Ausstellungsbesprechungen

Borremans – Bryce – Perjovschi, Gezeichnete Erzählungen

Der Württembergische Kunstverein hat auf einen schmissigen Titel ihrer Präsentation zeitgenössischer Zeichnungen verzichtet und wirbt stattdessen lakonisch mit den drei beteiligten Künstlernamen Dan Perjovschi (Rumänien), Fernando Bryce (Peru) und Michaël Borremans (Belgien).

Das spröde Entrée sollte nicht abschrecken, handelt es sich doch um eine der besten Ausstellungen des Kunstvereins seit dem Wechsel an seiner Führungsspitze.

 

Es ist ungewöhnlich genug, dass in der Gattung der Zeichnung drei Einzelpositionen gezeigt werden, wo sich die grafischen Künste sonst eher als Zugabe großer Retrospektiven oder aber als Epochenüberblick erweisen, ganz zu schweigen davon, dass die Zeichnung im medialen Zeitalter einiges an Zugkraft verloren hat. Umso spannender ist es zu beobachten, wie hier in internationalem Zuschnitt Spuren des Zeichenstifts an die Oberkante des künstlerischen Diskurses geführt werden. Doch auch hier springt das Kuratorenteam nicht auf den Zug auf, der mit wehenden Fahnen auf einen durchaus zu erwartenden Boom der eigenständigen Zeichnung hinweisen könnte. Vielmehr weisen die Ausstellungsmacher im Katalog auf das bloße Interesse hin, »drei höchst unterschiedliche ästhetische Ansätze und Verfahrensweisen des Zeichnens in einer offenen Beziehung zueinander vorzustellen und miteinander interagieren zu lassen«. Gemeinsam ist diesen Ansätzen etwa die lineare Ausformulierung komplexer Erzählräume.

 

Der 1963 geborene Michaël Borremans, dessen kleinformatige Arbeiten dem Betrachter zunächst den Mut abverlangen, in bedenkliche Nähe der Sicherungsanlagen vorzustoßen, um die fast altmeisterliche Technik im Anschluss an das 19. Jahrhunderts bewundern zu können, bereichert seine traditionellen Motive mit ironisch-verfremdenden Elementen und schafft so feingliedrige Bildwelten von hohem ästhetischen Charme. Der physischen Sogwirkung folgt der Reiz, diese verchiffrierten Erzählmomente (etwa in dem Blatt »Rainpillow. An influtable monument for John Coltrane, as a tribute«) zu entschlüsseln.

 

Der in Berlin und Lima arbeitende Fernando Bryce (geb. 1965) schlägt dem Buchdruck – Inbegriff der multimedialen Revolution – ein Schnippchen: Ganze Seiten aus der kubanischen Zeitung »Revolución« forstet er nach politisch relevanten Motiven durch, fotografiert bzw. kopiert sie und zeichnet sie schließlich akkurat ab. Als Wandzeitung von über 200 Einzelblättern hat der Künstler so Geschichte regelrecht nachgezeichnet und interpretiert (Bryce nennt das »mimetische Analyse«) und der Zeichnung obendrein ein Monument errichtet – gegen die schnelllebigen Printmedien.

 

Dan Perjovschi (geb. 1961) greift auf den Comic zurück, der an sich wesentlich von der Zeichnung bestimmt ist. Tagespolitische Brisanz erhalten die spritzig-spitzen, subversiven Sprechblasenkarikaturen dadurch, dass sie unmittelbar auf die Museumswand gezeichnet sind. Es gelingt dem Künstler jedoch vor allem, Themen auf den Punkt zu bringen, dass dem Schmunzeln schnell ein bedenkliches Stirnrunzeln folgt: so, wenn unter einer stilisierten Rokokoperücke auf einem Fußball »WMOZARTYEAR« Unvergleichliches in einen Topf geworfen wird, oder wenn sich Menschen im Panzer und an der Panzerfaust drohend mit dem Schlachtruf »Freedom« gegenüberstehen, oder wenn ein Museumsbesucher im Bild »Food« sieht, während ein anderer lediglich ein Stillleben von »Van Dyck« wahrnimmt.

 

Öffnungszeiten

Di–So 11–18, Mi 11–20 Uhr

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