Ausstellungsbesprechungen

Bewegte Bronze – Tanzplastiken von Bernhard Hoetger, Kunstsammlungen Böttcherstraße, Bremen, bis 3. Juni 2012

Wie viele bildende Künstler der Jahrhundertwende war Bernhard Hoetger (1874 – 1949) fasziniert von der rasanten Entwicklung des modernen Tanzes und daran interessiert, tänzerische Bewegungsabläufe und Posen mit bildhauerischen Mitteln festzuhalten. Wie ihm das gelungen ist, berichtet Günter Baumann.

Bernhard Hoetger muss irgendwann in den Schatten seines eigenen, so vielseitigen wie unüberschaubaren Werks geraten sein – und in den seiner Malerkollegen: zeitweise in Worpswede ansässig und mit Paula Modersohn-Becker befreundet, passte er als Bildhauer nicht so recht ins Klischee der spezifischen Worpswede-Kunst; als Expressionist war der symbolistisch angehauchte Hoetger wohl nicht radikal genug, als dass seine technische Meisterschaft ausgereicht hätte, sich gegen die dilettierenden Malerbildhauer wie etwa Ernst Ludwig Kirchner zu behaupten.

Selbst beim Thema Tanz musste er sich dem Vergleich mit Malern stellen – man denke an den bildhauernden Maler Edgar Degas. An den Anbiederungsversuchen an die Nazis in den Jahren nach 1933 kann es nicht liegen, dass man den Namen Bernhard Hoetgers etwas aus den Augen verloren hat, sonst wäre auch Emil Nolde nicht so bekannt geblieben. Wenn man dann endlich im Bereich der akademisch grundierten Plastik angelangt ist, wird man einen Bildhauer entdecken, der es verdient, wieder stärker ins Bewusstsein und ins Licht der Öffentlichkeit zu treten, wo er meist unerkannt schon einen Platz hat. Im Bremer Stadtbild befinden sich manche Nischenfiguren, die oft aus einer durchaus herben, sozusagen in Stein gemeißelten Stilphase Hoetgers stammen, die man mit den poetischen oder stilisierten Bronze-Arbeiten weniger in Verbindung bringt.

»Bewegte Bronze«, die Bremer Ausstellung über die Tanzplastiken von Bernhard Hoetger bringt den Künstler unausgesprochen in Verbindung mit Auguste Rodin, ungeachtet der sicher trefflichen Einordnung in das Art Nouveau, dem das bevorzugt kleine Format geschuldet ist. Die Skepsis, die der spätere Hoetger wiederum dem französischen Bildhauer entgegenbrachte – bezeichnenderweise mit Ausnahme von dessen monolithisch wirkenden »Balzac« –, ist im Werk abzulesen, auch dass hier der in sich ruhende Stil Maillols, also eine grade entgegengesetzt Position, durchschlägt.

Die Bremer Ausstellung stellt zwei Werkgruppen Bernhard Hoetgers in den Mittelpunkt, die fast schulmäßig die unterschiedlichen Darstellungsweisen dokumentieren. Zum einen geht es um das Bild der Lichtspiel- und Schlangentänzerin Loïe Fuller (1862–1928), zum anderen um das der ägyptisch anmutenden Ausdruckstänzerin Sent M’Ahesa (1883–1970). Die Autodidaktin Fuller inspirierte etliche Künstler um die Jahrhundertwende, darunter Rodin und Toulouse-Lautrec, und auch Hoetger war von ihrem »impressionistischen« Tanzstil begeistert. In vielen Bewegungsszenen versuchte er die von der Lichtregie verstärkten Auflösungserscheinungen ihrer Bewegungen einzufangen. Tatsächlich scheint die Bronze dahinzufließen, was sich in der Gusstechnik durchaus anbot – nur weiß man, dass Hoetger in Gipsstudien um diese Form gerungen hat. Dem Zufall ist nichts überlassen, doch ist genau der im Flug des Rocks aus der Bewegung heraus grandios inszeniert.

Ganz anders sind die Darstellungen von Sent M’Ahesa. Nicht nur, dass die Tänzerinnen 20 Jahre voneinander trennen – die Moden haben sich auch auf den Bühnen gewandelt –, Hoetger selbst war ein anderer, als er sich um 1922/23 mit M’Ahesa auseinander setzte, auch zwei Jahrzehnte später, als seine Fuller-Bronzen von 1901 entstanden. Nun ist es eher die geschlossene Form, die den Bildhauer reizte, sicher auch die geheimnisvolle Schönheit der Tänzerin, wie das fesselnde Porträt – mehrmals ausgeführt in verschiedenen Materialien – deutlich macht. Im Gegensatz zu den wirbelnden Bildmotiven im frühen Werk, neben der Plastik »Loïe Fuller« auch in dem figurativ chiffrierten »Sturm« verewigt, zeigt sich die M’Ahesa-Serie zusammen mit der Ganzfigur der als Pantomimetänzerin beschriebene Künstlerin statisch. Es ist kennzeichnend, dass neben Hoetger auch Max Beckmann die Tänzerin porträtierte, mit theatralischem Händespiel. Zwischen Loïe Fuller und Sent M’Ahesa wäre das Bild der Tänzerin Olga Breling anzusiedeln, bei der die Bewegung über den metallischen Glanz der Messingplastik auf einen Prozess zur geschlossenen Form hinweist. Die Schau gewährt mit etwa 30 Hoetger-Arbeiten und rund 40 weiteren Werken auch Einblicke in die Künstler-Modell-Beziehung. Gerade die Letztgenannte saß Hoetger längst Modell, bevor sie selbst Künstlerin wurde und sich ein persönlicherer Gedankenaustausch entwickelte. Breling war es auch, die sich mit Sent M’Ahesa anfreundete – so lernte Hoetger, der mit einer Konzertpianistin verheiratete war, die beeindruckendste ›seiner‹ Tänzerinnen kennen.

Das Paula-Modersohn-Becker-Museum plant, Hoetger künftig mehr Präsenz in der permanenten Ausstellung einzuräumen. Das könnte dazu beitragen, dem Bildhauer seinen verdienten Platz im Bremer und Worpsweder Umfeld dauerhaft zu sichern. Wegen Baumaßnahmen ist aber erst einmal Pause: Von 4. Juni bis 14. Juli 2012 ist das Haus geschlossen.

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