Ausstellungsbesprechungen

Bildvertrauen / Studio Jaeschke. Ausblick – Rückblick, Kunstmuseum Bochum, bis 7. August 2011

Ein irritierend schönes Wort steht über der Ausstellung, die im Kunstmuseum Bochum zu sehen ist: »Bildvertrauen« – niemandem entgeht das Spiel darin, so selbstverständlich gehen wir mit dem impliziten »Gottvertrauen« um, welches auch weniger gläubigen Menschen das Gefühl des Geborgenseins vermittelt. Bildvertrauen ist ein Pendant, das mit diesem Gefühl spielt: Lässt es uns wohlig zurücksinken angesichts der Existenz einer noch immer schönen Kunst, in der ein göttlicher Schöpfersinn ruht? Oder grenzt es an einen Tabubruch, indem es durch die Gleichsetzung eines singulär Gott vorbehaltenen Vertrauens mit der Herabstufung auf den medialen Botenbereich eine Art Missbrauch betreibt? Diesen Fragen geht Günther Baumann nach.

Wer dem Bild (und sei es das Bild Gottes) vertraut, braucht Gott keine Referenz mehr zu bekunden. Hinter dem Titel eröffnet sich eine zweigegliederte Schau, die vorwiegend im figurativen Bereich angesiedelt ist. Zum einen verweist der Ausblick auf drei junge Künstler, die sich bereits einen guten Namen im Kunstmarkt gemacht haben: Eckart Hahn, Thomas Huber und Johannes Hüppi, zwischen 1955 und 1971 geboren. Daneben treten elf längst etablierte Künstler mit Arbeiten auf, die dem Sammlerpaar Gerda und Helmut Jaeschke alle Ehren erweisen: Peter Ackermann, Dieter Asmus, Hede Bühl, Johannes Grützke, Konrad Klapheck, Jens Lausen, Wolfgang Mattheuer, Peter Nagel, Joachim Schmettau, Dietmar Ullrich und Hermann Waldenburg – die Jahrgänge liegen zwischen 1927 und 1941.

Eckart Hahn, der jüngste Teilnehmer der Ausstellung, verblüfft durch seinen akribischen Fotorealismus, der sich zwar kaum auf einen realen Gegenstand, wohl aber auf »reale« Bilder in unserem Kopf bezieht. Dem Bild-/Gottvertrauen widmet er sich gleich in mehrfacher Hinsicht, wie man auch in einem Statement Hahns erahnen kann: »Es interessieren mich die Nahtstellen der Dinge, die Teile einer Sache, die Kleinen, im Subtilen das Große erschüttern.« Da wäre etwa ein Spielzeugflugzeug (»At home«), das auf eine gestickte Decke oder eine Tapete zusteuert. Im Helldunkel hebt sich das Flugzeug deutlich vom Hintergrund ab, der neben den Schatten über eine raffinierte Bruchlinie im Muster den Raum markiert, in dem der Flieger ins Bild hineinkomponiert ist. Der aber nimmt sich quasi selbst seine Realität, indem er aus demselben Stoff zu sein scheint, wie der stoffliche Hintergrund, und er gewinnt zugleich an Realität, da er an keinem Faden hängt, ohne den Eindruck zu vermitteln, ein Kind könnte ihn geworfen haben. Wie auch immer, das nette Treiben wird im nächsten Augenblick seine spielerische Unschuld verlieren, wenn das Flugzeug gegen die Wand bzw. gegen das stoffverkleidete Objekt prallt –eine mutwillige Zerstörung, die an göttliche (man denke an so etwas wie Vorsehung) oder auch barbarische Allmachtsphantasien (man denke an 9/11) rührt.

Bedarf es noch eines Hinweises, dass im Flugzeug die Form eines Kreuzes steckt? Ein solches ist unmittelbares, und doch hinterfragbares Motiv in den Bildern »Flamme« oder »Feuer«, wo einmal zwei quer übereinander gelegte Streichhölzer an die Wand gehängt sind, von denen eines vom Feuer versengt wird, wo zum anderen ein kahlhäutiger, spärlich bekleideter Mann auf mutmaßlich leeren Umzugskisten sitzt, von denen auch zwei schon Feuer gefangen haben, auf das der kaum verwunderte Mann starrt – die Kisten sind in der Form eines christlichen Kreuzes aufgestellt. Hahn ist kein religiöser Maler, aber das Kreuzmotiv als solches dürfte schon stark genug sein, um seine Reize auf einen Maler auszuüben, der sich in einer phantastischen Parallelwelt aufzuhalten weiß, und der Fragen über Fragen stellt, zu denen es keine Antworten gibt, welche jedoch spannend genug sind, um als Betrachter mögliche Antworten zu suchen oder Gegenfragen zu stellen, die den Kontext eher noch aufheizen: Zieht der Glaube aus? Wird dessen Symbol verpackt? Oder transportfertig gemacht? Wenn ja, wohin geht die Reise? Warum und gegebenenfalls für wen brennt das Feuer? Usw. Eckart Hahn, der noch vor wenigen Jahren zwangsweise als Geheimtipp galt, weil seine Feinmalerei unter erheblichem Zeitaufwand entsteht, hat sich mittlerweile einen faszinierenden und gefragten Fundus im Bereich des zeitgenössischen Genrebildes, der Landschaft und des Interieurs geschaffen, der jede Ausstellung – und sei es eine Gruppenausstellung – zur Entdeckungs- und Erlebnisreise werden lässt.

