins Gigantische vergrößerte Objekt auch von seiner ursprünglichen Aufnahmepraxis. Das Tableau in der Fotografie schuf ein »Objekt von Gedanken« (Hannah Arendt), einen Zwitter aus Konzeptkunst, Malerei und Fotografie. Die Kleinformate von Anna Vogel, Martina Sauter oder Laurenz Berges verbinden die Nähe des Betrachtens mit der Intimität der Aufnahmeposition, auch, um die Glaubwürdigkeit jener Nähe zu hintergehen und den Zweifel am Bild in der Nahsicht zu streuen.

Hier wird deutlich, was Rosalind Krauss in der Einleitung ihres Buches über »Das Photographische« schreibt: Es wird versucht, »(…) die Photographie auf die einzige Art zu denken, in der sie wirklich gedacht werden kann: über den Umweg einer Theorie der Abstände.« Und vielleicht ist dieser – auf den unterschiedlichsten Ebenen liegende – Abstand der Mörtel des Mehrgenerationenhauses Düsseldorfer Schule, das, was sie zusammenhält.

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