Buchrezensionen

Blankenburg, Jürgen und Clément, Claus: Licht und Linie. Horst Janssen und die Fotografie

Der Verlag St. Gertrude beglückt seit Jahren die Leserschaft mit Monografien über Horst Janssen. Und immer wieder überrascht er mit neuen Themen.

Horst Janssen und die Fotografie schließt ein weiteres Kapitel des reichhaltigen Werks. Dabei wird der Fokus auf vier Aspekte seiner Begegnung mit der Lichtbildnerei gerichtet – Fotografien, Übermalungen, Collagen und Fotoradierungen.

Das Thema ist für aufmerksame Janssen-Fans nicht ganz neu. Denn bereits in seinen Büchern spielten Fotografien eine bedeutende Rolle. So erhielt der Künstler für seine Arbeiten in „Nocturno“ den Kodak-Fotopreis. Nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern im Zentrum des Interesses standen seine Polaroid-Fotografien zudem im Jahr 1982, als Janssen mit der Ausstellung „Fixierte Augenblicke“ in Hamburg provozierte. Unter seiner Leitung wurden überdies zwei Bände u. a. mit Fotografien publiziert, „Ergo“ und „Landschaften“. Jürgen Blankenburg betont in diesem Zusammenhang, dass Janssen ein Außenseiter in der Welt der Fotografie blieb, aber dass er sich – vielleicht gerade deshalb – der Offenheit dieses Mediums für neue Ausdrucksmöglichkeiten eher bewusst war als viele „Insider“.

Dies ist der Ausgangspunkt für die hier besprochene Monografie, denn es geht nicht allein um reine Fotografie. Der Titel „Licht und Linie“ kündigt an, dass seine Fotos mit seinen Zeichnungen und Grafiken in Beziehung gesetzt werden. Ein Ansatz, den Janssen selbst gegenüber Freunden aufgriff, der aber erst posthum durch dieses Buch erörtert wird. Interessant ist dabei: In einigen Fällen diente die Fotografie als Vorlage für eine Zeichnung oder Radierung, wie bei mehreren Bildnissen von Birgit Jacobsen. Darüber hinaus waren die Aufnahmen aber auch Medium für die Weiterverarbeitung. Richtig unterstreicht Erika Billeter deshalb die Wechselbeziehung zwischen den künstlerischen Ausdrucksformen. Janssen entwickelte bewusst kein autonomes fotografisches Oeuvre neben seinen Grafiken.

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Vertraut war dem Künstler die Fotografie seit seinem Studium bei Alfred Mahlau. Ein Hang zum Selbstporträt wurde dabei bereits in dieser Frühzeit von 1946 bis 1950 offenkundig: In den ersten Fotos hielt Janssen Janssen fest. Das Selbstporträt kann durchaus als Leitmotiv seiner Lebensarbeit angesehen werden. Mit der Fotografie begann er als 20-jähriger klassisch im Dreiviertelprofil, die eine Gesichtshälfte im Dunkel verschwindend. Der eigentliche Impetus zu fotografieren beginnt jedoch erst in den 1970er Jahren. Seine Kamera ist meist in diesen Arbeiten mit abgelichtet und unterstreicht den Akt des Fotografierens. Während in diesem Jahrzehnt seine Mimik neutral bleibt, spielt er in den Achtzigern mit seinem Gesichtsausdruck.

Bei seinen Stillleben griff Janssen ein traditionelles Thema der Malerei auf, dass bereits in der Fotografie des 19. Jahrhunderts großen Niederschlag fand. Seine „Nature morte“ zeigt das Alltägliche, seinen Arbeitstisch mit Zeichenstift und Zigarette. Die Bilder sind ohne harte Kontraste aus weichen Grautönen „gemalt“ oder wie beispielsweise in seiner Reihe der Polaroids zu den „Fixierten Augenblicken“ in Farbe aufgenommen.

