Ausstellungsbesprechungen

Bernhard Luginbühl. 'Luginbühl total'

Die Eisenkolosse legen den Eindruck nahe, dass ihr Schöpfer ein harter Gewichthebertyp sein müsste, ein Kraftprotz, wie man ihn im Ring oder eben – zuweilen – im Bildhaueratelier treffen kann. Man darf allerdings bei näherer Betrachtung der Werke von Bernhard Luginbühl vermuten, dass hinter der (bildlich gemeinten) Stahlfassade des unermüdlich Schaffenden ein poetischer Kern – zumal der eines emotional eingebetteten Familienmenschen – steckt.

1929 geboren, begann Luginbühls künstlerische Laufbahn unauffällig. Entscheidend war das Jahr 1953, in dem er sich mit Nachdruck auf die Eisenplastik stürzte; nahezu schicksalhaft wird die Begegnung mit Jean Tinguely 1957 gewesen sein, der ihm ein Bruder im Geiste und guter Freund wurde – davon zeugen die gemeinsamen Projekte und Ausstellungen. Doch wenn man mit Tinguely die schicksalhafte Figur des Sisyphos verband, kam Luginbühls Werk die Rolle des Atlashaften, des Zyklopischen zu. Fing der eine mit seinen ächzenden Leerlaufdrachen die bodenlose Existenznot des modernen Menschen ein, suchte der andere die schwer zu erringende Bodenhaftung als Wunschbild desselben Menschen.

»Bernhard Luginbühl ist der Zauberkünstler«, schrieb Wieland Schmid 1984; was immer er anrühre, »verwandelt er in die Gegenstände eines geheimen, auch ihm selbst nicht ganz bekannten Kultes, der nur durch ihn aus unvordenklichen Tagen auf uns gekommen schein. Aus Eisen des Mondes baut er seine Montgolfière, die ihn durch die Zeiten bringt: alles Schwere beginnt unter seinen Händen Gewicht zu gewinnen, bis es schwebt.«

Der Eisenplastiker, Grafiker, Sammler und Filmemacher lebt und arbeitet seit 1966 in einem Bauerhaus in Mötschwil, wo er einen Park mit eigenen Skulpturen und Plastiken unterhält. Nicht ganz geheuer war ihm die Idee, die kauzigen Rostviecher in die ehrwürdigen Musenhallen zu entlassen (für gewöhnlich ist eine Reit- oder Maschinenhalle gut genug). Aber was sich, wie in Basel, mit Tinguely – der dem ganzen Museum den Namen gegeben hat – machen lässt, kann mit Luginbühl nicht schief gehen. So sind denn auch in dieser Hauptausstellung hier die eisernen Ungetüme samt »Zwilling«, einem »Boss«- Paar, dem Sisyphus-Skarabäus und dem fast schon schmiedeeisern-schönen »Rossaltar«. Im Zusammenspiel beider Plastiker öffnet sich der Tiefsinn und zugleich der Spiel- und Spaßtrieb der Arbeiten, die den Betrachter aufs Angenehmste gefangen nehmen.

In Bern darf Luginbühls Gesamtwerk allein wirken und weist somit einen ganz anderen Zugang zu dem Bildhauer, der sich das Konzept für beide Präsentationen nicht aus der Hand nehmen ließ (suspekt war ihm wohl die Möglichkeit, zum »Salonkünstler« veredelt zu werden). Zwei Seelen in einer Brust, mindestens: Großplastik und Kinetik in Basel, Voreisenzeit und »eiserne« Programmatik in Bern.

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Zweigeteilt sind auch die ausstellungsbegleitenden Bücher, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist zunächst der von Bernhard und Ursi Luginbühl gestaltete Ausstellungskatalog, der auch schon alles hergibt, um nicht akademisch zu wirken (und doch einen grandiosen Beitrag des 1999 verstorbenen Werner Haftmann aus dem Jahr 1989 abdruckt): Der Basler und der Berner Anteil sind gegenläufig zu blättern – zum heulen –, die Bildqualität ähnelt schlechten Kopien – zum gruseln –, die wechselnden Schrifttypen – zum fürchten –; doch zusammen mit dem köstlich privaten Ansatz, den Bildunterschriften wie aus einem Fotoalbum, den brieflichen und Tagebuchaufzeichnungen, den Freundschaftsbekundungen ist ein phantasiestrotzendes Werk entstanden. Auf der anderen Seite steht der Werkkatalog, der erstmals die 1316 (eintausenddreihundertsechzehn!!) Plastiken Luginbühls zusammenführt. Das Buch ist nach Werkgruppen geordnet und umfasst alle Phasen zwischen 1947 und 2002, schließt Filmprojekte und Verbrennungsaktionen mit ein und gipfelt in den Arbeiten für den Skulpturenpark im Emmentaler Mötschwil.

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Basel: Dienstag – Sonntag 11–19 Uhr
Bern: Dienstag 10–21, Mi–So 10–17 Uhr
 
Eintrittspreise
Basel: CHF 7,- / erm. 5,-
Bern: CHF 12,- / erm. 8,-
 
Führungen

Basel: Sonntags, 11.30 Uhr
Genf: auf Anfrage
Exkursionen gibt es von Basel nach Genf und nach Mötschwil wie auch von Genf nach Basel und Bötschwil

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