Johannes Hüppi, der aus einer Künstlerfamilie stammt, ist längst eingeführt, was nicht zuletzt seinem erotisch aufgeladenen Werk geschuldet ist. Nahe am Lolita-Genre, darf man seine Arbeiten allerdings nicht als oberflächlich abtun – schon die Lichtführung, die Einbeziehung moderner Technologien wie dem Computer sowie manches Zitat aus der Kunstgeschichte lassen ein seltsam anmutendes Barockimage aufleben. Sachlich geht es zu bei dem Schweizer Thomas Huber, dessen Raumgefüge teils psychedelische (»Hotelflur«), teils traumhaft-surreale (»Studio I«) Assoziationen oder Wort- und Bilderrätsel (»Aus dem Bildlager CIT III«) aufwerfen. Die Nüchternheit, mit der Huber seine abstrusen Bildwelten vermittelt, lassen hier und da an kafkaeske Situationen denken (»Wohnatelier «), sein eigentliches Thema ist demgemäß die Figur im Raumgefüge. Alle drei genannten Künstler zeigen die enorme Kraft und Tragweite der jüngeren figurativen Malerei, die sich deutlich um Alternativen zur Leipziger Schule verdient gemacht hat – auch ihre Ausstellungspräsenz ist beeindruckend. Das Sammlerpaar Gerda und Helmut Jaeschke nimmt mit diesen Positionen die Ausstellungstätigkeit wieder auf, die es 1990 aufgegeben hatte – der Realismus war damals in einer Sackgasse. Davor unterhielten die Jaeschkes ein »Studio« unter ihrem Namen, das jenem gegenstandsorientierten Stil verpflichtet war. So ist es nur folgerichtig, dass die Neuauflage des »Schau«-Business auch einen Blick zurück riskiert.

Den Jungkünstlern stehen elf Maler und Bildhauer gegenüber, die als Wegbereiter der neueren Figuration gelten: Peter Ackermann wartet mit phantastischen Architekturmotiven auf; Dieter Asmus, der zur Zeit mit dem Parzival-Mythos von sich reden macht, bannt magische Augen-Blicke wie in einem eingefrorenen Bild; Hede Bühls Plastiken vereinen moderne existentielle Ängste und ägyptische Ewigkeitssymbole; Johannes Grützke verewigt sich selbst als Berufszyniker und begnadeter Selbstzweifler; Konrad Klapheck nähert sich in technischen Chiffren »Zärtlichen Schwestern« wie »Emigranten« gleichermaßen; Jens Lausen entwirft regenbogenbunte Kabinetträume als Gegenbilder zur real existierenden Allerweltsmonotonie; Wolfgang Mattheuer breitet seine phantasiestrotzende Themenvielfalt aus, die neben seinem Jahrhundertschritt-Menschen existiert und als Grundlage der neuen Leipziger Schule fungiert; Peter Nagel findet eindrückliche Bilder vom alltäglichen Scheitern des Menschen; Joachim Schmettau schafft mit seinen Bronzeplastiken eine auf Nahferne ausgerichtete Symbiose von Mensch und Tier sowie von Mensch und Gegenstand; Dietmar Ullrich zeigt beklemmende Panoramabilder; Hermann Waldenburg schließlich vereint die Schönheit des Ornaments mit der Vergänglichkeit der Landschaft. Alle diese Arbeiten fügen sich – obwohl sie zuweilen vier Jahrzehnte auf dem Buckel haben, wie ewigjunge Väter- (und Mütter-)Bilder in das Schaffen von Hahn, Huber und Hüppi ein. Getragen sind die Gemälde und Plastiken von einem wahrhaft großen Bildvertrauen.


Kunstmuseum Bochum
Kortumstraße 147
44787 Bochum
0234 / 910-42 30
http://www.bochum.de/kunstmuseum


Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag 10– 17, Mittwoch 10–20Uhr

Katalog:
Bildvertrauen. Studio Jaeschke. Ausblick – Rückblick. Hrsg. von Hans Günter Golinski, Studio Jaeschke. Kunstmuseum Bochum. 2011.
ISBN 978-3-8093-0274-2

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