Ausstellungsbesprechungen

Byzanz – Pracht und Alltag. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, bis 13. Juni 2010

Mehr als 600 Stücke aus über 80 Museen sind kein Pappenstiel – fast zwangsläufig lässt sich da jeder Besucher auf eine Tour de force ein, die manches Exponat in der phasenweisen Ermüdung ungewollt und zu Unrecht in Misskredit bringen könnte. Einerseits stehen unbeschreiblich schöne Meisterwerke parat wie das Fragment einer Tafel mit der Darstellung des von Christus gesegneten Konstantin VII Porphyrogennetos aus dem 10. Jh., andererseits präsentieren sich nahezu einfältige Motive wie die Ikone mit der hypothetischen Darstellung der hll. Platon und Glykeria aus dem 7. Jh. Hier wird die Spannweite deutlich, die es zu überbrücken gilt. Eine Rezension von Günter Baumann.

Freilich darf man nicht achtlos an dem Märtyrerpaar vorbeigehen, weil es künstlerisch gesehen zweitrangig zu sein scheint, denn umso mehr vermittelt das Bild etwas von der Frömmigkeit einer hinter der Kunst oft vernachlässigten breiten Öffentlichkeit und einer Bildungsschicht, die weiter reichte, als dies in jener Zeit im Westen der Fall war. Denn das macht den Reiz der Ausstellung aus, dass der Alltag inklusive eines naiv-religiösen Menschenbildes denselben Stellenwert einnimmt wie das ästhetische Kleinod. Die Megaschau will dabei noch nicht einmal einen erschöpfenden Überblick, sondern gerade einmal einen Einblick in die byzantinische Kultur geben.

Mehr ist nicht zu schaffen. Zumal ein Wust an Vorurteilen erst aus dem Weg zu räumen ist. Da die byzantinische Kultur für gewöhnlich als Spätzeit empfunden wird, kommt auch schnell die Dekadenzkeule, die einen abwinken lässt, wenn es um die Relevanz für unsere Gegenwart geht. Dass diese verbreitete Behauptung – genauso wie der Vorwurf militärischer Feigheit – in die Welt kam, lag neuen Erkenntnissen nach an der feindlichen Propaganda. In Wirklichkeit erledigt sich das erstere schon im Anblick der grandiosen Kulturschätze. Zum anderen besaß das byzantinische Reich eine Armada, die zum eigenen Schutz nicht nur notwendig, sondern auch zur Abschreckung auf imposante Weise präsent war. Auf Umwegen der Kunstdarstellung räumt die Ausstellung auf mit diesen Fehldeutungen, sofern man die Bildwerke lesen kann. Da lässt im übrigen der angemessen prachtvolle Katalog nichts zu wünschen übrig, der den ausgezeichneten Bildern den nötigen Hintergrund eröffnet. Zugleich taucht vor uns die Machtfülle dieses Reiches auf, die mit Konstantin einen (in damaliger Weltsicht) global agierenden Kaiser auf den Plan rief. So nützlich kann Kunst sein, die uns die Realität eines untergegangenen Reiches, einer vergangenen Kultur näher bringt, die meist eher als musealer Anhang an der Antike oder am Mittelalter regelrecht hängen bleibt.

Und darüber hinaus ist diese Kunst schlicht schön, im klassischen Sinne eines interesselosen Wohlgefallens. Wieso sollte etwa ein Ölkrug die Form eines Bären haben? Doch ein solches Bronze-Tier, rund 14 cm hoch, 17 cm breit, hechelt uns an, in einem überwältigenden Realismus durchgestaltet, wie er nur unter spätrömischem Einfluss entstehen konnte. Byzanz war auch immer eine Idee, eine Fiktion, nicht nur Begriff oder Geschichte, wozu ein langer Atem gehört. Die Bonner Ausstellung will nicht mehr und nicht weniger, als zu belegen, dass es »Europa, wie wir es heute kennen«, ohne Byzanz nicht geben würde – so ist Falko Daim überzeugt, Kurator des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz (zugleich Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte), das die Schau gemeinsam mit der Bonner Ausstellungshalle erarbeitet hat. Abgedeckt wird die Zeit zwischen der Gründung Konstantinopels im Jahr 324 und dem Untergang nach der osmanischen Eroberung 1453, wenn auch dem mittleren Segment (mit den Eckdaten Justinians I. und der Kreuzfahrer, d.i. 527 bis 1204) mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Während allein diese Zeitspanne freilich hinlänglich in zahlreichen Ausstellungen thematisiert wurde, dürfte der technische Aufwand alles Bisherige in den Schatten stellen: Dank Computeranimationen und filmischen Darstellungen werden dem Besucher die Schauplätze sinnfällig vor Augen geführt.

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