In seinem Buch „Landschaften“ äußerte sich Janssen im Jahr 1989: „Also: ich gehe nicht in die Landschaft, ich gehe ein in die Landschaft und die Bilder, die ich aus der Landschaft ziehe, Sepia und Wasser – ich ziehe sie absichtslos, genüsslich sanft schlürfend ein und – zurück wieder in meiner Burg zieht die Landschaft durch meinem Schlaf.“ Dies ist eins von vielen Zitaten, die den Künstler immer wieder selbst zu Wort kommen lassen und die Abhandlung bereichern. In den frühen 1970er Jahren ist die Landschaft Hauptthema seiner Arbeit, das sich auch in der Fotografie widerspiegelt. Janssen verlässt sein Atelier mit Skizzenblock und Kamera. Entstanden sind eindrucksvolle Aufnahmen etwa des Tessins.

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Was die Technik betrifft, so waren Fotocollagen und Übermalungen Janssen stets eine willkommene künstlerische Mitteilungsform. Oft komplettierte er Pressefotos und ähnliches – nicht ohne Biss – zeichnerisch. Neben diesen „entdeckten“ Motiven, gibt es eine Reihe von eigenen Bildern, die er ebenso bearbeitet hat. In der Reihe seiner Selbstporträts findet sich unter dem Titel „Andeutung IV“, übrigens Titelillustration des vorliegenden Buches, ein sehr beeindruckendes Beispiel. Eine Collage aus einem Foto Janssens mit seiner Rollei, das zerrissen nur noch die eine Gesichtshälfte zeigt, und einer dieses Bild ergänzenden Radierung des frontal Schauenden. Bei solchen Fotocollagen nimmt der Zyklus „der foliant“ notabene eine Sonderstellung ein. Einen Unfall im Jahr 1990 dokumentiert der Künstler und verarbeitet ihn weiter. Zu sehen ist der verletzte Janssen, in intimen Aufnahmen „schwach und hilfsbedürftig“, wie Jutta Moster-Hoos es formuliert.

Seine Aufnahmen fotochemisch auf Zinkplatten zu übertragen, zu ätzen und anschließend im Rastertiefdruck zu drucken, diese Idee kam Janssen 1976. Die Ergebnisse bearbeitete und verfremdete er. Wie gelungen die Ergebnisse sind, lobt Claus Clément mit den Worten: „Mit Lust und Laune und seinem Alles-Können, so sollte man schlussendlich konstatieren, hat Janssen seinem ‚Stremel von Fotoradierung, Vor- und Nachbearbeitung per Verwertung’ spontan gefrönt und bravourös geschaffen.“

Den Abschluss dieser vielseitigen Betrachtung bilden Janssens Fotos enger Freunde und geliebter Frauen. Zur Erinnerung sei an dieser Stelle noch einmal auf „Nocturno“ verwiesen, jener großen Liebeserklärung an seine damalige Freundin Birgit Jacobsen. Ein Buch über Janssen und die Fotografie wäre jedoch lückenhaft, wenn nicht auch das Motiv „Janssen“ von dem Sucher anderer Fotografierender aufgespürt worden wäre. Und dort inszeniert er sich ähnlich wie in seinen Selbstporträts: mal ängstlich, mal wütend, mal nüchtern, mal traurig. Entstanden sind so außergewöhnliche Studien einer vielschichtigen Künstlerpersönlichkeit.

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Die Fotografie Horst Janssens kann nicht losgelöst von seinen Grafiken gesehen werden und doch muss sie sich nicht hinter diesen verstecken – das haben die Autoren dieses Buches eindrucksvoll gezeigt. Begleitend zur Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg ist die Betrachtung eines spannenden Aspekts in seinem Schaffen, die durch die prägnant verfassten Texte und die zahlreichen, gut reproduzierten Abbildungen zu begeistern weiss.

Bibliographische Angaben

Blankenburg, Jürgen und Clément, Claus: Licht und Linie. Horst Janssen und die Fotografie, Verlag St. Gertrude 2003, ISBN-13: 978-3935855037

 

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