Buchrezensionen

Brakensiek, Stephan: Vom »Theatrum mundi« zum »Cabinet des Estampes«. Das Sammeln von Druckgraphik in Deutschland 1565–1821, in: Studien zur Kunstgeschichte, Band 150.

Welche Motivation trieb Sammler im 16. Jahrhundert dazu an, im großen Umfang Grafik zu erfassen?

Und nach welchen Kriterien ordneten sie – lange bevor es Museen gab – die Werke an? Diesen spannenden Fragen ist Stephan Brakensiek im Rahmen seiner Dissertation nachgegangen. Seine Ergebnisse liegen nun in gedruckter Form vor.

War es Repräsentationsbedürfnis und die Lust auf Dekoration? Oder ging es um die Vermehrung von Wissen? Dienten die Blätter im Sinne der Aufklärung zu Forschungszwecken und wurden systematisch erfasst? Eine einheitliche Antwort auf all diese Fragen findet sich nicht. Auffällig ist, dass die Debatte um die „richtige“ Systematik beim Bewahren eine bedeutende Rolle spielte. Im Mittelpunkt vieler Handbücher des 19. und 20. Jahrhunderts stehen oft die Peintre-Graveur, dabei ist die Malergrafik nur ein Teil der Kollektionen und infolgedessen wird die Reproduktionsgrafik oft nur ungenügend beachtet.

In drei Kapiteln hat Brakensiek elf Sammlungen genauestens untersucht, die weitestgehend chronologisch behandelt werden. Von Belang für die Auswahl waren vier Kriterien: Die Sammlung sollten möglichst vollständig und nahezu unverändert die Jahrhunderte überdauert haben. Auch der Besitzer sollte bekannt sein, um aus den biografischen Daten entsprechende Schlüsse ziehen zu können. Zudem hat Brakensiek wiederholt Sammlungen ausgewählt, die erstmals publiziert beziehungsweise bislang kaum beachtet wurden.

Der Geistliche Michel de Marolles (1610–1681) gilt als Begründer des Kupferstichkabinetts. Seine Kollektion war die erste, die auf Vollständigkeit hin angelegt wurde. Brakensiek untersucht die Quellen genauestens und beschreibt die Sammlung vor und nach ihrem Verkauf. Der Kleriker hatte seine Sammlung genauso nach Künstlern geordnet wie nach dem Sujet. Wohl die frühste theoretische Betrachtung über Grafiksammlungen lieferte 1565 der flämische Arzt und Humanist Samuel Quicchelberg über die Kunstkammer Herzog Albrechts V.

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Weiter nimmt Brakensiek die Geschichte und den Bestand der Grafiksammlung Königs Philipps II., die Grafische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart und die Kupferstichsammlung des Passauer Dechanten Max Gandolf Steyerers von Rothenthurn unter die Lupe. Sein Blick führt anschließend nach Bayern zu Kurfürst Maximilian I.

Fürst von Waldburg-Wolfegg besaß eine einzigartige Sammlung. Mit annähernd 120 000 druckgrafischen Blättern und Handzeichnungen gibt sie noch stets Anlass zum Staunen.

Dagegen war den Zeitgenossen die Sammlung des Privatmannes Georg Friedrich Brandes als eine der größten bekannt. Beachtenswert an der Sammlung von Eugen von Savoyen ist nicht der Aufbau nach Sachthemen, wie vierfüßige Tiere oder Statuen, sondern die Anordnung mit bis zu acht Blättern auf einer Seite.

Bei der Darstellung von neuen Maximen im Umgang mit Grafik bearbeitet Brakensiek das Dresdener Kupferstichkabinett. Es gilt als eine erstaunliche Pionierleistung des 18. Jahrhunderts in Bezug auf ein „halböffentliches Museum“. Eine der letzten Kupferstichsammlungen, die noch annähernd im Originalzustand ist, ist die Kollektion des Landgrafen von Hessen-Kassel. Typisch für die Loseblattsammlung Anton von Kleins ist die Unterteilung nach fünf Nationalschulen.

Jedem, der sich intensiver mit dem Kupferstich befasst hat, ist der Name Adam Bartsch vertraut. Der Kustos der Wiener Hofbibliothek führte eine Umorganisation der Kupferstichsammlung durch. Mit seinem Tod 1821 endet die Untersuchung Brakensieks. Seine Ziele, etwa die Rekonstruktion der ursprünglichen Aufbewahrungsformen, die Suche nach Impulsen, Innovationen und der Einflussnahme hat er genauso erreicht wie die begründete Neubewertung einzelner Aspekte. Ausführliche Fußnoten und zahlreiche Anhänge verleihen der Lektüre ein hohes Maß an Wissenschaftlichkeit, stören jedoch glücklicherweise den Lesefluss nicht.

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Auch wenn in den letzten Jahrzehnten vermehrt Ausstellungen und Publikationen zu dem umfangreichen Thema zu finden waren, hat Brakensiek eine Lücke gefüllt und den Zusammenhang von Strukturen einzelner Sammlungen in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert verdeutlicht.

Bibliographische Angaben

Brakensiek, Stephan : Vom »Theatrum mundi« zum »Cabinet des Estampes«. Das Sammeln von Druckgraphik in Deutschland 1565–1821, in: Studien zur Kunstgeschichte, Band 150. Olms Verlag 2003
88,– €, ISBN-13: 978-3487118505

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