Welche Motivation trieb Sammler im 16. Jahrhundert dazu an, im großen Umfang Grafik zu erfassen?
Und nach welchen Kriterien ordneten sie – lange bevor es Museen gab – die Werke an? Diesen spannenden Fragen ist Stephan Brakensiek im Rahmen seiner Dissertation nachgegangen. Seine Ergebnisse liegen nun in gedruckter Form vor.
War es Repräsentationsbedürfnis und die Lust auf Dekoration? Oder ging es um die Vermehrung von Wissen? Dienten die Blätter im Sinne der Aufklärung zu Forschungszwecken und wurden systematisch erfasst? Eine einheitliche Antwort auf all diese Fragen findet sich nicht. Auffällig ist, dass die Debatte um die „richtige“ Systematik beim Bewahren eine bedeutende Rolle spielte. Im Mittelpunkt vieler Handbücher des 19. und 20. Jahrhunderts stehen oft die Peintre-Graveur, dabei ist die Malergrafik nur ein Teil der Kollektionen und infolgedessen wird die Reproduktionsgrafik oft nur ungenügend beachtet.
In drei Kapiteln hat Brakensiek elf Sammlungen genauestens untersucht, die weitestgehend chronologisch behandelt werden. Von Belang für die Auswahl waren vier Kriterien: Die Sammlung sollten möglichst vollständig und nahezu unverändert die Jahrhunderte überdauert haben. Auch der Besitzer sollte bekannt sein, um aus den biografischen Daten entsprechende Schlüsse ziehen zu können. Zudem hat Brakensiek wiederholt Sammlungen ausgewählt, die erstmals publiziert beziehungsweise bislang kaum beachtet wurden.
Der Geistliche Michel de Marolles (1610–1681) gilt als Begründer des Kupferstichkabinetts. Seine Kollektion war die erste, die auf Vollständigkeit hin angelegt wurde. Brakensiek untersucht die Quellen genauestens und beschreibt die Sammlung vor und nach ihrem Verkauf. Der Kleriker hatte seine Sammlung genauso nach Künstlern geordnet wie nach dem Sujet. Wohl die frühste theoretische Betrachtung über Grafiksammlungen lieferte 1565 der flämische Arzt und Humanist Samuel Quicchelberg über die Kunstkammer Herzog Albrechts V.
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Weiter nimmt Brakensiek die Geschichte und den Bestand der Grafiksammlung Königs Philipps II., die Grafische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart und die Kupferstichsammlung des Passauer Dechanten Max Gandolf Steyerers von Rothenthurn unter die Lupe. Sein Blick führt anschließend nach Bayern zu Kurfürst Maximilian I.# Page Separator #
Auch wenn in den letzten Jahrzehnten vermehrt Ausstellungen und Publikationen zu dem umfangreichen Thema zu finden waren, hat Brakensiek eine Lücke gefüllt und den Zusammenhang von Strukturen einzelner Sammlungen in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert verdeutlicht.Brakensiek, Stephan : Vom »Theatrum mundi« zum »Cabinet des Estampes«. Das Sammeln von Druckgraphik in Deutschland 1565–1821, in: Studien zur Kunstgeschichte, Band 150. Olms Verlag 2003
88,– €, ISBN-13: 978-3487118505